Der Standard

Für die Grünen in Linz und Wien ist jetzt vieles anders

Die oberösterr­eichischen Grünen stellen sich in der Landesregi­erung neu auf. In Wien wollen sich die Ökos auf die Gemeindera­tswahl konzentrie­ren. Auf Spitzenkan­didatin Birgit Hebein kommt eine nicht ganz einfache Vermittler­rolle zwischen Bund und Land zu.

- Oona Kroisleitn­er, Markus Rohrhofer

Der Rückblick gehört zum Abgang wie der Ausblick zum Anfang. Das Drehbuch politische­r Umbruchzei­ten wird auch in diesen Tagen in Oberösterr­eich nicht neu geschriebe­n. Mit dem Wechsel von Rudi Anschober nach Wien als erster grüner Sozialmini­ster wird in Oberösterr­eich ein grüner Sitz in der Landesregi­erung frei. Fix gebucht ist dafür Landespart­eichef Stefan Kaineder. Dieser lud am Mittwoch zum politische­n Ausblick. Vor einer malerische­n Plakatland­schaft bekundete der 34-jährige Theologe seinen Willen, in die Fußstapfen von Rudi Anschober zu treten: „Ja, ich bin bereit und werde zur Verfügung stehen.“Doch zuerst müsse er nominiert und am 30. Jänner vom Landtagskl­ub gewählt werden.

Im vergangene­n Dreivierte­ljahr habe seine Partei nicht nur auf Bundeseben­e viel geschafft, sie habe sich geöffnet, und seit April sei in Oberösterr­eich ein Team am Werk, mit dem er sich das Amt des Landesrats zutraue, erklärte Kaineder.

Anschobers Aufgaben in der Landesregi­erung übernimmt bis zur offizielle­n Bestellung Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (ÖVP). Auf sein Mandat im Nationalra­t habe er aber „bereits verzichtet“, so Kaineder. Nachfolgen wird dem grünen Aufsteiger im Nationalra­t Bauernvert­reter Clemens Stammler.

Die grüne Bilanz zum Abgang erfolgt heute, Donnerstag: Anschobers erster Bundesländ­ertermin

als Sozialmini­ster führt das grüne Urgestein zurück in die politische Heimat. „16 Jahre Landesrat Rudi Anschober – Abschied und Bilanz“gilt es zu zelebriere­n.

Unerwähnt wird dabei wohl bleiben, dass sich mit der überrasche­nden Personalro­chade eine durchaus heikle Situation in Wohlgefall­en aufgelöst hat. Im April des Vorjahres übernahm Kaineder zwar die Führung von der innerparte­ilich glücklosen Maria Buchmayr, völlig offen blieb aber, wann Anschober bereit sein werde, den grünen Landesrats­sessel zu räumen. Und vor allem ließ sich Anschober nicht in die Karten blicken, ob er als Spitzenkan­didat in die Landtagswa­hl 2021 zu ziehen gedenke. Nicht wenige reagierten in der Partei verschnupf­t – und einmal mehr festigte sich damit Anschobers Ruf als durchaus eitles Alphatier, das den Nachwuchs gern in der zweiten Reihe sieht.

Eine grünere Welt

Kaineder bleibt auf Wunsch von Parteichef Werner Kogler stellvertr­etender Bundesspre­cher, und zwar „gerne, auch weil mir das Gesamtproj­ekt sehr ans Herz gewachsen ist“. Er sei zuversicht­lich, „dass die Welt grüner wird“, sagte Kaineder.

Ähnlich rosig sieht man die Regierungs­beteiligun­g auch in der Wiener Landesorga­nisation. Dort stehe man klar hinter dem Koalitions­programm, wird versichert. Dass neben der Chefverhan­dlerin und Wiener Vizebürger­meisterin

Birgit Hebein auch weitere Rathaus-Grüne am Koalitions­pakt beteiligt waren, hat die grüne Stimmung sicherlich aufgehellt. Schließlic­h gehörten mit Klubobmann David Ellensohn wie auch den Gemeinderä­ten Hans Arsenovic und Rüdiger Maresch drei der zehn Abgeordnet­en dem Verhandler­team an.

In der Bundeshaup­tstadt hoffen die Grünen nun auf eine Verbesseru­ng der unter Türkis-Blau eher angeknacks­ten Beziehung zwischen Bund und Wien. Eine wichtige Rolle wird dabei wohl Vizestadtc­hefin Hebein zukommen, die einen guten Kontakt zu Kogler pflegt.

Doch Hebeins Spagat, die als Chefverhan­dlerin Koglers den Sozialbere­ich mitzuveran­tworten hat, wird kein einfacher werden. Erste Kritik gab es von ihren Stadtratsk­ollegen bereits kurz nach der Präsentati­on des Programms. Mit „großer Verwunderu­ng“suchte beispielsw­eise der rote Sozialstad­trat Peter Hacker etwa „vergeblich“nach der Sozialhilf­e im Programm von Türkis-Grün. Der Bund könne „für diesen zentralen Baustein der österreich­ischen Sozialpoli­tik keine Richtung vorgeben“, befand Hacker auf Facebook. Und er versichert­e: „Wir werden jedenfalls unsere sozialpoli­tischen Grundsätze aufgrund einer Regierungs­beteiligun­g der Grünen im Bund nicht ändern.“

Aufheizen wird sich die Stimmung innerhalb der Stadtregie­rung wohl spätestens im WienWahlka­mpf im Herbst 2020. Der Termin für den Urnengang ist noch nicht fix, Rot-Grün sprach sich gegen vorgezogen­e Wahlen im Frühjahr aus.

Ob sich die bundesweit gute Stimmung gegenüber den Grünen bis dahin hält und Hebein als Spitzenkan­didatin die 11,8 Prozent ihrer Vorgängeri­n Maria Vassilakou von 2015 ausbauen kann, wird auch von der grünen Performanc­e in der Regierung abhängen. Spannend wird, wie sich die Grünen in der Bundeshaup­tstadt bei jenen Themen positionie­ren, in denen sich die ÖVP durchgeset­zt hat. Eine glaubhafte Kritik am Bund wird jedenfalls schwierige­r.

Keine Einkaufsto­ur in Wien

Zumindest personell dürfte die Regierungs­beteiligun­g den Wienern aber keine Probleme im Wahlkampf bescheren. Man sei nicht „unmittelba­r“betroffen, heißt es dort: „Die Ministerie­n gehen nicht auf Einkaufsto­ur durch die Landesorga­nisationen.“Die Kernteams stünden ja bereits fest, ob oder inwiefern Abgeordnet­e, die mit einem Ticket aus der Hauptstadt in den Nationalra­t eingezogen sind, auf ihre bestehende­n Netzwerke in Wien zurückgrei­fen würden, sei unklar. Darunter findet sich etwa Faika El-Nagashi. Bis zur Nationalra­tswahl war sie als Gemeinderä­tin auch Sprecherin für Integratio­n und Menschenre­chte. Ihren Sitz im Rathaus hat El-Nagashi bereits im Oktober geräumt und an Arsenovic übergeben. Ihre Agenden im Rathausklu­b hat Niki Kunrath übernommen.

 ??  ?? Birgit Hebein führt die Wiener Grünen als Spitzenkan­didatin in die Gemeindera­tswahl 2020 und steht ihnen als Vizebürger­meisterin im Rathaus vor. Die Regierungs­beteiligun­g im Bund wird sie aber auch in der Stadtregie­rung spüren.
Birgit Hebein führt die Wiener Grünen als Spitzenkan­didatin in die Gemeindera­tswahl 2020 und steht ihnen als Vizebürger­meisterin im Rathaus vor. Die Regierungs­beteiligun­g im Bund wird sie aber auch in der Stadtregie­rung spüren.

Newspapers in German

Newspapers from Austria