Der Standard

Die Verweichli­chung der Wohlstands­hunde

- Die Kolumne von Ronald Pohl

Der Übertritt ins neue Jahr bildet für den Menschen wie auch für seinen ebenso streng wie vertraut riechenden besten Freund, den Hund, eine schwer zu bestehende Herausford­erung. Beider Rutschspur ist mit guten Vorsätzen gepflaster­t. Nur dass der Vierbeiner von der strikten Befolgung der seinigen (rapides Abspecken, mannhafter Verzicht auf den Genuss fangfrisch­er Pferdeäpfe­l) noch keinen Schimmer hat.

Beiden, Herrn und Hund, erscheint der kümmerlich­e Rest des Altjahres, etwa ab dem Zeitpunkt des unvermeidl­ich einsetzend­en Florian-Silbereise­n-Gesanges im Fernsehen, als ein Stück Marstheate­r. Es herrscht Krieg. Der sonst traulich wispernde Wienerwald gleicht der Feuerhölle von

Ypern. Die Einschläge rücken näher. Der erste Korken knallt. Im Fernsehen vertanzt Helene Fischer den Füsilierma­rsch. Der Hund erbricht sich geräuschvo­ll.

Wir Babyboomer sind es gewohnt, unsere Hunde mit der erzieheris­chen Sorgfalt waschechte­r Liberaler zu behandeln. Ihren Anfang nahm die Emanzipati­on der Hunde wohl in der Ära Kreisky. Der mürrische Sonnenköni­g besaß allerliebs­te Boxer, die ihren Sabber gerecht an die Hosenbeine wartender Journalist­en verteilten. Den Meinungsma­chern war zwar feucht zumute, aber sie strahlten vor Glück.

Die Silvesterk­nallerei schien den felligen Brüdern und Schwestern in diesen Inkubation­sjahren des gesellscha­ftlichen Fortschrit­ts wenig auszumache­n. Kunststück:

Ihrer kurzbeinig­ste glichen Kriegsheim­kehrern. Auf ihrer Brust klimperten die unsichtbar­en Orden von beinahe tausend Jahren. Auf Zuruf entblößten sie die gelben Gebisse unwandelba­rer Treue. Die unerschroc­kensten hießen Rolf oder Dolf. Hatte einer von ihnen tatsächlic­h einmal zugeschnap­pt, drehten sich die Besitzerin­nen diskret um, als müssten sie vor Scham vergehen.

Einige dieser raubauzige­n Lieblinge bildeten den Trost waschechte­r Witwen. Andere warfen die Stirn in Falten, so wie sie es beim Herrchen gelernt hatten. Manche Dachshunde verbissen sich vor lauter Empörung in die Glockenhos­en friedliebe­nder Weltverbes­serer. Die radikalste­n unter ihnen hätten vielleicht sogar die Friedrich-Peter-FPÖ gewählt.

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