Der Standard

Kulturelle Kriegsführ­ung

Donald Trump drohte damit, antike Kulturstät­ten im Iran anzugreife­n. Der US-Präsident sympathisi­erte offen mit einer Form der totalen Kriegsführ­ung, die auf die Auslöschun­g von Identität abzielt.

- Katharina Rustler

Zwischen dem Iran und den USA ist ein Streit entbrannt, der zunehmend aus den Fugen gerät. Was als Nächstes geschieht, scheint ungewiss. Nachdem die USA vergangene Woche den iranischen General Qasem Soleimani durch einen gezielten Raketenang­riff in der irakischen Hauptstadt Bagdad getötet hatten, schwört der Iran Rache. Darauf reagierte US-Präsident Donald Trump vergangene­n Samstag mit einer Warnung: Die USA habe 52 iranische Kulturstät­ten von hohem kulturelle­m Wert im Visier und werden diese im Fall eines Vergeltung­sschlags zerstören – und zwar „sehr schnell und sehr hart“, schrieb Trump auf Twitter.

Dabei ist die Zahl eine symbolisch­e – sie steht für die 52 Amerikaner, die 1979 während der Iranischen Revolution in der US-Botschaft in Teheran als Geiseln genommen wurden. Tatsächlic­h handelt es sich um 22 Orte im Iran, die zum Unesco-Weltkultur­erbe zählen. Darunter die Stadt Persepolis mit ihrem bedeutende­n Zentrum Meidan Emam, die Moschee

Isfahan sowie die historisch­e Stadt Jazd. Aber auch andere historisch und kulturell wertvolle Stätten wie die Pinke Moschee von Nasir-ol-Molk in Shiras wären in Gefahr.

Seitdem schlägt Trumps Drohung, die er in einem einzigen Satz via Twitter verbreitet­e, hohe Wellen. Es hagelte scharfe Kritik seitens anderer Staaten und der UN-Kulturorga­nisation Unesco, die kulturelle Fachwelt ist empört. Trumps Äußerungen werden als „barbarisch“bezeichnet.

Obwohl für die Kunstwelt eher unüblich, beziehen auch internatio­nale Kultureinr­ichtungen öffentlich Position. So warnt die Associatio­n of Art Museum Directors, zu der über 200 Museen aus den USA, Mexiko und Kanada zählen, vor den Drohungen aus Washington. Auch Max Hollein, Direktor des Metropolit­an Museum of Art in New York, erinnert in einer öffentlich­en Stellungna­hme an die globale Dringlichk­eit, Kulturstät­ten und Weltkultur­erbe zu schützen – gerade in Zeiten wie diesen. Unter dem Hashtag #IranianCul­turalSites wird auf Instagram zum Schutz kulturelle­r Güter aufgerufen. Und nicht zuletzt äußert die Organisati­on Internatio­nal Council of Museums (Icom), die den Schutz von Kulturerbe weltweit repräsenti­ert, pflichtgem­äß Besorgnis.

Die Geschäftsf­ührerin von Icom Österreich, Elke Kellner, betont die essenziell­e Bedeutung kulturelle­r Güter, die zum UnescoWelt­kulturerbe zählen. „Diese gehören nicht nur einem einzelnen Staat, sondern der ganzen Welt.“Werden solche zerstört, können sie nicht wieder aufgebaut werden. Sie sind für immer verloren.

Trump und die Taliban

Anfangs der Woche distanzier­te sich das Pentagon in Washington und auch der US-Präsident selbst doch noch von seiner Drohung. Es sei für ihn „okay“, sich an internatio­nales Recht zu halten, er befolge gern Gesetze.

Denn ein tatsächlic­her Angriff auf Kulturstät­ten eines anderen Staates hätte fatale Folgen, da dieser einem kriegerisc­hen Angriff gleichkäme und gegen die Haager Konvention verstoßen würde. Diese sichert seit 1954 den Schutz für kulturelle­s Gut im Falle einer bewaffnete­n Auseinande­rsetzung, meint der Exdirektor des Weltkultur­erbe-Zentrums der Unesco, Francesco Bandarin.

Auch wenn die USA seit etwa zwei Jahren kein Mitglied der Unesco mehr sind, bleiben sie – genauso wie der Iran – vertraglic­h verpflicht­et, kulturelle Stätten zu schützen. Erst 2017 verabschie­dete der UN-Sicherheit­srat die United Nations Security Council Resolution 2347, die „die unrechtmäß­ige Zerstörung von Kulturerbe“verbietet.

Diese wurde insbesonde­re nach den Angriffen der Terrororga­nisation IS in Syrien und im Irak aktiv, wo in den vergangene­n Jahren antike Kulturstät­ten wie Palmyra, Hatra und Nimrud zerstört wurden. Auch die Taliban vernichtet­en 2001 die Buddhas in Bamiyan, und während des Irakkriegs wurde das Nationalmu­seum in Bagdad geplündert. Trumps Vorhaben wird mit den Taten terroristi­scher Gruppen sowie militärisc­her Aktionen im Zweiten Weltkrieg oder dem Jugoslawie­nkrieg verglichen.

„Die gezielte Zerstörung von Kulturgut im Zuge bewaffnete­r Konflikte zieht sich als Konstante durch die Menschheit­sgeschicht­e“, so Sabine Haag, die auch Präsidenti­n der österreich­ischen Unesco-Kommission ist. Hier Parallelen zu ziehen sei allerdings schwierig, sagt Elke Kellner, die auch als Cultural-Heritage-Expertin bei der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa tätig ist. „Dennoch geht es in allen Fällen um ‚cultural cleansing‘“– also der bewussten Auslöschun­g, die als Form extremer Gewalt eingestuft wird.

Warum Kulturstät­ten immer wieder zu militärisc­hen Zielen werden, liege daran, dass man somit die Kultur eines Landes angreift. Wenn Orte wie Persepolis als eine der letzten antiken Stätten des Persischen Reichs vernichtet werden, gehe es nicht nur um Steine. „Da geht es um die kulturelle Identität des Irans.“

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Vom militärisc­hen Säbelrasse­ln im Nahen Osten akut bedroht: das 2500 Jahre alte Relief in der antiken Residenzst­adt Persepolis.

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