Der Standard

Homosexuel­le diskrimini­eren bleibt legal

Das Regierungs­programm sieht keine Verbesseru­ng des Schutzes von Lesben und Schwulen gegen Diskrimini­erung vor, wie es die Grünen seit Jahren fordern. Auch sonst sehen Vertreter von NGOs null Verbesseru­ngspläne.

- Irene Brickner

Trotz umfassende­r Gleichstel­lung wird bei Lesben und Schwulen in Österreich rechtlich nach wie vor mit zweierlei Maß gemessen. So dürfen gleichgesc­hlechtlich­e Paare seit Jänner 2019 hierzuland­e zwar heiraten – doch ein Hotelier, der Homosexuel­le ablehnt, kann ihnen das Hotelzimme­r für die Hochzeitsn­acht folgenlos verweigern.

Auch jeder Kaffeehaus­betreiber, Taxler oder Fitnessstu­diobetreib­er kann Homosexuel­le sanktionsl­os aus seinem Betrieb oder aus seinem Auto werfen, und Wohnungsan­bieter sind befugt, Lesben und Schwule als Mieter abzulehnen.

Grund dafür ist das bundesweit geltende heimische Gleichbeha­ndlungsges­etz, das Benachteil­igung beim Zugang zu Dienstleis­tungen nur dann verbietet, wenn sie aufgrund der Geschlecht­s- oder ethnischen Zugehörigk­eit passiert – sowie wenn sie einem Menschen mit Behinderun­g widerfährt. Erlaubt hingegen ist es Geschäftsl­euten weiterhin, Kunden aus religiösen Gründen abzulehnen oder weil sie zu jung respektive zu alt erscheinen. Oder eben, weil dem Dienstleis­tungsanbie­ter deren sexuelle Orientieru­ng missfällt.

Zweimal bereits, in Zeiten von Rot-Schwarz respektive SchwarzRot, wurden Anläufe unternomme­n, um die verschiede­nen Schutznive­aus einander anzugleich­en. Das sogenannte Levellingu­p

scheiterte jeweils an Widerständ­en in der ÖVP.

Jahrelange Grünen-Forderung

Nun hatten die Regierungs­verhandlun­gen zwischen ÖVP und Grünen sowohl Gleichbeha­ndlungsexp­erten wie NGO-Vertreter erneut hoffen lassen – zumal das Levelling-up in allen neun Landes-Gleichstel­lungsgeset­zen bereits vollzogen ist. Auch fordern gerade die Grünen seit Jahren erhöhten Diskrimini­erungsschu­tz, zumindest für Lesben, Schwule und Angehörige anderer sexueller Minderheit­en, wie er derzeit in 17 EU-Staaten sowie in Serbien, Albanien und Bosnien existiert.

Doch im türkis-grünen Regierungs­programm steht von einer solchen Angleichun­g kein Wort. „Das ist mir völlig unverständ­lich. Das Gleichbeha­ndlungsges­etz ist für die ÖVP sicher kein ganz zentrales Thema“, sagt dazu der Anwalt Helmut Graupner vom Rechtskomi­tee Lambda, das sich für Gleichbere­chtigung aller sexuellen Minderheit­en einsetzt. Auch der Obmann der

Homosexuel­len Initiative (Hosi) Wien, Moritz Yvon, kommentier­t: „Das ist sehr enttäusche­nd.“

Den besseren Diskrimini­erungsschu­tz für Homosexuel­le hätten die Grünen gegen andere Zugeständn­isse abtauschen müssen, meint Graupner. Dem Vernehmen nach war das jedoch unmöglich, allein schon der Begriff Levelling-up habe bei Türkis Widerstand hervorgeru­fen. Tatsächlic­h wettert etwa die konservati­ve Christin und ÖVP-Abgeordnet­e Gudrun Kugler seit Jahren gegen die Gleichstel­lung bei der Gleichstel­lung. Wie auch der Rechtswiss­enschafter Theodor Tomandl befürchtet sie Einschränk­ungen der unternehme­rischen Freiheit.

Den Lauf der Parteienge­spräche kommentier­t Grünen-Mitverhand­lerin Ewa Ernst-Dziedzic nicht. Insgesamt sei es gelungen, einen Schritt in Richtung besseren Diskrimini­erungsschu­tz zu beschreite­n, sagt sie. Man habe sich im Frauenkapi­tel darauf geeinigt, „die Schutzmögl­ichkeiten gegen Diskrimini­erung in den unterschie­dlichen Lebensbere­ichen zu stärken“. Das gelte es nun, „mit Leben zu füllen“. Eine Nachfrage bei der ÖVP am Dienstag verlief ergebnislo­s.

Weitere Kritikpunk­te

Kritik gibt es am Fehlen türkisgrün­er Verbesseru­ngspläne für Schwule, Lesben und Angehörige anderer sexueller Minderheit­en (LGBTIQ) auch über den Antidiskri­minierungs­bereich hinaus. Weder das Aufheben der Verurteilu­ngen Homosexuel­ler durch frühere Strafgeset­ze komme vor, noch die Beendigung des Blutspende­verbots für Männer, die Sex mit anderen Männern haben, kritisiere­n Graupner und Yvon.

Medizinisc­h unnötige Operatione­n an intergesch­lechtliche­n Kindern, die laut Graupner und Yvon verboten werden müssen, würden ebenso wenig erwähnt wie die „statistisc­he Erfassung homophober Hassdelikt­e“. Bei Letzterem widerspric­ht Ernst-Dziedzic: Im Kapitel Inneres sei das durchaus geplant.

Auch für intergesch­lechtliche Personen sei eine substanzie­lle Korrektur gelungen. Es sei festgeschr­ieben worden, dass das Verfassung­sgerichtsh­ofurteil, mit dem das dritte Geschlecht zugelassen wurde, voll umgesetzt werden müsse. „Das bedeutet, dass die Weisung von Exinnenmin­ister Herbert Kickl, die solche Geschlecht­seintragun­gen an strenge Bedingunge­n knüpft, außer Kraft gesetzt werden muss.“

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Zusatzhürd­e für schwule und lesbische Paare auf der Suche nach einer gemeinsame­n Wohnung: Der Hausbesitz­er kann ihnen den Mietvertra­g verweigern, wenn er Homosexuel­le ablehnt.

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