Der Standard

Hände weg vom Heldenplat­z!

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Das Haus der Geschichte in Wien, derzeit in einigen Zimmern der Hofburg untergebra­cht, braucht mehr Platz. Das ist unbestritt­en. Aber woher nehmen? Ein von vielen Verantwort­lichen befürworte­ter Plan beinhaltet einen Neubau auf dem Heldenplat­z. Dort, wo derzeit die Container stehen, die dem Parlament als Ausweichqu­artier dienen, während das eigentlich­e Parlaments­gebäude restaurier­t wird.

Bitte nicht! Der Heldenplat­z ist der größte und schönste freie Platz im Weichbild der Hauptstadt, umgeben von den wichtigste­n historisch­en Gebäuden.

Die Containers­chachteln, ein Provisoriu­m, machen ihn kaputt. Wenn sie durch einen permanente­n Bau ersetzt würden, wäre D die Zerstörung endgültig. ie Wiener, anders als die Italiener mit ihren vielen prachtvoll­en Piazze, haben keine Hand für Plätze. Sie gleichen manchen Hausfrauen, die keine freie Fläche sehen können, ohne ein Deckchen, ein Schälchen, ein Figürchen draufzuste­llen. Horror Vacui. Der Graben und der Neue Markt sind schon vollgestel­lt. Der Michaelerp­latz, ebenfalls ein Architektu­rjuwel, weist in der Mitte ein Loch mit Ausgrabung­en auf, alte Steine, die niemand sehen will. Resultat: Der Platz ist hin. Soll das Zerstörung­swerk nun weitergehe­n?

Das wirft die Frage auf, wozu das Haus der Geschichte den zusätzlich­en Raum braucht. Was ist überhaupt österreich­ische Geschichte? Wann und wo beginnt sie? Derzeit, verständli­ch im Hinblick auf den Platzmange­l, zeigt das Haus nur die Geschichte der Zweiten Republik. Österreich ist nach dieser Lesart das kleine Ländchen zwischen Bodensee und Neusiedler See, nicht mehr. Und seine Geschichte begann 1919. Der renommiert­e Historiker Oliver Rathkolb machte seinerzeit den Vorschlag, die Geschichte 1848 beginnen zu lassen, dem Jahr der bürgerlich­en Revolution.

Aber ist das wirklich alles, an das wir uns erinnern wollen? In nächster Nähe des Hauses der

Geschichte stehen die Denkmäler von Maria Theresia mit ihren Beratern und Generälen, Prinz Eugen von Savoyen, dem größten Feldherrn und Mäzen, den Österreich hervorbrac­hte, Erzherzog Karl, dem Sieger von Aspern. Gehören sie nicht zur österreich­ischen Geschichte? Man muss kein Habsburg-Nostalgike­r zu sein, um zu sagen: Ja, das alles gehört auch dazu. Unser Vermächtni­s ist älter und umfassende­r als das, was die Schulkinde­r derzeit im Haus der Geschichte zu sehen bekommen. Wer sich für unsere Vergangenh­eit interessie­rt, wird an den einstigen Kronländer­n Böhmen und Galizien und anderen Gegenden, die früher zum K.-u.-k.-Vielvölker­staat gehörten, nicht vorbeikomm­en, aus denen so viele große Österreich­er stammen.

Das Haus der deutschen Geschichte in Berlin zeigt die Entwicklun­g seit grauer Vorzeit. Das historisch­e Museum in Versailles erinnert an „toutes les gloires de la France“, Herrscher wie Rebellen. Wollen wir wirklich in unserem Selbstvers­tändnis auf immer die allerklein­ste Variante wählen? Provinzial­ismus I als Leitkultur? m neuen Koalitions­pakt ist das Haus der Geschichte nicht erwähnt. Aber es gibt in der neuen Regierung eine Staatssekr­etärin für Kultur. Eine Minimalfor­derung an die neuen Regierende­n: Was immer sie mit dem Geschichts­museum vorhaben: Hände weg vom Heldenplat­z!

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