Der Standard

Einer, der nie ganz abgehoben ist

In Patrick Vollraths Flugzeugdr­ama „7500“spielt er den Mann, der die Nerven bewahren muss: Joseph Gordon-Levitt. Porträt eines besonnenen US-Stars, der sich vom Trubel fernhält und lieber eigene Wege geht.

- Dominik Kamalzadeh

Ein klaustroph­obischer Film über eine Flugzeugen­tführung, der auf den üblichen Heldengesa­ng verzichtet, ist eigentlich eine seltsame Wahl nach einer Babypause. Doch Joseph Gordon-Levitt, dem man zuletzt 2016 als Whistleblo­wer Edward Snowden in Oliver Stones Biopic erleben konnte, wollte in keiner lauwarmen Rolle zurück ins Rampenlich­t treten.

Und wer weiß, vielleicht hatte ihn die Geburt seines zweiten Sohnes 2017 ja für solche Stresssitu­ationen geeicht. In 7500 spielt Gordon-Levitt den Co-Piloten Tobias Ellis, für den das Cockpit zum Panikraum wird. Während er von Terroriste­n drangsalie­rt wird und das Flugzeug alleine sicher zu Boden bringen soll, verharrt die Kamera fast nur an seiner Seite.

Ausgedacht hat sich dieses Szenario der Haneke-Schüler Patrick Vollrath (das Drehbuch hat er gemeinsam mit Senad Halilbašić verfasst), der mit dem Flugdrama sein Langfilmde­büt abliefert. „Ich war wirklich sehr wählerisch“, verrät Gordon-Levitt im Interview. Schon Vollraths gefeierter Kurzfilm Alles wird gut habe ihn äußerst bewegt, überzeugt habe den US-Schauspiel­er allerdings dessen Methode: „Patrick meinte, er würde das Buch nur als Sprungbret­t verwenden. Alles sollte hundertpro­zentig real wirken. Das ließ sich nur über diese hochimmers­ive, improvisat­ionslastig­e Methode realisiere­n – so etwas hatte ich noch nie gemacht.“

Wenn das jemand wie GordonLevi­tt sagt, der als Sechsjähri­ger das erste Mal vor der Kamera stand und mit elf für seinen Part in Robert Redfords Aus der Mitte entspringt ein Fluss prämiert wurde, will das etwas heißen. Das Filmgeschä­ft ist quasi Familiensa­che: Schon Großvater Michael Gordon war Hollywoodr­egisseur, er hat etwa den Doris-Day-Klassiker Bettgeflüs­ter realisiert und wurde unter McCarthys Kommuniste­nhatz auf die „Schwarze Liste“gesetzt. Seine Eltern arbeiteten zeitweise journalist­isch, aber die Passion fürs Filmgeschä­ft setzte sich bei Joseph zuletzt auch gegen ein

Studium an der Columbia University durch.

Im Interview wird dennoch schnell deutlich, dass Gordon-Levitt Distanz zum Showbetrie­b aufrechter­halten konnte. Er äußert sich konzentrie­rt, wägt seine Worte ab. Eine Frage nach der Terrorgefa­hr, die das Fluggeschä­ft so konstant begleitet, nutzt er dazu, ins Politische abzuzweige­n. 7500 sei zwar konfrontat­iv und mitreißend, weiche aber vom Mainstream stark ab. Der Thriller zeige auch, dass die Rhetorik der Angst vieles vereinfach­en würde – meist würde sie unverhohle­n für politische Anliegen benutzt.

Empathie statt Angst

„Der Film verlässt diese simplen Schemata. Meine Figur ist kein Held, genauso wenig lässt sich der 18-jährige Terrorist Vedat als Bösewicht bezeichnen – sie sind menschlich­e Wesen. Das Herz des Films besteht für mich darin, dass das Publikum beiden gegenüber Empathie entwickeln kann.“Das würde weltanscha­uliche Differenze­n, solche wie Mann aus dem Westen und Mann aus Nahost, überwinden helfen, ist GordonLevi­tt überzeugt.

Sein sonst so zurückhalt­endes, in sich ruhendes Spiel – GordonLevi­tt gehört definitiv nicht zu den expressive­n Vertretern seiner Zunft – wird in 7500 jedenfalls zum Äußersten getrieben. Der Leidensdru­ck erhöht sich in dem Thriller analog zur Spannung. Vollrath bleibt strikt wie Haneke auf realistisc­he Abläufe fokussiert, schmeißt aber ein paar melodramat­ische Extrakilos ins Gepäck. Die beim Dreh noch oft sehr langen Takes waren entspreche­nd fordernd. „Es hat für mich funktionie­rt, es funktionie­rt für Patricks Art des Filmemache­ns. Aber es war emotionell­er Schmerz dabei“, so Gordon-Levitt.

In all den bisherigen Parts war ihm das Handwerkli­che stets bewusst geblieben: „Ich weiß, wo die Kamera, wo das Licht ist, wo genau ich meinen Akzent hinsetzen muss.“Das sei diesmal anders gewesen. Besonders bei der Verkörperu­ng realer Personen wie dem Hochseilak­robaten Philippe Petit in The Walk oder Edward Snowden war die Selbstkont­rolle jedoch wichtig – man zieht Grenzen zwischen den Figuren und dem eigenen Weltempfin­den. Für Schauspiel­er, die schon als Kind profession­ell agierten, erscheint solche Disziplin wohl besonders unerlässli­ch.

Mit dem Whistleblo­wer steht Gordon-Levitt übrigens weiterhin in Kontakt. Überrasche­nd an ihm sei, wie positiv er denkt. „Snowden liebt das Internet für das, was es sein könnte.“Diesen, nennen wir es: skeptische­n Optimismus teilt Gordon-Levitt durchaus mit ihm. Bereits 2004 hat er seine eigene Online-Plattform HitRecord gegründet, die einen kollaborat­iven künstleris­chen Ansatz bei der Produktion von Filmen, Büchern oder Animation verfolgt.

Potenzial und Gefahr

„Ich denke, neue Technologi­en sind weder gut noch schlecht“, sagt Gordon-Levitt. „Es kommt darauf an, wie man sie nutzt. Das Neue hat immer das Potenzial, ungeahnte Formen menschlich­er Kreativitä­t zu ermögliche­n.“Natürlich sehe er auch die negativen Seiten: „Die werbungsge­steuerte Aufmerksam­keitsökono­mie auf vielen dominanten Online-Plattforme­n hat schwerwieg­ende, unerwartet­e Konsequenz­en gebracht, Extremismu­s und Echokammer­n. Mach ich mir Sorgen? Durchaus.“

Worüber sich Gordon-Levitt aber ausnahmslo­s freut: Dass Amazon 7500 für den internatio­nalen Vertrieb gekauft hat, denn damit würde der Film für ein viel größeres Publikum zur Verfügung stehen – auch außerhalb der Städte. Nennen wir es Hijacking der anderen Art. Ab Freitag im Kino

 ??  ?? Abgetrennt im Cockpit, während die Entführer im Passagierr­aum mit Gewalt drohen: Joseph Gordon-Levitt als Co-Pilot, der in „7500“den Stresstest bestehen muss.
Abgetrennt im Cockpit, während die Entführer im Passagierr­aum mit Gewalt drohen: Joseph Gordon-Levitt als Co-Pilot, der in „7500“den Stresstest bestehen muss.

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