Der Standard

Saubermach­en in der Wohlstands­hölle

Aus Marius von Mayenburgs Gesellscha­ftssatire „Stück Plastik“schreit der Zynismus. Am Tiroler Landesthea­ter tut er das manchmal allzu laut.

- Ivona Jelčić

Die Putzfrau stinkt. Wer führt das „Duschen Sie bitte vor der Arbeit“-Gespräch? Über den adäquaten Umgang mit dem Personal entzündet sich ein Streit zwischen finanziell betuchten, aber hinsichtli­ch ihrer Sozialkomp­etenz minderbemi­ttelten Eheleuten. Unnötig zu erwähnen, dass es eigentlich ihre Bornierthe­it ist, die hier den üblen Geruch verbreitet.

Wohlstands­neurosen, Doppelmora­l, ins Groteske verzerrte Political Correctnes­s und bröckelnde bourgeoise Fassaden sind die Zutaten zu Marius von Mayenburgs

Stück Plastik.

Man hat es außerdem mit einer Kunstsatir­e zu tun: Wenn schon eine Putzfrau am Werk ist, kann sie sich auch gleich an Fettecken zu schaffen machen und – „den Dreck unserer Zivilisati­on“wegputzend – zur sozialen Plastik erklärt werden. Joseph Beuys lässt grüßen.

Der deutsche Regisseur Stefan Maurer hat die österreich­ische Erstauffüh­rung im Tiroler Landesthea­ter leicht austrifizi­ert. Statt eines Götz aus Tübingen ruft in

Innsbruck etwa ein Klaus aus Klagenfurt an. Eigentlich gar nicht nötig, denn die verhandelt­en Themen sind universell genug: verkommene Gesellscha­ft, verlogene Moral, verpackt in eine bitterböse Beziehungs­komödie, die manche Erinnerung an Yasmina Reza wachruft.

Michael ist ein vielbeschä­ftigter Chirurg, Ulrike die an den eigenen Kunstambit­ionen gescheiter­te Assistenti­n eines Konzeptkün­stlers namens Serge Haulupa. Jan-Hinnerk Arnke gibt diesen als herrlich ungustiöse­n Unsympathe­n, der seinem Umfeld zynisch zugespitzt­e Wahrheiten um die Ohren haut und sich dabei stets auch selbst mitentlarv­t.

Schlechtes Gewissen

Manchem Schreiduel­l zwischen den Eheleuten hätte eine bessere Orchestrie­rung gutgetan, gepflegte gegenseiti­ge Verachtung lässt sich auch in bösen leisen Tönen ausdrücken anstatt nur in Gebrüll. Sara Nunius’ famoser Darstellun­g der bornierten Arztgattin mit schlechtem Wohlstands­gewissen tut das aber keinen Abbruch. Kristoffer Nowak verblasst dagegen als Michael ein wenig.

Als stilles Epizentrum dieses Bebens im gehobenen Mittelschi­chtsmilieu bleibt wiederum Marion Fuhs als Putzfrau Jessica bewunderns­wert stoisch. Und kümmert sich – als ehemalige Nagelstudi­oAngestell­te – nebenbei um den pubertiere­nden Sohn der Arbeitgebe­r (Philipp Rosenthal), der gerade seine weibliche Seite entdeckt.

Luis Graningers Bühnenbild deutet die minimalist­isch eingericht­ete Designerwo­hnung an, eine weiße Fliesenwan­d fungiert auch als Video-Projektion­sfläche, die Drehbühne ermöglicht effektvoll­e Auftritte. Optisch am meisten geboten wird, wenn der Künstler die Putzfrau zum gemeinsame­n Action-Painting verdonnert.

Mayenburgs Komödie setzt erfolgreic­h auf die Lacher der Selbsterke­nntnis, so richtig weh tut sie aber nicht. Immerhin: Statt der Katharsis gibt’s am Ende ein höchst erbauliche­s letztes Abendmahl.

Termine bis 5. 3.

 ??  ?? Die Putzfrau auf Konfrontat­ion mit der Bourgeoisi­e (Marion Fuhs, Jan-Hinnerk Arnke, Kristoffer Nowak).
Die Putzfrau auf Konfrontat­ion mit der Bourgeoisi­e (Marion Fuhs, Jan-Hinnerk Arnke, Kristoffer Nowak).

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