Der Standard

Streit um Belastungs­zeugen gegen Trump

Mit der Übergabe der Anklagesch­rift des Repräsenta­ntenhauses an den Senat geht das Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den US-Präsidente­n in eine neue – und besonders heikle – Phase.

- Frank Herrmann aus Washington

Lev Parnas redete Klartext: „Präsident (Donald) Trump wusste genau, was vor sich ging“, sagte der Geschäftsm­ann, einst aus der Sowjetunio­n nach Amerika ausgewande­rt, als er dem Nachrichte­nsender MSNBC ein Interview gab. „Er war über all meine Schritte im Bilde. Ohne die Zustimmung Rudy Giulianis oder des Präsidente­n hätte ich überhaupt nichts tun können.“

Es war Parnas, der sein Kontaktnet­zwerk in der Ukraine nutzte, um im Auftrag Giulianis – Trumps persönlich­er Anwalt – Druck auf Wolodymyr Selenskyj auszuüben. Bereits im Mai vergangene­n Jahres, kurz nach dem Wahlsieg des neuen Präsidente­n in Kiew, warnte er einen Vertrauten Selenskyjs: Washington werde die Militärhil­fe für die Ukraine auf Eis legen, falls

Kiew nicht gegen Trumps Kontrahent­en Joe Biden ermittle. So schilderte er es, als er am Mittwochab­end sein monatelang­es Schweigen brach und schwere Vorwürfe gegen Trump erhob.

Parnas hat – wie auch ein Kompagnon namens Igor Fruman – mit einer Anklage wegen illegaler Wahlkampfs­penden zu rechnen. Dass er womöglich hinter Gitter wandert, während der Präsident seine Hände in Unschuld wäscht, mag seinen plötzliche­n Sinneswand­el erklären. Er kenne weder Parnas noch Fruman, hatte Trump im Oktober vor laufenden Kameras erklärt. Darauf Parnas jetzt, drei Monate später: „Er hat gelogen.“

Politische­s Tauziehen

Als das Repräsenta­ntenhaus die Fakten der Ukraine-Affäre zusammentr­ug, gehörte der Unternehme­r aus Florida nicht zu denen, die in den Zeugenstan­d traten. Das könnte sich nun, da er sich überrasche­nd weit aus dem Fenster lehnte, schlagarti­g ändern: Die Opposition könnte verlangen, ihn im Senat aussagen zu lassen. Wie es ausgeht, bleibt aber offen. Sicher ist: Das Tauziehen um zusätzlich­e Zeugen wird die Schlusspha­se des Impeachmen­t-Verfahrens, eine Art Gerichtspr­ozess im Senat, noch auf Tage hinaus prägen.

Das Puzzle, das die Demokraten bisher zusammenge­setzt haben, stützt sich im

Wesentlich­en auf das, was zum einen Diplomaten und zum anderen Mitarbeite­r aus dem Apparat des Weißen Hauses zu Protokoll gaben: EU-Botschafte­r Gordon Sondland und William Taylor, sein geschäftsf­ührender Kollege in Kiew, haben Trump ebenso schwer belastet wie Fiona Hill und Alexander Vindman, beide im Nationalen Sicherheit­srat beschäftig­t, als der Präsident die Freigabe zurückgeha­ltener Militärhil­fe an ukrainisch­e Untersuchu­ngen gegen Biden knüpfte.

Allerdings konnte sich Trump bisher darauf herausrede­n, dass es sich durch die Bank um Leute handelt, die hier und da etwas gehört, aber nichts zu entscheide­n gehabt hatten – weshalb sie sich manches zusammenre­imten, aber nicht wirklich Bescheid wussten. Was bisher fehlt, das sind Aussagen von Schlüsselp­ersonen des Kabinetts, aktuellen wie ehemaligen, die ebenfalls eingeweiht waren.

Ganz oben auf der Liste stehen Stabschef Mick Mulvaney, Außenminis­ter Mike Pompeo und John Bolton, bis September Nationaler Sicherheit­sberater. Trump hat sie allesamt angewiesen, jede Kooperatio­n zu verweigern. Während Mulvaney und Pomlich peo keinerlei Widerspruc­h erkennen lassen, liegen die Dinge bei Bolton anders: Er berief sich zunächst zwar auf einen Gerichtsen­tscheid, den er abwarten müsse, bevor er im Kongress erscheinen könne; Anfang Jänner erklärte er sich jedoch ausdrück

zur Aussage bereit, falls der Senat ihn vorlade.

Wie brisant sein Auftritt sein kann, ergibt sich aus einer Episode, von der seine Assistenti­n Fiona Hill unter Eid erzählte: Er mache nicht mit bei dem „Drogendeal“, den sich Mulvaney und Sondland ausgedacht hätten. Seitdem wollen die Demokraten Bolton in den Zeugenstan­d rufen.

Rollenspie­le

Die US-Verfassung weist beiden Parlaments­kammern beim Impeachmen­t unterschie­dliche Rollen zu. Das Repräsenta­ntenhaus ist für Beweisaufn­ahme und Anklage zuständig, während der Senat über Schuld oder Unschuld entscheide­t. Die Beweisaufn­ahme, so argumentie­rt der republikan­ische Senator Mitch McConnell, sei abgeschlos­sen. Hätte die Abgeordnet­enkammer zusätzlich­e Zeugen vernehmen wollen, hätte sie dies erzwingen müssen, als sie das Verfahren noch in der Hand hatte. Jetzt sei es dafür zu spät.

Ein faires Verfahren, entgegnen Trumps Gegner, setze voraus, dass alle Fakten auf den Tisch kämen – egal, wann. Durchsetze­n können sie es aus eigener Kraft nicht, da sie nur 47 der 100 Senatoren stellen. Mindestens vier Republikan­er müssten es also auch so sehen.

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Seit Wochen erwartetes Zeremoniel­l: die Übergabe der Anklagesch­rift an den Senat durch die US-Demokraten.

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