Arbeiterkammer findet vieles gut, aber: „Wer bezahlt die Party?“
Kein Hartz IV, aber „Machtübernahme“in der Sozialversicherung – Lehrer-Lob für Klimaschwerpunkt
Die Arbeiterkammer (AK) hat das Regierungsprogramm einem „Gerechtigkeits-Check“unterzogen. Das Fazit: Viele Maßnahmen sind gut, die Arbeitnehmer sind aber nicht die Hauptprofiteure der neuen Koalition aus ÖVP und Grünen. Zu kurz komme die Gerechtigkeit, erfreulich sei der Ausbau der Kinderbetreuung, der Pflege und der öffentlichen Verkehrsmittel sowie mehr Mittel für die Frauenförderung.
Positiv bewertet AK-Präsidentin Renate Anderl auch das Regierungsbekenntnis zur Sozialpartnerschaft. Sie habe die neue Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) bereits zu einem Gespräch eingeladen.
Eine zentrale Frage bliebe aber offen. „Wer bezahlt die Party?“, sagte Anderl am
Mittwoch vor Journalisten. Vieles im Regierungsprogramm sei auf „Konzerne und Superreiche“ausgerichtet, für die entsprechend hohe Mittel zur Verfügung gestellt werden müssten. Die Arbeiterkammer werde sehr darauf achten, ob die Regierung „ein Programm für viele oder für wenige macht“.
Beim Erstbefund zeige sich jedenfalls, dass das Programm keine „neoliberale Kampfansage“mit Hartz-IV-Modellen wie in Deutschland sei. Auf der Negativseite wird aber die „Machtübernahme“der Arbeitgeber bei den Sozialversicherungen gesehen, sagt AK-Direktor Christoph Klein. Unerfreulich sei auch, dass es nicht mehr Personal für die Finanzpolizei gibt.
Weiters stößt sich Klein daran, dass keine Vermögens- und Erbschaftssteuer eingeführt wird. Diese würde ausreichen, um die Lücke, die es derzeit bei der Finanzierung der Regierungsvorhaben gibt, zu schließen. Denn in Summe würden – nach einer ersten vorsichtigen Einschätzung – 4,4 Milliarden Euro fehlen.
Alleine für die geplanten Steuersenkungen würden sechs Milliarden Euro benötigt, rechnete Klein vor. Weitere 1,4 Milliarden würden für den Ausbau der Öffis, der Pflege, der Kinderbetreuung und der Frauenförderung anfallen. Dem würden zusätzliche drei Milliarden aus dem Budgetrahmen gegenüberstehen.
Der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger tut sich mit einer Bewertung des Bildungskapitels im türkis-grünen Regierungsprogramm schwer, da vieles nur sehr vage beschrieben sei. Bei vielen
Maßnahmen sei zudem offen, wie diese finanziert werden sollen. Auf der Habenseite sieht der schwarze Gewerkschafter, dass das Thema Klima- und Umweltschutz von der Straße in die Klassenzimmer geholt werden soll. Lob gibt es von Kimberger auch für die Ankündigung von mehr Unterstützungspersonal für die Schulen und ein Ersatzpflichtfach Ethik für jene Schüler, die keine Konfession haben oder vom Religionsunterricht abgemeldet sind.
Bei den umstrittenen separaten Deutschförderklassen, die Kimberger zuletzt als „nicht funktionsfähig“kritisiert hatte, komme die Regierung mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die einzelnen Schulen immerhin einer Forderung der Gewerkschaft nach. (APA, red)