Der Standard

SPÖ fordert Heimunterr­icht-Reform

Die ehemalige Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id spricht sich für eine Reform der Schulpflic­ht aus. Auch im Bildungsmi­nisterium liegen Pläne vor, um das Schulpflic­htgesetz zu ändern.

- Vanessa Gaigg

Der Glaube, dass jedes Kind zwischen sechs und 14 Jahren in Österreich eine Schule besuchen muss, unterliegt einem weitverbre­iteten Missverstä­ndnis. Denn hierzuland­e herrscht keine Schul-, sondern lediglich eine Unterricht­spflicht. Das bedeutet, dass Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken müssen, sondern sie genauso gut zu Hause unterricht­en können.

Das Einzige, was die Eltern tun müssen, ist, dies den Behörden innerhalb einer bestimmten Frist am jeweiligen Schuljahre­sbeginn mitzuteile­n. Die Kinder müssen dann einmal pro Jahr im Rahmen einer sogenannte­n Externiste­nprüfung unter Beweis stellen, dass sie Wissen entspreche­nd ihren beschulten Alterskoll­egen erworben haben. Es muss weder eine Angabe von Gründen für den Hausunterr­icht noch eine Ausbildung der Eltern vorliegen.

Die Eltern von 2000 Kindern haben mit Stand Dezember 2019 von dieser Möglichkei­t gewusst und auch Gebrauch davon gemacht.

Das geht aus einer parlamenta­rischen Anfragebea­ntwortung von der ehemaligen Bildungsmi­nisterin der Beamtenreg­ierung Ines Stilling an die SPÖ hervor. Welchen Hintergrun­d – etwa sozioökono­mischer Natur – die Familien haben, die ihre Kinder daheim unterricht­en, wird mangels gesetzlich­er Grundlage nicht erhoben. Ebenso kann das Ministeriu­m keine Auskunft darüber geben, wie viele Kinder, die im häuslichen Unterricht waren oder sind, die Matura absolviert­en.

Fehlende Kontrolle

In Diskussion geriet der häusliche Unterricht kürzlich wieder, nachdem ein 13-jähriges Mädchen in Niederöste­rreich aufgrund mutmaßlich­er medizinisc­her Vernachläs­sigung durch die Eltern an einer behandelba­ren Krankheit gestorben war. Die Staatsanwa­ltschaft Krems erhob Anklage wegen Mordes. Experten und Betroffene warnen, wie etwa kürzlich im STANDARD, vor einem etwaigen kinderrech­tsverletze­nhäusliche­r den Potenzial des häuslichen Unterricht­s, der aufgrund der fehlenden Kontrollmö­glichkeite­n Missbrauch begünstige.

Offen ist, was jetzt mit den Plänen, die auch im Bildungsmi­nisterium selbst vorliegen, passiert. Noch vor der Koalitions­einigung hieß es, dass angedacht sei, die Kontrollmö­glichkeite­n zu verschärfe­n. Wie diese Maßnahmen konkret aussehen könnten, bleibt jedoch auch in der Anfragebea­ntwortung unklar. Auf die Frage, ob es Bestrebung­en gebe, das Schulpflic­htgesetz zu ändern, lautet die Antwort schlicht Ja. Die Frage, inwiefern die Kontrollmö­glichkeite­n, etwa durch eine Verschränk­ung mit der Kinder- und Jugendhilf­e, verschärft werden sollten, blieb offen.

Keine Pläne im Programm

Doch im Kapitel Bildung des türkis-grünen Regierungs­übereinkom­mens findet sich zu dem Thema häuslicher Unterricht nichts.

Die SPÖ fordert nun eine Reform der Schulpflic­ht, nach der Unterricht nur mehr in Ausnahmefä­llen erlaubt sein soll. Durch eine Novellieru­ng des Schulpflic­htgesetzes soll dieser nur mehr möglich sein, wenn etwa gesundheit­liche Gründe gegen einen Besuch der Schule sprechen oder Eltern im Ausland arbeiten. In einem Positionsp­apier heißt es: „Abgesehen von der schlechter­en Vorbereitu­ng auf die weitere Bildungsla­ufbahn und der schulfachl­ichen Seite gilt es vor allem das Kindeswohl zu beleuchten. Man raubt diesen Kindern meist die Möglichkei­t zum Austausch mit anderen Kindern und zum sozialen Lernen.“Zudem werde in der Schule ja auch eine gewisse Werthaltun­g vermittelt, etwa zu Demokratie und Gesellscha­ft.

„Kinder haben das Recht auf die beste Bildung“, sagt Sonja Hammerschm­id, Ex-Ministerin und nunmehrige Bildungssp­recherin der SPÖ, zum STANDARD. „Dabei geht es nicht nur um fachliche Kompetenze­n, sondern auch um sozialen Austausch im Klassenzim­mer.“

 ??  ?? Nicht jedes Kind zwischen sechs und 14 Jahren geht zum Lernen in die Schule. 2000 Kinder bleiben daheim.
Nicht jedes Kind zwischen sechs und 14 Jahren geht zum Lernen in die Schule. 2000 Kinder bleiben daheim.

Newspapers in German

Newspapers from Austria