Trumps Brechstange zeigt Wirkung
China macht im Handelsstreit mit den USA große Zugeständnisse und muss weiter mit hohen Strafzöllen Washingtons leben. An den neuen Exportchancen der Amerikaner in China gibt es manche Zweifel.
Welcher Druckmittel sich Donald Trump im Poker mit China bediente, hat das Wall Street Journal anhand einer Episode aus der Welt der Diplomatie dokumentiert. Ende November, als die Gespräche über ein Handelsabkommen in einer Sackgasse zu landen drohten, wandte sich der chinesische Botschafter in Washington an Jared Kushner. Der Schwiegersohn des Präsidenten, für Peking seit längerem ein zentraler Ansprechpartner, sollte Bewegung in festgefahrene Fronten bringen. Sein Land, mahnte Chinas US-Botschafter Cui Tankai, erwarte von den USA, Zölle auf chinesische Waren deutlich stärker zu senken als bisher zugesagt.
Den Wunsch, soll Kushner erwidert haben, werde Trump gewiss nicht erfüllen. Wenn China nicht bald abrücke von seiner Forderung, drohe die nächste Zollrunde, dann werde man Importe im Wert von 156 Milliarden Dollar durch Zwangsabgaben verteuern. „Denken Sie nicht an Zollsenkungen“, wird Kushner von der Zeitung zitiert. „Denken Sie daran, was passiert, wenn Sie keinen Deal mit uns machen.“
Trump, nach eigenen Worten ein „Mann der Zölle“, hat Peking offensichtlich zu Zugeständnissen gezwungen, indem er zur
Brechstange griff. Sein Ansatz, generell in Verhandlungen, besteht darin, Drohkulissen zu entwerfen: Beugt sich das Gegenüber nicht, muss es mit Konsequenzen rechnen, die für es schmerzhafter sind als für die Vereinigten Staaten, die stärkere Macht. Herausgekommen ist im Falle Chinas ein Handelsabkommen, das für den Moment den Ausstieg aus der Eskalationsspirale bedeutet, ein Stück Berechenbarkeit nach zwei Jahren akuter Unsicherheit, das aber kaum mehr ist als ein brüchiger Waffenstillstand. Dem Provisorium der ersten Phase soll irgendwann die zweite folgen, sprich: ein Vertrag, der ausnahmslos alle Streitpunkte regelt.
US-Soja für China
Fürs Erste verpflichtet sich China, seine Importe aus den USA in den nächsten zwei Jahren um rund 200 Milliarden Dollar zu steigern. Dabei entfallen 78 Milliarden auf Industriegüter, 50 Milliarden auf Öl und Erdgas, 32 Milliarden auf Agrarprodukte und 38 Milliarden auf Dienstleistungen. Vor allem baut Trump darauf, dass die Bauern im Mittleren Westen, einer Region, der bei Wahlen eine weit über ihre Bevölkerungszahl hinausgehende Bedeutung zukommt, wieder in großem Stil Soja nach China liefern können – und ihn nach fast zweijähriger Absatzflaute im Herbst erneut unterstützen.
Zudem sagt die Volksrepublik zu, härter gegen Akteure vorzugehen, die geistiges Eigentum stehlen. Die Praxis, durch gezielte Firmenübernahmen an westliches Knowhow zu kommen, soll ebenso unterbunden werden wie der Technologietransfer, den Peking bis dato erzwang, wenn Unternehmen aus dem Ausland Geschäfte im Reich der Mitte machen wollten. Trumps Zollpolitik, jubelt Peter Navarro, als Wirtschaftsberater der wohl härteste Protektionist im Weißen Haus, habe sich für Amerika als überaus vorteilhaft erwiesen.
Auf den ersten Blick scheint er recht zu haben. Die USA verzichten auf die bereits angedrohte nächste Eskalationsstufe, auf neue Zölle auf Laptops, Smartphones und andere Konsumgüter. Außerdem nahmen sie bereits vor der Unterschriftenzeremonie am Mittwoch den Vorwurf zurück, dass China seine Währung manipuliere, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die seit 2018 verhängten 25-Prozent-Zölle auf Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar bleiben dagegen in Kraft. Weitere Abgaben, 15 Prozent auf Importe von 120 Milliarden Dollar, sollen wiederum halbiert werden. Erfüllt Peking nicht, was es versprochen hat, könnte das Weiße Haus von neuem zur Zollkeule greifen. Navarro zufolge müssen Verstöße gegen die Vereinbarung innerhalb von drei Monaten zur Zufriedenheit aller Beteiligten geklärt werden, während es früher drei Jahre oder noch länger gedauert habe, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Einen „Kontrollmechanismus mit Zähnen“, so nennt der ehemalige Ökonomieprofessor aus Kalifornien das Paragrafenwerk.
Allerdings stößt das Selbstlob der Regierungszentrale bei Kennern der Materie auf ausgeprägte Skepsis. Zum einen verteuern die unverändert geltenden Zölle jene chinesischen Waren, die für Konsumenten zwischen Seattle und Miami seit nunmehr zwei Jahrzehnten zum Standardangebot gehören. De facto, so der China-Experte Fred Hochberg, einst Direktor der amerikanischen Export-Import-Bank, handle es sich um eine Steuer, die der Durchschnittsverbraucher bezahlen müsse. Zudem dürfte es amerikanischen Landwirten nicht leicht fallen, wieder Fuß zu fassen auf einem chinesischen Markt, auf dem sie im Zuge des Handelskrieges ins Hintertreffen gerieten.