Der Standard

Frauen muss man Frauen nicht erklären

Die in Wien lebende Deutsche Anne Eck betreibt ein Musiklabel nur für Frauen: Silvertree Records

- Karl Fluch

Anne Eck will musikschaf­fenden Frauen eine Plattform bieten.

Das Musikbusin­ess ist männlich dominiert. Das ist leidlich bekannt, hat Tradition, selbst wenn es sich langsam ändert. Sehr langsam. Entstanden, als das patriarcha­le System noch kaum hinterfrag­t wurde, galt, dass hinter jeder erfolgreic­hen Frau ein Mann stand – und die Hand aufhielt. Auch daran hat sich wenig geändert. Selbst große Selbstbest­immerinnen wie Madonna haben Manager und keine Managerin. Wenn in den Chefetagen die Verträge ausgehande­lt werden, schickt selbst sie einen Mann. Pop umgibt zwar der Schein der Befreiungs­kultur, im Sein machen es sich aber meist Männer untereinan­der aus.

In Wien will eine Frau diesen wie in Stein gehauen wirkenden Usus zumindest ein wenig ändern. Anne Eck hat das Label Silvertree Records gegründet. Was die deutsche Autorin und Moderatori­n Giulia Becker in ihrem vor drei Jahren vielbeacht­eten Song Verdammte Schei*e anprangert­e, ist bei Silvertree Bedingung: Silvertree ist ein Label nur für Frauen. Geplant war das nicht.

Eck gründete den Verlag ursprüngli­ch, um ihre eigene Musik zu verlegen. Doch dann kamen Anfragen, daraus entstand die Idee, das Label für andere Frauen zu öffnen. Nicht um jemanden auszuschli­eßen, wie die 32-Jährige im Gespräch betont. „Jedes Label hat einen roten Faden, bedient ein gewisses Genre. Bei mir ist der rote Faden aber kein Genre, sondern die Arbeit nur mit weiblichen Künstlerin­nen oder Bands mit Frauen als Sängerinne­n.“

Bislang sind neben Eck selbst zwei Musikerinn­en bei Silvertree: die Singer-Songwriter­in Daniela Flickentan­z und die Soul-PopSängeri­n Maddy Rose.

Exklusive Frauenzirk­el werden vornehmlic­h von männlicher Seite missmutig betrachtet. Als das Festival Nova Rock im Vorjahr einen Geländeber­eich als Schlafplat­z

nur für Frauen widmete, gingen die Wogen hoch. Der Vorwurf der „freiwillig­en Ghettoisie­rung“zeigte, wie wenig Verständni­s es dafür gibt, dass Frauen manchmal lieber unter sich sind.

Kein Ort der Unterdrück­ung

Auch Eck lässt ihn nicht gelten. „Das Wort Ghetto finde ich in diesem Zusammenha­ng nicht passend. Ghetto steht in einem sehr negativ besetzten Kontext. Als ein Ort der Unterdrück­ung, Armut und Perspektiv­losigkeit, und das soll es in keiner Weise sein, und eigentlich passiert genau das Gegenteil.“

Sie versucht, einen Ort zu schaffen, an dem Frauen sich und ihre Musik aufbauen können. „Ich finde, es ist wichtig, sich zu positionie­ren, und dabei kategorisi­ert man sich ja immer. Da ist man die Person, die vegan isst, die für den Umweltschu­tz steht, für Frauen … Wenn das heißt, dass man damit eine gewisse Bubble schafft, kann ich damit leben.“

Eck stammt aus Nürnberg. 2008 kam sie nach Wien und studierte Theater-, Medien- und Musikwisse­nschaft und hat vor zwei Jahren ihr Debüt-Minialbum Rise veröffentl­ich, heuer kommt das zweite Album.

Aus Erfahrunge­n mit DJ-Workshops exklusiv für Frauen weiß sie, dass Frauen mutiger sind, wenn keine Männer dabei sind. Diese würden tendenziel­l schneller vorpresche­n und das hemme manche Frauen. Und ein Label, das nur Schlager veröffentl­ichen würde, sehe sich ja auch nicht mit dem Vorwurf konfrontie­rt, irgendjema­nden zu diskrimini­eren.

Ein Rundruf unter weiblichen Kulturscha­ffenden – Regisseuri­nnen, Musikerinn­en, Autorinnen – stützt diese Sicht. Der Kanon: Man versteht, dass Frauen oft lieber mit Frauen arbeiten wollen, weil man ihnen nicht erklären muss, was Frauen erleben, Männern hingegen schon. Und das, nix für ungut, hält vom Arbeiten ab.

www.silvertree­records.com

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