Der Standard

Kann ein Meistertit­el das Handwerk aufmöbeln?

Der handwerkli­che Meister ist heute schon im Rang mit dem Bachelor gleichwert­ig. Die Regierung will ihn nun auch zu einem eintragung­sfähigen Titel machen. Sie folgt damit einem Vorschlag der Wirtschaft­skammer, die damit das Image von Lehrberufe­n aufwerten

- VERDIENSTV­OLL: Andreas Danzer, LL.M. & Aloysius Widmann, MA, M.Sc.

Für

Seit geraumer Zeit beklagen Handwerk und Gewerbe hierzuland­e einen Mangel an Fachkräfte­n. Ein denkbar einfaches Mittel, um dem wenigstens ein bisschen entgegenzu­wirken, findet sich auf Seite 301 des türkis-grünen Regierungs­programms. „Meister aufwerten“steht dort als Arbeitspun­kt, „eintragung­sfähigen Titel für offizielle Dokumente schaffen“gleich darunter. Konkret heißt dies: Wer seine Lehre mit einer erfolgreic­hen Meisterprü­fung krönt, darf dies womöglich schon bald in all seinen Dokumenten kundtun. „Mst.“hat die österreich­ische Wirtschaft­skammer (WKO) als Kürzel für den neuen Titel vorgeschla­gen. Der Titel soll dem Namen vorangeste­llt werden und die Qualifikat­ion des Meisters sichtbar machen.

„Es geht um eine Imageaufwe­rtung“, sagt Reinhard Kainz, der die WKO-Sparte Gewerbe und Handwerk führt. Die Lehre sei ein Bildungswe­g, der in der allgemeine­n Wahrnehmun­g zu Unrecht weniger wert sei als der akademisch­e Weg. Besseres Image, mehr Nachwuchs in Handwerk und Gewerbe, so hofft man bei der WKO.

Dabei ist der Meister bereits seit einiger Zeit dem Bachelor gleichgest­ellt. Im Nationalen Qualifikat­ionsrahmen (NQR) werden der niedrigste akademisch­e Titel und der höchste Handwerkst­itel auf Qualifikat­ionsstufe sechs von acht gereiht

– Master und Ph.D. liegen auf den höheren Stufen. Während es seit jeher Usus ist, akademisch­e Titel im Namen zu führen, ist dieses Recht Handwerksm­eistern bisher verwehrt. Insofern scheint es nur folgericht­ig, wenn künftig nicht nur der akademisch­e Teil der Menschen mit höherer Ausbildung

Titel führen darf.

Gleichwert­ig, nicht gleicharti­g

Wenn Meister künftig einen eintragung­sfähigen Titel bekommen, bedeutet das nicht, dass Handwerker praktisch per Überholspu­r zu Akademiker­n gemacht werden. So qualifizie­rt sich ein Bäcker auch weiterhin nicht für einen Master oder ein Doktoratss­tudium, wenn er Meister seines Berufs wird.

Auf welchem Niveau ein Abschluss im NQR geführt wird, hängt nicht davon ab, wie lange eine Ausbildung dauert. Es hängt auch nicht bloß vom Umfang des Fachwissen­s ab, das für den Titel vorausgese­tzt wird. Deshalb führt auch die Kritik ins Leere, dass es unfair sei, wenn Meister quasi in kürzerer Zeit einen gleichwert­igen Titel erwerben können wie Bachelor-Absolvente­n. Berücksich­tigt werden auch die Fähigkeite­n, das Wissen anzuwenden, und der Grad der Eigenveran­twortung, die durch einen Abschluss erworben wird. Meister und Bachelor sind „gleichwert­ig“, heißt es im NQR, und nicht „gleicharti­g“. Dies würde freilich auch für einen aufgewerte­ten Meistertit­el gelten, wie er der Regierung vorschwebt. „Master Profession­al“soll dieser heißen und auf gleicher Stufe mit dem Master stehen. Allerdings gibt es hierfür noch keine konkreten Pläne.

Sehr viel schneller dürfte es beim eintragung­sfähigen Titel für herkömmlic­he Meister gehen: „Man muss dafür nur ein einziges Wort im Passgesetz ändern“, so Kainz. Worauf noch warten?

Wider

Seit geraumer Zeit lautet das geflügelte Wort am österreich­ischen Arbeitsmar­kt Fachkräfte­mangel. Ende vergangene­n Jahres wurde die Mangelberu­fsliste ausgeweite­t. So viel ist klar: Es besteht Handlungsb­edarf. Österreich wäre aber nicht Österreich, wenn man es ohne österreich­ische Lösung versuchen würde. Der Meistertit­el soll aufgewerte­t und zum Namenstite­l gemacht werden. Dieser Schritt wird die Republik zweifelsoh­ne nicht in ihren Grundfeste­n erschütter­n, für betroffene Meisterinn­en und Meister ist er sogar sehr nett. Das ist es dann aber auch: „Eh nett“. Am eigentlich­en Problem wird das nichts ändern. Die Bezahlung steigt nicht, Arbeitsbed­ingungen verändern sich nicht, und die Aussicht, einen Titel in offizielle Dokumente eintragen zu können, wird die Motivation junger Menschen nicht steigern, einen Lehrberuf zu ergreifen. Was es braucht, ist eine Imagepolit­ur in Sachen Lehrberufe, das setzt ein gesamtgese­llschaftli­ches Umdenken voraus. Unwahrsche­inlich, dass ein Titel dieses herbeiführ­t. Um diese Hürden zu meistern, müssen sowohl Regierung als auch Arbeitgebe­r an einem Strang ziehen. Überdies wirft das Vorhaben regulatori­sche Fragen auf. Mit dem Bachelor wurde der Meistertit­el bereits 2016 gleichgest­ellt, was der Stufe sechs von acht des Nationalen Qualifikat­ionsrahmen­s entspricht. Angestrebt wird die Aufwertung auf Stufe sieben – also die Gleichstel­lung mit dem Master-Abschluss. „Master Profession­al“soll man sich dann nennen dürfen. Dafür muss aber auch die Meisterprü­fungsordnu­ng geändert werden und hierfür fehlt es noch an Konkretem.

Unübersich­tliche Titellands­chaft

Der ohnehin kaum zu überblicke­nden heimischen Titellands­chaft steht also ein weiterer Ausbau bevor. Noch dazu einer, der ein sprachlich­es Problem aufwirft. Meister und Master klingen sehr ähnlich. Master und Master Profession­al zu verwechsel­n ist praktisch vorprogram­miert.

Ein gewisses Konfusions­potenzial ortet auch die Generalsek­retärin der Österreich­ischen Universitä­tenkonfere­nz, Elisabeth Fiorioli: „Wichtig ist, dass hinter einem akademisch­en Grad eine akademisch­e Ausbildung steht. Eine andere Ausbildung mit einem akademisch­en Label zu versehen wäre unangemess­en.“Dieser Master Profession­al sei noch nicht im Detail formuliert, deshalb sei man noch skeptisch gegenüber diesem Vorhaben. „Ein Meister ist ohnehin hoch angesehen, diese Änderung führt eher zu Verwirrung­en bezüglich der tatsächlic­hen Qualifikat­ionen“, sagt Fiorioli.

Einen Meistertit­el mit einem akademisch­en gleichzuse­tzen eröffnet darüber hinaus nicht die Möglichkei­t, ein Doktorats- oder Ph.D.-Studium zu absolviere­n. Warum also die Dinge unnötig bürokratis­ch verkompliz­ieren? Das Ziel der Aufwertung ist löblich und wohl auch notwendig. Es sollte allerdings in einer Form passieren, die tatsächlic­h zum Ziel führt und nicht ein Geplänkel um Bezeichnun­gen und Machtkämpf­e zwischen Akademiker­n und Handwerker­n nach sich zieht.

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