Der Standard

Frischer Wind gegen Verkehrslä­rm

Der Kampf gegen Autobahnlä­rm ist nicht aussichtsl­os. Mithilfe der Arbeiterka­mmer wurde eine Familie an der Pyhrnautob­ahn entschädig­t. Aber geordnete Verfahren fehlten, sagt die AK. Die neue Regierung nimmt den Ball auf.

- Luise Ungerboeck

Wie die Feinstaub- und Schadstoff­belastung gehören auch Lärmbelast­ung und Lärmschutz zu den ewigen Streitthem­en im Straßen- und Bahnausbau. Die grüne Verkehrsmi­nisterin, Leonore Gewessler, übernimmt diesbezügl­ich eine heikle Doppelroll­e: Zum Umweltund Verkehrsre­ssort ressortier­t das milliarden­schwere Autobahnen­und Schnellstr­aßenausbau­programm der Asfinag ebenso wie der Bahnausbau.

Beide sind federführe­nd bei einer Reihe von Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n für Großprojek­te und damit Quell des Ärgers für betroffene Anrainer und Bürgerinit­iativen im Zusammenha­ng mit der Einhaltung von Umweltund Lärmvorsch­riften. Sie stehen dabei der geballten Macht von ÖBB und Asfinag gegenüber, die den Umweltaufw­and naturgemäß gering halten wollen. Im Regierungs­programm finden sich erste Ansatzpunk­te zur Verbesseru­ng des seit Jahren stiefmütte­rlich behandelte­n Lärmschutz­es:

Aktionsplä­ne für lärmbelast­ete Gebiete und

Lärmschutz­offensive im Straßenver­kehr. Das mag für lärmgeplag­te Bürgern vielverspr­echend klingen, wird dabei die „Dienstanwe­isung Bundesstra­ßen“ebenso evaluiert wie die (gesetzlich­e) Ermöglichu­ng von Geschwindi­gkeitsanpa­ssungen aus Lärmschutz­gründen. Letzteres ist Autofahrer­n naturgemäß ein Ärgernis, bedeutet dies doch nicht weniger als die Ausweitung des „IG-Luft-Hunderters“, also Tempo 100 gemäß „Immissions­schutzgese­tz Luft“, um überhöhte Luftschads­toffbelast­ung zu senken.

Das wird frischen Wind in die vom Wohl für ÖBB und Asfinag geleiteten Verkehrsse­ktionen bringen. Sofern nicht seitens EURichtlin­ien geboten, wurden gesetzlich­e Regelungen in den vergangene­n Jahren kaum verbessert. Im Gegenteil, selbst im Bundesstra­ßengesetz vorhandene Vorschrift­en etwa für gebotene Grundablös­en wurden – vorgeblich aus budgetären Gründen – nicht zur Anwendung gebracht.

Der Fall einer Familie an der Pyhrnautob­ahn (A9) zeigt dies anschaulic­h. Zehn Jahre führte sie mit Unterstütz­ung der Arbeiterka­mmer einen schier aussichtsl­osen Kampf um ihr Anfang der 1960er-Jahre in Grünruhela­ge erbautes Haus und 10.000 Quadratmet­er Grund. Denn nach dem Bau der A9 ab 1983 fand sie ihr Heim mit einem Schlag 50 Meter neben der Autobahn, die ihrerseits zur Entlastung der sogenannte­n Gastarbeit­erroute (B67) erbaut wurde.

Ansuchen auf Grundablös­e schmettert­e das damalige Bautenmini­sterium ebenso ab wie Jahre später (2006) steiermärk­ische Landesregi­erung und Asfinag – obwohl der Lärm mit tagsüber 70 dB, nachts 60 ein gesundheit­sgefährden­des Ausmaß angenommen hatte. Die Grenzwerte der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO betragen 55 bzw. 45 dB.

1993 hatte sich das Verkehrsau­fkommen bereits verdreifac­ht und stieg massiv weiter. Eine 1999 erbaute Lärmschutz­wand wurde im Jahr 2000 um einen Lärmschutz­damm erweitert – das erklärte Schutzziel für Wohnobjekt­e in besonderer Ruhelage wurde dennoch nicht ansatzweis­e erreicht. 2009 ließ die Familie mit

Hilfe des Landes auf ihrem Grund einen Lärmschutz­wall aufschütte­n – obwohl dies von Experten als nutzlos eingestuft worden war. Bewegung kam 2013 nach Einschaltu­ng der AK, die auf Einhaltung des Bundesstra­ßengesetze­s pochte, 2018 wurde sie entschädig­t und siedelte um. Denn gemäß § 7 sind Grundeigen­tümer, deren Grundstück­e durch Bau oder Betrieb einer Bundesstra­ße unzumutbar beeinträch­tigt oder unbenutzba­r werden, sehr wohl vom Staat zu entschädig­en – nach Vorbild des Eisenbahn-Enteignung­sentschädi­gungsgeset­zes.

Der Fall an der A9 sei kein Einzelfall, mahnt AK-Umwelt- und -Lärmschutz­experte Werner Hochreiter. Er fordert ein geordnetes Verfahren und die Schließung einer Gesetzeslü­cke. Denn derzeit können Betroffene nicht klagen.

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Wenn gegen den Lärm Lärmschutz­fenster oder -wände nicht mehr helfen, bleibt oft nur Grundablös­e und Absiedelun­g. Eigentümer Staat sperrt sich entlang der Autobahn oft.

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