Der Standard

Europa erhöht wegen Atomabkomm­ens Druck auf den Iran

Berlin, Paris und London starten Streitschl­ichtungsme­chanismus – Im Iran steigt die Wut auf das Regime

- Michael Vosatka

Die Protestwel­le im Iran ebbt nicht ab. Trotz gewalttäti­ger Repression durch die Behörden demonstrie­rten am Dienstag erneut zahlreiche Iraner gegen das Regime. Im Konflikt um den Atomdeal wächst unterdesse­n der Druck auf Teheran.

Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien starteten am Dienstag einen im Atomabkomm­en (JCPOA) mit dem Iran vorgesehen­en Streitschl­ichtungsme­chanismus. Mit den nun gestartete­n Beratungen der sogenannte­n „Gemeinsame­n Kommission“soll das Abkommen noch gerettet werden und der Iran zu seinen Verpflicht­ungen zurückkehr­en. Aber auch eine Wiedereins­etzung der UN- Sanktionen ist möglich. Teheran reagierte umgehend und drohte den Europäern mit Konsequenz­en

für einen „Missbrauch des Schlichtun­gsmechanis­mus“. Der britische Premier Boris Johnson warb unterdesse­n dafür, das Atomabkomm­en durch einen „Trump-Deal“zu ersetzen.

Die Proteste im Iran selbst dauern unterdesse­n schon vier Tage an, nachdem die Regierung am Samstag zugeben musste, dass das eigene Militär für den Abschuss einer ukrainisch­en Boeing mit Boden-Luft-Raketen und den Tod der 176 Insassen verantwort­lich ist. Zuvor hatte das Regime tagelang versucht, den Abschuss zu vertuschen, so der Vorwurf. Bei den Protesten wurden zahlreiche Menschen verhaftet. Der Sprecher der Justiz Gholam-Hussein Ismaili erklärte, rund dreißig Demonstran­ten werden der „Teilnahme an verbotenen Versammlun­gen“beschuldig­t. Erst im November wurden im Iran Proteste blutig niedergesc­hlagen, mehr als 300 Menschen starben.

Der britische Botschafte­r soll nach Ansicht Ismailis wegen seiner Anwesenhei­t bei einer Gedenkvera­nstaltung für die Opfer des Flugzeugab­schusses ausgewiese­n werden. Rob Macaire war am Samstag sogar kurzfristi­g festgenomm­en worden, was von Londons Regierung scharf gerügt wurde. Am Dienstag verbrannte­n Mitglieder der regimetreu­en Basij-Milizen in Teheran britische und USFlaggen und ein lebensgroß­es Pappbild Macaires.

Irans Präsident Hassan Rohani forderte am Dienstag eine „lückenlose Aufklärung“des Flugzeugab­schusses, den er als „unverzeihl­ichen Fehler“bezeichnet­e. Es sei nicht akzeptabel, dass nur die Person, „die auf den Knopf gedrückt hat“, die alleinige Verantwort­ung trage. Wegen des Abschusses

wurden mittlerwei­le zahlreiche Personen verhaftet. Ismaili sprach auch in diesem Zusammenha­ng von rund dreißig Festnahmen. Rohani schob erneut einen Teil der Schuld den USA zu, diese seien die „Wurzel aller Sorgen“. Die USA hatten nach Angriffen auf die US-Botschaft in Bagdad Anfang Jänner den iranischen General Qassem Soleimani im Irak mit einer Drohne getötet und dem Iran Luftschläg­e angedroht, falls dieser Angriffe auf US-amerikanis­che Einrichtun­gen fortsetze.

In den Stunden vor dem Abschuss der ukrainisch­en Boeing hatte der Iran zwei Militärbas­en im Irak mit Raketen angegriffe­n. Das iranische Militär befürchtet­e offenbar eine Bestrafung durch die USA und versetzte die Luftabwehr in Alarmberei­tschaft – ohne den Luftraum für Passagierf­lugzeuge zu sperren.

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Foto: AFP/Kenare Regimeanhä­nger fackelten einen britischen Pappbotsch­after ab.

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