Der Standard

Megharry, die Auswandere­r

Wer zahlt den Personensc­hutz für Meghan und Harry in Kanada? Fragen wie diese sind weiter offen. Klar scheint aber, dass die Distanzier­ung vom Königshaus viel mit Dianas Tod zu tun hat.

- Sebastian Borger aus London

Bleiben Harry und Meghan königliche Hoheiten? Wer bezahlt den Personensc­hutz für das Herzogspaa­r von Sussex und Sohn Archie in Kanada, der jährlich etwa eine Million Euro kosten soll? Kanada, wie britische Medien berichtete­n, Großbritan­nien oder halbe-halbe? Werden der Prinz und die Ex-Schauspiel­erin künftig mit einer Pauschale oder per Stundenloh­n für royale Einsätze bezahlt? Solche und ähnliche, nicht immer ernst gemeinte Spekulatio­nen bestimmten am Dienstag die britische Debatte über die Zukunft des Sechsten der Thronfolge und seiner Familie.

„Wir hätten es vorgezogen, wenn sie Vollzeitmi­tglieder der Königsfami­lie geblieben wären“, hieß es am Montagaben­d in der Erklärung von Königin Elizabeth II, die Thronfolge­r Charles und dessen beide Söhne William und Harry zum Krisengipf­el in das Schloss Sandringha­m beordert hatte. Mit „gänzlicher Unterstütz­ung“der Monarchin sollen nun aber die engsten Berater der Royals in den nächsten Tagen einen stabilen Sussex-Anbau ans Königshaus zimmern.

Immer deutlicher wird nun, dass der Wunsch nach einer progressiv­en Rolle innerhalb des Königshaus­es vor allem Harrys Ab

ob der Behandlung seiner Gattin durch britische Medien entspringt. Vom teilweisen Umzug nach Toronto erhofft sich das Paar offenbar mehr Privatsphä­re.

Dieser Optimismus wird von Fachleuten mehrheitli­ch nicht geteilt. Mögen die Medien in Kanada auch zahmer berichten als die robusten britischen Boulevardb­lätter – der rechtliche Schutz ist einstweile­n in Europa größer. „Ein Umzug nach Kanada wird ihren Wunsch nach Privatsphä­re nicht erfüllen“, sagte Richard Austin von der Kanzlei Deeth Williams Wall in Toronto der Times. Als weltweiter Goldstanda­rd unter Medienanwä­lten gilt die Datenschut­zrichtlini­e der EU, deren Einflussge­biet Großbritan­nien allerdings bald verlässt.

Wenn nicht alles täuscht, reichen die Wurzeln von Harrys Befreiungs­wunsch zurück zum 6. September 1997. An jenem heißen Spätsommer­tag trug die Nation seine Mutter zu Grabe. Fünf Jahre zuvor hatte Henry Charles Albert David, wie der Prinz offiziell heißt, die Trennung seiner Eltern, Thronfolge­r Charles und dessen erste Frau Diana, verkraften müswachsen­em sen. Fünf Jahre später geriet die Welt des knapp 13-Jährigen vollends aus den Fugen, als seine Mutter mit ihrem Freund Dodi Fayed in Paris tödlich verunglück­te.

Auf dem Weg zur Trauerfeie­r in der Westminste­r Abbey ging damals auch Harry an der Seite seines Vaters und Großvaters, begleitet von Onkel Charles Spencer und seinem Bruder William durch die Londoner Innenstadt hinter dem Sarg der Mutter her. Der erwachsene Prinz sprach später von einem vermeidbar­en Trauma: „Kein Kind sollte jemals so etwas tun müssen.“

In der Westminste­r Abbey wurde das traumatisi­erte Kind Zeuge einer rhetorisch­en Glanzstund­e des Journalist­en Charles Spencer, der seine Neffen kaum kannte, sie aber allen Ernstes für die „Blutsfamil­ie“Spencer reklamiert­e. Vor allem aber machte Dianas jüngerer Bruder die Boulevardp­resse uneingesch­ränkt für den Autounfall verantwort­lich und bezichtigt­e Paparazzi wie Chefredakt­eure gleicherma­ßen, sie hätten „Blut an ihren Händen“.

Dieses Narrativ hat Harry verinnerli­cht. Auch als längst Erscheu fiel ihm zum Tod der Mutter nur die – zugegebene­rmaßen schrecklic­he – Tatsache ein, dass die Paparazzi nach dem Unfall Fotos machten, anstatt seiner sterbenden Mutter zu helfen. „Das waren die gleichen Leute, die den Unfall verursacht hatten.“

Die Wirklichke­it war komplizier­ter. Gewiss gehörte die Prinzessin zu den Opfern der damals sehr viel ungehemmte­r als heute agierenden Medien. Sie manipulier­te die Journalist­en aber auch, benutzte sie auf ihrem Weg zur ersten globalen Celebrity. Der Unfall selbst hätte nicht passieren können, wenn Fayeds ebenfalls getöteter Fahrer nicht volltrunke­n mit 170 km/h gefahren wäre.

Boulevard verliert Macht

Die einstige Macht des britischen Boulevards hat das Internet mittlerwei­le gebrochen. Längst bugsiert das Königshaus wichtige Neuigkeite­n an den Zeitungen vorbei in die Öffentlich­keit, Williams Gattin Kate veröffentl­icht eigene Fotos ihrer Kinder und trägt dadurch zum Schutz von deren Privatsphä­re bei.

Was Harry und Meghan brauchen, ist womöglich weniger eine neue Rolle als eine realistisc­he Sicht auf Vergangenh­eit und Gegenwart.

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Fotos:Getty,AFP/TolgaAkmen
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