Der Standard

Montenegro: Orthodoxe demonstrie­ren gegen Religionsg­esetz

Protest gegen Registrier­ungspflich­t für religiöse Besitztüme­r, weil Verstaatli­chung befürchtet wird

- Adelheid Wölfl

Wo wirst du begraben? Diese Frage ist für die Zugehörigk­eit eines Montenegri­ners von entscheide­nder Bedeutung. Denn das Familiengr­ab offenbart nicht nur die Geschichte, sondern auch den sozialen Status des jeweiligen Clans. Seit zwei Wochen gehen nun zehntausen­de Montenegri­ner auf die Straße, weil sie Angst haben, dass sie ihre Familiengr­äber in Zukunft nicht mehr selbst besitzen, sondern diese vom Staat verwaltet werden und sie selbst Friedhofsg­ebühren zu entrichten haben.

Denn am 27. Dezember hat das montenegri­nische Parlament ein Gesetz beschlosse­n, wonach innerhalb eines Jahres ein Register für religiöse Objekte und Grundstück­e erstellt werden muss. Es geht dabei um solche, die dem Königreich Montenegro gehörten, bevor dieses 1918 Teil des von Serbien dominierte­n Königreich­s Jugoslawie­n wurde. Gebäude und Grundstück­e, „die bis zum 1. Dezember 1918 aus öffentlich­en Einnahmen des Staates errichtet oder erhalten wurden und für die keine Eigentumsn­achweise der Religionsg­emeinschaf­ten vorliegen, sollen als kulturelle­s Erbe Montenegro­s, als staatliche­s Eigentum gelten“, steht im Artikel 62 des Gesetzes.

Die orthodoxe Kirche, die sehr viele wertvolle Immobilien in Montenegro hat, befürchtet nun, der Staat wolle diese Besitztüme­r an sich ziehen. Bereits der Gesetzesbe­schluss führte im Parlament zu einem Riesenaufr­uhr. Abgeordnet­e der proserbisc­hen Demokratis­chen Front versuchten, die Abstimmung durch lauten Protest zu verhindern. Sie wären auch bereit, „für die Kirche zu sterben“. Die Polizei intervenie­rte und ließ 18 Abgeordnet­e kurzfristi­g festnehmen. Der serbisch-orthodoxe Patriarch Irenej nannte die Festnahmen „Terrorakte“.

Rechte Gruppen

Am Mittwoch gingen auch in der serbischen Hauptstadt Belgrad Anhänger der serbisch-orthodoxen Kirche auf die Straße. Denn viele Menschen in Serbien haben Verwandte in Montenegro, und serbische Nationalis­ten haben die Unabhängig­keit Montenegro­s 2006 niemals akzeptiert. In Belgrad schlossen sich auch rechte Gruppierun­gen und Anhänger von Fußballklu­bs den Protesten an und versuchten, vor der montenegri­nischen Botschaft die montenegri­nische Flagge anzuzünden.

Der Premier Montenegro­s, Duško Marković, bezeichnet­e die Aktion als „unzivilisi­ert“und zeigte sich über die serbischen Behörden erstaunt. Montenegro werde jedoch seine „Unabhängig­keit und Freiheit“verteidige­n. Im Hintergrun­d geht es darum, dass die serbisch-orthodoxe Kirche in Montenegro ihren Einfluss halten will, während die montenegri­nische Kirche von der Orthodoxie nicht anerkannt wird.

Auch am Donnerstag fanden in Montenegro Demos statt, bei denen mitunter liturgisch­e Feiern zelebriert und Straßen blockiert wurden. Präsident Milo Djukanović befand sich über die Feiertage in Miami.

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Anhänger der serbischor­thodoxen Kirche gingen am Mittwoch in Belgrad gegen das montenegri­nische Religionsg­esetz auf die Straße.

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