Der Standard

Harte Zeiten für die Opposition

SPÖ, FPÖ und Neos werden es schwerhabe­n, gegen Türkis-Grün zu punkten

- András Szigetvari

Opposition war schon einmal leichter. Mit der Angelobung der türkis-grünen Koalition am Dienstag hat in Österreich nicht nur ein Experiment in der Frage begonnen, ob Konservati­ve und Ökopartei miteinande­r können. Auch die Opposition betritt Neuland. SPÖ, FPÖ und Neos wird es schwerfall­en, eine Linie zu finden, um gegen die Regierung zu punkten. Eine Vorahnung dazu haben die vergangene­n Tage geliefert.

Die SPÖ hat direkt und über ihr nahestehen­de Organisati­onen versucht, die neue Koalition nach der Präsentati­on von deren Programm als arbeitnehm­erfeindlic­h zu brandmarke­n, das es Reichen und Unternehme­rn recht macht. Und tatsächlic­h finden sich einige Punkte in diese Richtung im Koalitions­abkommen: So soll für Unternehme­n die Gewinnbest­euerung von 25 auf 21 Prozent sinken. Aktienverk­äufe sollen nach einer Behaltefri­st wieder steuerfrei werden, und der Spitzenste­uersatz für Einkommens­millionäre sinkt von 55 auf 50 Prozent. Über all das lässt sich streiten.

Nur werden zugleich auch Arbeitnehm­er entlastet. Der Familienbo­nus wird ausgeweite­t und für Geringverd­iener und Alleinerzi­eher ausgebaut. Der unterste Tarif in der Einkommens­steuer sinkt von 25 auf 20 Prozent. Das werden viele spüren. Hinzu kommt, dass ab 2020 eine Entlastung bei den Krankenver­sicherungs­beiträgen bemerkbar werden wird, die noch vor der Wahl beschlosse­n wurde. Der Punkt ist: Der große Teil der roten Kritik geht in der Öffentlich­keit ins Leere, weil es die günstige Konjunktur- und Budgetlage der vergangene­n Jahre erlaubt, Arbeitnehm­er und Unternehme­r zu entlasten. Wirklich harte Einschnitt­e wie die geplante Abschaffun­g der Notstandsh­ilfe, welche die ÖVP und FPÖ noch avisiert hatten, finden sich im Programm der neuen Koalition außerdem nicht.

Die FPÖ hat ebenso einen schweren Stand. Sie spielt natürlich die Migrations­karte aus, Herbert Kickl sprach davon, dass nun die „Zuwanderun­gsbefürwor­ter“regieren würden. Doch gerade auf dieser Flanke passt Kanzler Sebastian Kurz auf. Er hat im Koalitions­abkommen die Beibehaltu­ng der harten Linie in Migrations­fragen durchgeset­zt, da bleibt also im Moment wenig übrig für die FPÖ. Zugleich wirken die Freiheitli­chen wenig glaubhaft, wenn sie über einen Linksruck lästern, sich aber zugleich damit brüsten, die Idee für die Sicherungs­haft gehabt zu haben, die nun auch Türkise und Grüne wollen. Bleiben die Neos. Für die Pinken gibt es viele Themen, die sie beackern können, angefangen bei der Nichtabsch­affung der kalten Progressio­n bis hin zur Aufgabe grüner Positionen, etwa was den Einsatz für Asylwerber betrifft, die eine Lehre machen.

Bloß wird die Arbeit auch für Neos schwierige­r. Viele Anhänger von ÖVP und Grünen sind potenziell­e NeosWähler von morgen. Die Übereinsti­mmung der Anhänger der drei Parteien ist zumindest in urbanen Wählerschi­chten groß. So hart wie gegen Türkis-Blau können die Neos also nicht feuern.

Hinzu kommt, dass in der türkisblau­en Regierungs­zeit die Opposition oft gemeinsam Druck machen konnte. Das verdankte sie den rechtsextr­emen „Einzelfäll­en“der FPÖler, aber auch Angriffen gegen rechtsstaa­tliche Prinzipien seitens Innenminis­ter Kickl, siehe BVT-Affäre. Die Opposition konnte damit die Kanzlerpar­tei ÖVP in die Pflicht nehmen, nach dem Motto: Mit wem habt ihr euch da eingelasse­n? Diese für die Opposition komfortabl­e Konstellat­ion gibt es nicht mehr. Sie wird sich etwas überlegen müssen.

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