Streit um Belastungszeugen gegen Trump
Mit der Übergabe der Anklageschrift des Repräsentantenhauses an den Senat geht das Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten in eine neue – und besonders heikle – Phase.
Lev Parnas redete Klartext: „Präsident (Donald) Trump wusste genau, was vor sich ging“, sagte der Geschäftsmann, einst aus der Sowjetunion nach Amerika ausgewandert, als er dem Nachrichtensender MSNBC ein Interview gab. „Er war über all meine Schritte im Bilde. Ohne die Zustimmung Rudy Giulianis oder des Präsidenten hätte ich überhaupt nichts tun können.“
Es war Parnas, der sein Kontaktnetzwerk in der Ukraine nutzte, um im Auftrag Giulianis – Trumps persönlicher Anwalt – Druck auf Wolodymyr Selenskyj auszuüben. Bereits im Mai vergangenen Jahres, kurz nach dem Wahlsieg des neuen Präsidenten in Kiew, warnte er einen Vertrauten Selenskyjs: Washington werde die Militärhilfe für die Ukraine auf Eis legen, falls
Kiew nicht gegen Trumps Kontrahenten Joe Biden ermittle. So schilderte er es, als er am Mittwochabend sein monatelanges Schweigen brach und schwere Vorwürfe gegen Trump erhob.
Parnas hat – wie auch ein Kompagnon namens Igor Fruman – mit einer Anklage wegen illegaler Wahlkampfspenden zu rechnen. Dass er womöglich hinter Gitter wandert, während der Präsident seine Hände in Unschuld wäscht, mag seinen plötzlichen Sinneswandel erklären. Er kenne weder Parnas noch Fruman, hatte Trump im Oktober vor laufenden Kameras erklärt. Darauf Parnas jetzt, drei Monate später: „Er hat gelogen.“
Politisches Tauziehen
Als das Repräsentantenhaus die Fakten der Ukraine-Affäre zusammentrug, gehörte der Unternehmer aus Florida nicht zu denen, die in den Zeugenstand traten. Das könnte sich nun, da er sich überraschend weit aus dem Fenster lehnte, schlagartig ändern: Die Opposition könnte verlangen, ihn im Senat aussagen zu lassen. Wie es ausgeht, bleibt aber offen. Sicher ist: Das Tauziehen um zusätzliche Zeugen wird die Schlussphase des Impeachment-Verfahrens, eine Art Gerichtsprozess im Senat, noch auf Tage hinaus prägen.
Das Puzzle, das die Demokraten bisher zusammengesetzt haben, stützt sich im
Wesentlichen auf das, was zum einen Diplomaten und zum anderen Mitarbeiter aus dem Apparat des Weißen Hauses zu Protokoll gaben: EU-Botschafter Gordon Sondland und William Taylor, sein geschäftsführender Kollege in Kiew, haben Trump ebenso schwer belastet wie Fiona Hill und Alexander Vindman, beide im Nationalen Sicherheitsrat beschäftigt, als der Präsident die Freigabe zurückgehaltener Militärhilfe an ukrainische Untersuchungen gegen Biden knüpfte.
Allerdings konnte sich Trump bisher darauf herausreden, dass es sich durch die Bank um Leute handelt, die hier und da etwas gehört, aber nichts zu entscheiden gehabt hatten – weshalb sie sich manches zusammenreimten, aber nicht wirklich Bescheid wussten. Was bisher fehlt, das sind Aussagen von Schlüsselpersonen des Kabinetts, aktuellen wie ehemaligen, die ebenfalls eingeweiht waren.
Ganz oben auf der Liste stehen Stabschef Mick Mulvaney, Außenminister Mike Pompeo und John Bolton, bis September Nationaler Sicherheitsberater. Trump hat sie allesamt angewiesen, jede Kooperation zu verweigern. Während Mulvaney und Pomlich peo keinerlei Widerspruch erkennen lassen, liegen die Dinge bei Bolton anders: Er berief sich zunächst zwar auf einen Gerichtsentscheid, den er abwarten müsse, bevor er im Kongress erscheinen könne; Anfang Jänner erklärte er sich jedoch ausdrück
zur Aussage bereit, falls der Senat ihn vorlade.
Wie brisant sein Auftritt sein kann, ergibt sich aus einer Episode, von der seine Assistentin Fiona Hill unter Eid erzählte: Er mache nicht mit bei dem „Drogendeal“, den sich Mulvaney und Sondland ausgedacht hätten. Seitdem wollen die Demokraten Bolton in den Zeugenstand rufen.
Rollenspiele
Die US-Verfassung weist beiden Parlamentskammern beim Impeachment unterschiedliche Rollen zu. Das Repräsentantenhaus ist für Beweisaufnahme und Anklage zuständig, während der Senat über Schuld oder Unschuld entscheidet. Die Beweisaufnahme, so argumentiert der republikanische Senator Mitch McConnell, sei abgeschlossen. Hätte die Abgeordnetenkammer zusätzliche Zeugen vernehmen wollen, hätte sie dies erzwingen müssen, als sie das Verfahren noch in der Hand hatte. Jetzt sei es dafür zu spät.
Ein faires Verfahren, entgegnen Trumps Gegner, setze voraus, dass alle Fakten auf den Tisch kämen – egal, wann. Durchsetzen können sie es aus eigener Kraft nicht, da sie nur 47 der 100 Senatoren stellen. Mindestens vier Republikaner müssten es also auch so sehen.