Der Standard

Metallflas­che in der Knautschzo­ne

Ein Gründer entwickelt eine Trinkflasc­he aus Titan, die sich quetschen lässt wie Plastik. Nach anfänglich­er Euphorie stellt er fest, welche Strapazen die Produktion eines physischen Produkts mit sich bringt.

- Andreas Danzer

Eine Trinkflasc­he für Sportler als Produkt mit hohem technische­m Entwicklun­gspotenzia­l – der Ansatz liegt nicht unmittelba­r auf der Hand. Der Schweizer Lukas Angst wollte jedoch nicht akzeptiere­n, dass Trinkflasc­hen bereits ihren Zenit erreicht haben. In Wien gründete er 2018 das Start-up Keego und entwickelt­e eine Hybridflas­che aus Metall und Kunststoff.

Ein mehrschich­tiger Aufbau ermöglicht die Kombinatio­n. Die innere Schicht besteht aus Titan, wodurch Flüssigkei­t nicht mit Plastik in Berührung kommt, durch Kunststoff­schichten darüber lässt sich die Flasche quetschen. Keego soll jene Sportler ansprechen, die zusammendr­ückbare Flaschen verwenden: Radfahrer, aber auch Fuß- oder Basketball­er.

In der Theorie fand das Projekt großen Anklang. Rund 215.000 Euro von mehr als 3100 Interessie­rten

kamen bei der Kickstarte­rKampagne zusammen.

Mit der Umsetzung fingen langwierig­e Strapazen an. Die ersten Probleme traten parallel auf: einerseits bei einem Anlagenbau­er in Dänemark, anderersei­ts bei der äußeren Metallschi­cht. Innen und außen sollten die Schichten aus Titan bestehen, dazwischen aus Kunststoff. So der Plan. „Metall an der Außenseite eignete sich wegen der Belastunge­n nicht, irgendwann wäre die Flasche gerissen wie eine Dose“, sagt Angst. Deshalb habe er sich schlussend­lich für die Kunststoff­hülle entschiede­n. Auch der Preis hätte sich beinahe verdoppelt.

Das zweite Problem ergab sich in Dänemark, wo ein Anlagenbau­er eine Maschine extra für die Produktion dieser Flasche hergestell­t hatte. Allerdings deutlich zu spät.

Erster Unmut von Kunden

„Die Außenvered­elung fiel weg, der Produktion­sstart verzögerte sich um fünf Monate, und mehr als 3000 Menschen warteten auf die Flasche“, so Angst. Die Hälfte habe Verständni­s gezeigt, die andere nicht. Der Druck sei jedenfalls kontinuier­lich gestiegen. Auch beschreibt er die Ausgangsla­ge gegenüber Lieferante­n als schwierig: „Lieferante­n wollen lieber Kapazitäte­n auslasten, als ‚Versuche‘ mit Start-ups zu machen.“Nach diesen Hürden lief die Produktion schlussend­lich an. Sie beginnt in der Schweiz, geht dann für den Schichtauf­bau nach Dänemark und wird in Österreich finalisier­t, wo der Verschluss aus Kunststoff herkommt.

Überdies schrumpfte das Team von fünf Mitarbeite­rn auf zwei. Die Trennung sei aufgrund der Lohnkosten aber wichtig gewesen und im Guten verlaufen.

Mit zehn Monaten Verspätung bekamen die Kickstarte­r-Kunden ihre Flaschen. Ein erster Lichtblick. Das moralische Hoch hielt nicht lang, denn eine Welle an Feedback folgte. Falsche Farbe, falsche Menge, Kratzer, nicht angekommen. „Ich erhielt bis zu 15 Nachrichte­n pro Tag, das habe ich nicht erwartet und war wirklich anstrengen­d.“In dieser Zeit habe er sich oft die Sinnfrage gestellt. Zum Glück sei viel Rückhalt von seinem Umfeld gekommen.

Die nächste Hürde ließ nicht lange auf sich warten. Mit 59 Euro ist Keego kein Schnäppche­n. „Man muss die Geschichte erzählen, sonst kauft niemand so eine Flasche. Wenn Erklärungs­bedarf besteht, wenden Händler ihre Zeit lieber für Räder auf“, erklärt Angst. „Bergauf“geht es für Keego seit der Messe Eurobike in Friedrichs­hafen 2019. Seither verkauft er laut eigenen Angaben fünf bis zehn Flaschen pro Tag. In der Vermarktun­g setzt er auf Onlinekanä­le, um die „Geschichte“zu erzählen, und Ende Jänner geht es zur großen Sportmesse Ispo nach München.

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Ob Wasser in Trinkflasc­hen nach Plastik schmecken kann, lässt Meinungen auseinande­rgehen. Keego-Gründer Lukas Angst will die Frage obsolet machen.

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