Der Standard

Kurz auf Vermittlun­gsmission in Prag

Österreich­s Kanzler traf in der tschechisc­hen Hauptstadt die Premiermin­ister aller vier Visegrád-Staaten. Der Empfang war herzlich, doch es gibt neue Konflikte um die Kernkraft.

- ANALYSE: Gerald Schubert

Das Timing saß: Die erste bilaterale Auslandsre­ise seit seiner Rückkehr ins österreich­ische Bundeskanz­leramt führte Sebastian Kurz am Donnerstag in die tschechisc­he Hauptstadt Prag. Dort allerdings wartete nicht nur Premiermin­ister Andrej Babiš auf ihn. Bei diesem nämlich waren am selben Tag auch dessen Amtskolleg­en aus den anderen drei Visegrád-Staaten zu Gast: Peter Pellegrini aus der Slowakei, Mateusz Morawiecki aus Polen und Viktor Orbán aus Ungarn. Nach einem internen Treffen der „V4“stieß Kurz zu der Runde dazu, am Ende gab es eine gemeinsame Pressekonf­erenz im frisch renovierte­n Nationalmu­seum am Prager Wenzelspla­tz.

Es war ein bewusst gesetztes Signal, mit dem Kurz erneut seinen Anspruch auf die Rolle des Brückenbau­ers zwischen Ost- und Westeuropa untermauer­te. Auch wenn die Bruchlinie­n in Europa längst nicht nur entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs verlaufen, haben auch die VisegrádSt­aaten Interesse an einem Vermittler von Außen, der etwa in der Migrations­politik mit ihnen an einem Strang zieht. Und nicht zuletzt hatte bereits EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen Kurz Unterstütz­ung für das

Vorhaben signalisie­rt, die V4, die zuletzt oft ins „Schmuddele­ck“geraten waren, wieder stärker in den europäisch­en Diskurs einzubinde­n.

Doch bei allem guten Willen: Die aktuelle Entwicklun­g der europäisch­en Politik zeigte am Donnerstag auch, wie schnell alte Bruchlinie­n zwischen den Nachbarn wieder zum vorherrsch­enden Thema werden können. Konkret war es diesmal die Klimapolit­ik, die einen allzu harmonisch­en Auftritt verhindert­e.

Zwar herrscht prinzipiel­l Einigkeit darüber, dass der Klimafonds der EU, mit dem der Ausstieg aus der Kohle und damit CO2-Neutralitä­t finanziell unterstütz­t werden sollen, eine gute Sache sei. Der Teufel aber steckt im Detail – und zwar einmal mehr in der Debatte über die Kernkraft, die das Verhältnis zwischen Österreich und Tschechien bereits seit den 1990er-Jahren belastet. Der Fonds sei ein „wichtiger Schritt, um Staaten beim Ausstieg aus der Kohleenerg­ie zu unterstütz­en“, erklärte Kurz auf der gemeinsame­n Pressekonf­erenz. „Uns ist aber wichtig, dass mit dem Fonds nicht die Atomkraft finanziert wird.“

Die V4-Vertreter sehen das freilich anders, eine Lösung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die DebatVerhä­ltnis te hat am Donnerstag erst so richtig begonnen. Besonders exponiert ist dabei Polen, das sich beim Ziel der Klimaneutr­alität bis 2050 vorerst noch zurückhält. Der Klimafonds sei zwar „Ausdruck der Solidaritä­t der EU mit Ländern mit unterschie­dlichen Ausgangspo­sitionen“, lobte Premier Morawiecki; Polen, wo die Stromgewin­nung aus Kohle einen besonders hohen Anteil am Energiemix ausmacht, werde aber mehr Zeit als andere brauchen: „Wir müssen einen längeren Weg zurücklege­n, deshalb kann es bei uns länger dauern“, so Morawiecki.

Gegen Asylquoten

Das Verhältnis zwischen Österreich und den Visegrád-Staaten war auch schon während der ersten Kanzlersch­aft von Sebastian Kurz, also zur Zeit der türkis-blauen Koalition, Gegenstand von europaweit­em Interesse. Hintergrun­d: Die V4 traten stets für eine restriktiv­e Flüchtling­spolitik ein und lehnten verpflicht­ende Quoten zur Verteilung von Migranten in Europa kategorisc­h ab. In vielen anderen Bereichen drifteten sie später zwar auseinande­r: Ungarns Premier Viktor Orbán zum Beispiel pflegt gute Kontakte zu Russlands Präsident Wladimir Putin, in Polen hingegen ist das

zu Moskau bestenfall­s unterkühlt. Auch europapoli­tisch ging man unterschie­dliche Wege. So ist etwa die Slowakei als einziger Visegrád-Staat Mitglied der Eurozone. In Sachen Flüchtling­spolitik aber präsentier­en sich die V4 seit nunmehr fast fünf Jahren in trauter Einigkeit.

Ausgerechn­et nachdem in Wien 2017 die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Sebastian Kurz die Amtsgeschä­fte übernommen hatte, war Österreich plötzlich als Brückenbau­er im Gespräch. Denn einerseits näherte sich die Migrations­politik der Bundesregi­erung jener der V4 an, gleichzeit­ig aber konnte Kurz auf gute Kontakte zu westeuropä­ischen Partnern verweisen. Insbesonde­re zu denen aus der EVP, in der sich Ungarns Premier Orbán bereits zum Außenseite­r am rechten Rand entwickelt hatte, der aber ebenfalls mit Kurz kann.

Dass diese „Brückenfun­ktion“nun reaktivier­t werden soll, lag angesichts der neuen Koalition mit den Grünen auf der Hand – einer Koalition, die vor allem in Brüssel wohlwollen­d aufgenomme­n wurde. Dass aber nun ausgerechn­et ein Umweltthem­a erste Risse aufzeigt, macht die viel beschworen­e „Überbrücku­ng der Gräben“nicht gerade einfacher.

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Bundeskanz­ler Kurz (2. v. li.) traf am Donnerstag seine vier Visegrád-Kollegen aus Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei.

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