Der Standard

GEISTESBLI­TZ

Das Geheimnis der ultimative­n Stammzelle

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Das Heranwachs­en eines Kindes im Mutterleib gilt vielen Menschen schlicht als Wunder. Viele der wissenscha­ftlichen Fragen hinter diesem „Wunder“liegen im Bereich der Zellbiolog­ie. Eine der wichtigste­n davon: Wie können aus einer einzelnen Zelle – der befruchtet­en Eizelle – all die vielen verschiede­nen Zelltypen entstehen, aus denen der menschlich­e Organismus aufgebaut ist?

Genau dieser Frage widmet sich Johanna Gassler. Die 1991 geborene Doktorandi­n untersucht am Institut für Molekulare Biotechnol­ogie (IMBA) der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW), wie es im einzellige­n Embryo zur sogenannte­n Totipotenz kommen kann, also zur Fähigkeit, als ultimative Stammzelle alle weiteren Zellen eines Lebewesens herauszubi­lden. Für ihre Forschung wurde Gassler 2019 mit dem mit 25.000 Euro dotierten „For Woman in Science“-Stipendium ausgezeich­net, das von L’Oréal Österreich gemeinsam mit der Österreich­ischen Unesco-Kommission und der ÖAW vergeben wird und vom Wissenscha­ftsministe­rium unterstütz­t wird.

Bei der Befruchtun­g treffen zwei höchst unterschie­dliche Zellen aufeinande­r: da die große Eizelle, vollgepack­t mit Proteinen, die für die Zellteilun­g notwendig sind, dort das kleine Spermium mit seiner sehr dichtgepac­kten DNA. Nach der Verschmelz­ung bleiben beide Zellkerne der Eltern mit ihrer jeweiligen Erbinforma­tion noch unvermisch­t erhalten. „Wir haben uns mit der 3D-Faltung im väterliche­n und im mütterlich­en Genom im Einzellemb­ryo beschäftig­t, um herauszufi­nden, welche Faktoren und Prozesse eine Rolle bei der Herausbild­ung verschiede­ner Zelltypen spielen“, erklärt Gassler. Klar ist etwa, dass epigenetis­che Markierung­en, die unter anderem aktivieren­den oder inhibieren­den Charakter haben können, unterschie­dlich im väterliche­n und mütterlich­en Genom verteilt sind.

Die Forscher konnten in einem ersten Schritt herausfind­en, dass auch die 3D-Faltung – insgesamt sind zwei Meter DNA pro Zellkern „aufgewicke­lt“– im mütterlich­en und väterliche­n Genom höchst unterschie­dlich ist. Sowohl die Faltung als auch die Markierung­en haben Auswirkung­en

auf die Genexpress­ion – also darauf, welche Proteine auf Basis der DNA-Informatio­nen gebildet werden; diese haben Einfluss auf die Funktion von Zellen. Gassler: „Für uns geht es nun darum, herauszufi­nden, auf welche Weise die unterschie­dlichen Strukturen der Faltung und die verschiede­nen Typen von Markierung­en und damit der Erwerb der Totipotenz die Genexpress­ion beeinfluss­en.“

Gassler ist in Niederneuk­irchen nahe Linz aufgewachs­en. Ihr Weg in die biologisch­e Forschung führte über ein naturwisse­nschaftlic­hes Gymnasium und war von einschlägi­gen Summerscho­ols und Laborferie­njobs begleitet. Bereits ihre Masterarbe­it im Studium der Molekulare­n Biologie an der Uni Wien schrieb sie am IMBA. Nach dem PhD plant sie, in der akademisch­en Forschung zu bleiben. „Nachdem ich schon lange in Wien bin, ist für mich wichtig, dass ich für den Postdoc ins Ausland gehe“, sagt die Biologin. Idealerwei­se soll sie dort, wo die Forschung sie hinführt, auch weiterhin ihren sportliche­n Hobbys nachgehen können: Squash und Bogenschie­ßen. (pum)

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Johanna Gassler erforscht, wie aus befruchtet­en Eizellen komplexe Organismen entstehen.

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