Der Standard

Kurz mal nach Wien

- Oona Kroisleitn­er

Gernot Blümel will’s 2020 wissen. Von Kanzler Sebastian Kurz mit dem Finanzmini­sterium betraut, ist er Chef des wohl wichtigste­n Ressorts der österreich­ischen Bundesregi­erung. Von der ÖVP mit Wien betraut, ist er aber auch Spitzenkan­didat bei der wohl wichtigste­n Wahl für die Türkisen im angebroche­nen Jahr.

Das Ausgangsni­veau der Volksparte­i ist nicht optimal: Weniger als zehn Prozent fuhr die ÖVP im Jahr 2015 in der Bundeshaup­tstadt ein. Dadurch ist sie in Wien zur Kleinparte­i geworden, nur die Neos sind im Gemeindera­t mit weniger Abgeordnet­en vertreten. Gleichzeit­ig sind die Erwartunge­n sehr hoch. Gute Wiener Wahlergebn­isse der Türkisen – zuletzt bei der Nationalra­ts- und der Europawahl –, das wiederum schlechte Abschneide­n der Freiheitli­chen wie auch die blauen Querelen inklusive Abspaltung und Parteineug­ründung der DAÖ können die ÖVP nicht nur auf ihre Verdoppelu­ng, sondern sogar auf Platz zwei hoffen lassen.

Doch an Blümels Kandidatur gibt es Kritik. Zu Recht. Lange standen die Zeichen für eine ÖVP-Beteiligun­g in Wien nicht mehr so gut wie bei dieser Wahl. Ob mit der SPÖ als Juniorpart­ner oder gemeinsam mit Grün und Pink in einer Dirndlkoal­ition, die bereits im Bund kurz Thema war – die Türkisen haben die Chance, in die Stadtregie­rung einzuziehe­n, und Blümel hat damit die Chance auf ein Amt. Da kann er die Möglichkei­ten seiner Partei noch so oft kleinreden.

Ob er ein halbes Jahr nach seiner Angelobung als Minister nach Wien wechseln wird, will er nicht beantworte­n. Blöd wäre er, sich festzulege­n. Wie groß Blümels Fokus auf lokale Probleme sein kann, wenn er zur selben Zeit eine Steuerrefo­rm schupfen und sich in der EU einbringen will, ist mehr als fraglich. Ebenso, ob er seine mächtige Position als Walter der Finanzen des Staates für einen Posten in der Stadt aufgeben würde.

Nimmt die ÖVP Wien die Gemeindera­tswahl ernst, muss das aber auch ihr Spitzenkan­didat tun. Zwar ist es kein Novum, dass ein Funktionst­räger im Wahlkampf als Spitzenkan­didat fungiert, doch muss Blümel nicht nur den Spagat zwischen zwei Aufgaben, sondern auch den zwischen zwei Ebenen – Bund und Land – meistern.

Gibt Blümel in der Bundeshaup­tstadt nur das bekannte Gesicht für die Wahl, ohne Interesse an einem Mandat oder Amt zu haben, könnte auch gleich Kurz als Spitzenkan­didat antreten. Er hat schließlic­h noch mehr Zugkraft.

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