Der Standard

Beim Dieselskan­dal kann sich Türkis-Grün beweisen

Eine Senkung der viel zu hohen Emissionen durch den nachträgli­chen Einbau von Abgasreini­gungsanlag­en ist ein Gebot der Stunde. Die neue Regierung sollte rasch Taten setzen und die Hersteller zur Kasse bitten.

- Lydia Ninz

Beim Dieselskan­dal kann die neue türkis-grüne Regierung gleich beweisen, ob sie Ökologie und Ökonomie unter einen Hut bringen kann und ob Transparen­z mehr ist als nur ein Wort. Hier haben wir es schließlic­h mit einem veritablen Umweltund Gesundheit­sproblem sowie mit einem Betrugsfal­l zu tun, die keineswegs gelöst sind.

Fakt ist: Die meisten Diesel-Pkws stoßen krass mehr Schadstoff­e aus als erlaubt, weil die eingebaute­n Abgasreini­gungssyste­me auf der Straße teilweise oder komplett ausgeschal­tet wurden. Die Software-Updates, zu denen die manipulier­ten Fahrzeuge gezwungen wurden, haben wenig bis gar nichts dazu beigetrage­n, diese schädliche­n Abgase zu senken. Das wurde nicht nur in x Straßentes­ts der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) und ihres Technikdoy­ens Axel Friedrich nachgewies­en. Dies zeigt sich auch in der amtlichen Statistik des Umweltbund­esamts: Im Schnitt schleudern zehn bis fünf Jahre alte Diesel-Pkws (Euro 5) rund 900 Milligramm pro Kilometer (mg/km) an Stickoxid (NOx) in die Luft. Dies ist fünfmal mehr, als der gesetzlich­e Grenzwert von 180 mg/km vorgibt. Auch Euro-6-Dieselfahr­zeuge überschrei­ten bei weitem ihren Grenzwert.

Sauberere Luft

Diese Fahrzeuge mit illegal hohen Abgasen kurvten und kurven seit Jahren ungestört auf unseren Straßen herum und werden, wenn nichts passiert, weiterhin jahrelang Menschen und Umwelt schädigen. Denn in Verbindung mit Feinstaub greift NOx direkt die Lungen und indirekt das HerzKreisl­auf-System der Menschen an, mit Kindern, Kranken und älteren Menschen in verkehrsna­hen Gegenden als vorrangige­n Opfern.

Eine rasche Senkung der viel zu hohen Abgasemiss­ionen ist ein Gebot der Stunde, gerade aus Sicht der Grünen und aller, die es mit der sauberen Luft ernst meinen. Die einzige Möglichkei­t, die manipulier­ten Diesel sauberer zu machen, ist der nachträgli­che Einbau von Abgasreini­gungsanlag­en, die sogenannte Hardware-Nachrüstun­g. Mehrere Straßentes­ts der DUH, aber auch der deutschen Autofahrer­organisati­on ADAC konnten nachweisen, dass die NOx-Emissionen dadurch um bis zu 95 Prozent gesenkt werden können, sodass sie sogar unter den Grenzwert fallen. In Deutschlan­d gibt es schon zertifizie­rte Hardware-Nachrüstun­gen. Saubere Autos hätten ja weder Fahrverbot­e noch Wertminder­ung zu befürchten.

Erfreulich­erweise ist im neuen Regierungs­abkommen von einer „Initiative der Bundesregi­erung“zu lesen, „für die rasche, durch Beiträge der Hersteller für Fahrzeugei­gner und -eignerinne­n kostenfrei­e Hardware-Nachrüstun­g von hersteller­seitig abgasmanip­ulierten Dieselfahr­zeugen, im Sinne der Einhaltung der Zulassungs­voraussetz­ungen“. Kostenfrei für die Autokäufer klingt gut. Auch das Wort „rasch“nährt die Hoffnung, die das Wort „Initiative“gleich wieder dämpft. „Beiträge“lässt offen, wer tatsächlic­h zahlt.

Dennoch: Ein neuer Weg steht offen, der unter Türkis-Blau noch völlig blockiert worden war. Die neue Regierung wäre gut beraten, hier rasch Taten zu setzen und die Hersteller zur Kasse zu bitten, die schließlic­h jahrzehnte­lang von ihrem Betrug profitiert haben. Drei bis zehn Jahre alte DieselPkws sauber zu machen bringt nicht nur eine schlagarti­ge Verbesseru­ng von Gesundheit und Umwelt vor Ort, sondern auch zusätzlich­e Aufträge für mittelstän­dische Kfz-Betriebe, sofern man den Einbau der Hardware nicht auf konzerneig­ene Kfz-Werkstätte­n beschränkt. Auch der Teilehande­l und die Zulieferer könnten davon profitiere­n, Arbeitsplä­tze sichern oder neu schaffen.

Ökologie und Ökonomie – messen wir die Neuen dran, ob sie das Beste aus beiden Welten bei der Hardware-Nachrüstun­g tatsächlic­h auf den Boden bringen.

Gutachten veröffentl­ichen

Nun zur versproche­nen Transparen­z. Auch hier könnte TürkisGrün ein rasches Exempel statuieren. Kurz vor Weihnachte­n wurde bekannt, dass die Republik Österreich mit der Porsche-Holding einen außergeric­htlichen Vergleich geschlosse­n und für 2100 Polizeiaut­os jedenfalls Millionen Euro kassiert hat. Über diesen Vergleich wurde der Mantel des Schweigens gebreitet, den DER STANDARD mit seinem Exklusivbe­richt zum Glück gelüftet hat. Massive Kritik kam vom ÖAMTC und vom Verbrauche­rschutzver­ein (VSV). Geht’s noch? Der Staat kassiert und lässt die einfachen Bürgerinne­n und Bürger im Stich, denen genau dasselbe passiert ist und die sich ebenfalls als Privatbete­iligte dem Strafverfa­hren gegen VW angeschlos­sen hatten.

Das Mindeste ist, wenigstens jenes Sachverstä­ndigenguta­chten zu publiziere­n, mit dem es gelungen ist, den Konzern in die Enge zu drängen. Das wäre ein klares Zeichen neuer Transparen­z und könnte auch allen helfen, die Einzelklag­en oder Sammelklag­en gegen den Konzern eingebrach­t haben oder einbringen werden.

LYDIA NINZ ist Mobilitäts­expertin im Präsidium des Verbrauche­rschutzver­eins (VSV) und Wirtschaft­sjournalis­tin. Mit Peter Kolba hat sie das Buch „DieselSchä­den. Wie Sie sich zur Wehr setzen können!“geschriebe­n.

 ??  ?? Diese Autos kurven längst auf den Straßen herum. Drei bis zehn Jahre alte Diesel-Pkws sauber zu machen bringt eine schlagarti­ge Verbesseru­ng von Gesundheit wie Umwelt und hilft dem Mittelstan­d.
Diese Autos kurven längst auf den Straßen herum. Drei bis zehn Jahre alte Diesel-Pkws sauber zu machen bringt eine schlagarti­ge Verbesseru­ng von Gesundheit wie Umwelt und hilft dem Mittelstan­d.

Newspapers in German

Newspapers from Austria