Europa erhöht wegen Atomabkommens Druck auf den Iran
Berlin, Paris und London starten Streitschlichtungsmechanismus – Im Iran steigt die Wut auf das Regime
Die Protestwelle im Iran ebbt nicht ab. Trotz gewalttätiger Repression durch die Behörden demonstrierten am Dienstag erneut zahlreiche Iraner gegen das Regime. Im Konflikt um den Atomdeal wächst unterdessen der Druck auf Teheran.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien starteten am Dienstag einen im Atomabkommen (JCPOA) mit dem Iran vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismus. Mit den nun gestarteten Beratungen der sogenannten „Gemeinsamen Kommission“soll das Abkommen noch gerettet werden und der Iran zu seinen Verpflichtungen zurückkehren. Aber auch eine Wiedereinsetzung der UN- Sanktionen ist möglich. Teheran reagierte umgehend und drohte den Europäern mit Konsequenzen
für einen „Missbrauch des Schlichtungsmechanismus“. Der britische Premier Boris Johnson warb unterdessen dafür, das Atomabkommen durch einen „Trump-Deal“zu ersetzen.
Die Proteste im Iran selbst dauern unterdessen schon vier Tage an, nachdem die Regierung am Samstag zugeben musste, dass das eigene Militär für den Abschuss einer ukrainischen Boeing mit Boden-Luft-Raketen und den Tod der 176 Insassen verantwortlich ist. Zuvor hatte das Regime tagelang versucht, den Abschuss zu vertuschen, so der Vorwurf. Bei den Protesten wurden zahlreiche Menschen verhaftet. Der Sprecher der Justiz Gholam-Hussein Ismaili erklärte, rund dreißig Demonstranten werden der „Teilnahme an verbotenen Versammlungen“beschuldigt. Erst im November wurden im Iran Proteste blutig niedergeschlagen, mehr als 300 Menschen starben.
Der britische Botschafter soll nach Ansicht Ismailis wegen seiner Anwesenheit bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Flugzeugabschusses ausgewiesen werden. Rob Macaire war am Samstag sogar kurzfristig festgenommen worden, was von Londons Regierung scharf gerügt wurde. Am Dienstag verbrannten Mitglieder der regimetreuen Basij-Milizen in Teheran britische und USFlaggen und ein lebensgroßes Pappbild Macaires.
Irans Präsident Hassan Rohani forderte am Dienstag eine „lückenlose Aufklärung“des Flugzeugabschusses, den er als „unverzeihlichen Fehler“bezeichnete. Es sei nicht akzeptabel, dass nur die Person, „die auf den Knopf gedrückt hat“, die alleinige Verantwortung trage. Wegen des Abschusses
wurden mittlerweile zahlreiche Personen verhaftet. Ismaili sprach auch in diesem Zusammenhang von rund dreißig Festnahmen. Rohani schob erneut einen Teil der Schuld den USA zu, diese seien die „Wurzel aller Sorgen“. Die USA hatten nach Angriffen auf die US-Botschaft in Bagdad Anfang Jänner den iranischen General Qassem Soleimani im Irak mit einer Drohne getötet und dem Iran Luftschläge angedroht, falls dieser Angriffe auf US-amerikanische Einrichtungen fortsetze.
In den Stunden vor dem Abschuss der ukrainischen Boeing hatte der Iran zwei Militärbasen im Irak mit Raketen angegriffen. Das iranische Militär befürchtete offenbar eine Bestrafung durch die USA und versetzte die Luftabwehr in Alarmbereitschaft – ohne den Luftraum für Passagierflugzeuge zu sperren.