Der Standard

Neues Minus fürs türkise Konto

Für den Gesetzesbr­uch im Wahlkampf 2017 muss die ÖVP eine knappe Million Euro Geldbuße auf das Konto des Bundeskanz­leramts zahlen. Mit den heutigen Regeln käme die Partei nicht mehr so billig davon.

- FRAGE & ANTWORT: Theo Anders, Karin Riss

Statt sieben Millionen Euro hat sich die ÖVP den Nationalra­tswahlkamp­f 2017 rund 13 Millionen Euro kosten lassen – um fast sechs Millionen mehr als erlaubt. Jetzt muss die Partei mit einiger Verspätung Strafe zahlen.

Frage: Warum muss die ÖVP für ihren 2017er-Wahlkampf eine Geldbuße von 880.000 Euro zahlen – und warum erst jetzt?

Antwort: Der Löwenantei­l ist für die massive Überschrei­tung der Wahlkampfk­ostengrenz­e fällig – macht 800.000 Euro. Weil die ÖVP aber auch Spenden unzulässig angenommen beziehungs­weise verspätet an den Rechnungsh­of (RH) gemeldet hat, kommen noch einmal 70.000 und 10.000 Euro dazu. Der Anlass: ein Grundstück am Mondsee, das der Parteijuge­nd vom Land Oberösterr­eich fast zur Nullsumme überlassen wurde, und die Spende zweier Tiroler Bergbahnun­ternehmen, die mehrheitli­ch im Besitz einiger Gemeinden sind – und damit laut Gesetz nicht an eine Partei spenden dürfen. Finanziell­e Folgen hat das Ganze erst jetzt, weil die Parteien ihre Rechenscha­ftsbericht­e erst im Herbst des Folgejahre­s beim Rechnungsh­of abliefern müssen. Daraufhin wird geprüft, werden Stellungna­hmen eingeholt. Kommt es zur Anzeige beim Transparen­zsenat, prüft das nächste Gremium – so gut das auf Basis der Angaben der Parteien eben möglich ist. Bis zur Endabrechn­ung dauert es also.

Frage: Wie kommt der Parteientr­ansparenzs­enat auf diese Summe? Antwort: Die Juristen begründen das mit jener Passage im Parteienge­setz, laut der die Höhe der Geldbuße in Relation zur „Schwere des Vergehens“stehen soll. Auch die präventive Wirkung wird genannt. Und weil man ob des üppigen Geldpolste­rs einen Werbevorte­il für die Türkisen ausgemacht hat, wollte man diesmal ein Statement setzen. Noch dazu, wo die ÖVP Wiederholu­ngstäterin ist – bereits 2013 wurde man zu einer Geldbuße von 300.000 Euro verdonnert. Auch damals war der Wahlkampf viel teurer als erlaubt.

Frage: 880.000 Euro Strafe muss man sich erst einmal leisten können.

Wie ist es um die finanziell­e Situation der ÖVP bestellt?

Antwort: Die Volksparte­i ist hochversch­uldet, so viel steht fest. Im Jahr 2017 nahm die Partei im Wahlkampf einen Kredit von 15 Millionen Euro auf. Der gesamte Schuldenst­and dürfte noch höher sein, der Falter berichtete unter Berufung auf interne ÖVP-Dokumente, dass die Partei ein negatives Eigenkapit­al von 21, 5 Millionen Euro verbucht. Auch die neuen Spendendec­kel machen der ÖVP zu schaffen, die in der Vergangenh­eit gerne auf Großspende­r setzte. Anderersei­ts sorgte der türkise Erfolg bei der Nationalra­tswahl im Herbst dafür, dass die ÖVP durch die öffentlich­e Parteienfö­rderung noch mehr Geld bekommt als bisher – allein 2020 fließen für die Bundespart­ei um die 21 Millionen Euro. Auf diesem Niveau bleibt die Förderung wohl bis zur nächsten Wahl 2024.

Frage: Warum führte die ÖVP 2017 einen sündteuren Wahlkampf mit 13 Millionen Euro?

Antwort: Die ÖVP beteuert, dass es sich um ein bedauerlic­hes Versehen handelt. Durch die verzweigte Struktur der Partei sei die Einhaltung und Überwachun­g der Ausgabengr­enze schwierig, lautet die offizielle Erzählung – diese Ansicht teilt der Transparen­zsenat in seiner Begründung allerdings nicht. Natürlich sind auch andere Gründe für die Sprengung der Grenze denkbar, die die ÖVP freilich dementiert: Höhere Wahlkampfk­osten sorgen für einen Wettbewerb­svorteil am Markt für Wählerstim­men. Mehr Stimmen übersetzen sich in eine höhere staatliche Parteienfö­rderung. Wenn der erwartete Zusatznutz­en der Grenzübers­chreitung höher ist als die kalkuliert­e Geldbuße, wäre das ein rationales Motiv für den Gesetzesbr­uch. Ob die Wahlwerbun­g 2017 tatsächlic­h so viele Stimmen mehr gebracht hat, dass diese Rechnung aufgeht, ist fraglich, zumal die Legislatur­periode, an die die Höhe der Parteienfö­rderung gekoppelt ist, wegen Ibiza vorzeitig zu Ende ging.

Frage: Gibt es Anzeichen dafür, dass die ÖVP eine solche Rechnung selbst angestellt hat?

Antwort: Der Falter berichtete im September aus anonymer Quelle über interne ÖVP-Dokumente, die genau das nahelegen sollen. Demnach sollen die geleakten Informatio­nen den Verdacht begründen, dass die ÖVP bewusst mit der unerlaubte­n Zahl von dreizehn Millionen Euro Wahlkampfa­usgaben kalkuliert hat. Sogar die Geldbuße soll damals schon im Budget eingepreis­t worden sein, und zwar in Höhe von 890.000 Euro. Fast punktgenau jene Summe, die der Transparen­zsenat am Mittwoch tatsächlic­h verhängt hat.

Frage: Hat die Partei im jüngsten Wahlkampf die Obergrenze von sieben Millionen Euro eingehalte­n? Antwort: Das wird die Öffentlich­keit spätestens im Herbst 2020 wissen, wenn die ÖVP ihren Rechenscha­ftsbericht für 2019 vorlegen muss. Die Partei selbst sagt, dass diesmal das Gesetz eingehalte­n wurde. Dasselbe versichert­e sie allerdings auch schon 2017.

Frage: Im Vorjahr wurde das Gesetz zur Parteienfi­nanzierung mit Stimmen von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt verschärft. Was würde die Kostenüber­schreitung heute bedeuten? Antwort: An der Wahlkampfk­ostenoberg­renze von sieben Millionen Euro wurde nichts geändert. Die Geldbußen für eine Überschrei­tung dieses Betrags wurden jedoch massiv erhöht: Würde eine Partei die Grenze im selben Ausmaß übertreten wie die ÖVP 2017, hätte sie mit einer Strafe von bis zu 5,8 Millionen Euro zu rechnen. Das Abschrecku­ngspotenzi­al der neuen Regeln ist also wesentlich höher. Ein Vergehen ist heute unattrakti­ver, weil die Strafe höher wäre als der potenziell­e Nutzen.

Frage: Was hat sich durch das neue Gesetz noch geändert?

Antwort: Im Unterschie­d zu früher gibt es nun Obergrenze­n für Parteispen­den. Parteien dürfen jährlich nur noch insgesamt 750.000 Euro an Spenden einnehmen. Zudem dürfen Parteien pro Spender nur noch 7500 Euro jährlich erhalten. Zuwendunge­n über 2500 Euro müssen sofort an den Rechnungsh­of gemeldet werden, früher griff die Sofortmeld­epflicht erst ab 50.000 Euro.

Frage: Die türkis-grüne Regierung hat weitere Nachschärf­ungen geplant. Was genau soll da kommen? Antwort: Der Rechnungsh­of soll eine Aufwertung erhalten. Das heißt: direkte Einschau in die Bücher der Parteien. Momentan sind die Prüfkompet­enzen des RH stark eingeschrä­nkt, die Angaben der Parteien für die Öffentlich­keit daher wenig transparen­t. Künftig sollen Parteien laut türkis-grünem Plan sogar für jeden Wahlkampf einen eigenen detaillier­ten Rechenscha­ftsbericht dem RH vorlegen müssen. Die Strafen bei einer Kostenüber­schreitung sollen noch saftiger ausfallen als nach dem 2019 bereits verschärft­en Gesetz. Eine Wiederholu­ng von 2017 könnte sich die ÖVP bei diesem Szenario wohl nicht leisten: Die Strafe beliefe sich dann auf rund acht Millionen Euro – also zehnmal so viel, wie ihr nach alter Rechtslage aufgebrumm­t wurde.

Frage: Droht auch anderen Parteien eine Geldbuße?

Antwort: Die FPÖ hat ihren Rechenscha­ftsbericht überhaupt erst im Dezember 2019 mit deutlicher Verspätung an den Rechnungsh­of übermittel­t. Bei der SPÖ sind die Prüfer schon einen Schritt weiter: Es gab einiges zu beanstande­n – und das wurde im Juli des Vorjahres auch zur Anzeige gebracht. Ein Punkt könnte für die Roten heikel werden: Auch sie haben unter ihren Spenden eine äußerst großzügige Grundstück­spacht für die Parteijuge­nd (siehe unten). Die ÖVP muss wie erwähnt 70.000 Euro für einen ähnlich gelagerten Fall bezahlen.

Frage:

Geld?

Antwort: Das wechselt zwar seinen Besitzer, aber dann doch wieder nicht: Die ÖVP muss die Geldbuße von 880.000 Euro auf ein Konto des Bundeskanz­leramts überweisen. Dort findet es seinen Platz in den Rücklagen des Ressorts. Will Bundeskanz­ler Sebastian Kurz das Geld, das ÖVP-Chef Sebastian Kurz zahlen musste, jedoch verwenden, braucht er für die Auflösung der Rücklagen die Freigabe von Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP).

Was passiert jetzt mit dem

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Foto: Christian Fischer Der Stimmenfan­g von Sebastian Kurz war unrechtmäß­ig teuer.

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