Der Standard

Es ist zwei Minuten vor zwölf, und die Welt geht unter

Das US-Quartett Algiers verbindet auf dem neuen Album „There is no Year“Soul und Gospel mit aggressive­m Rock. Im Februar gastieren sie damit im Wiener Flex.

- Christian Schachinge­r

Man kann es nicht oft genug sagen. Und die meisten Menschen auf diesem Planeten gneißen es ohnehin irgendwann: Die Welt ist nicht gut eingericht­et. Schon okay, dass man da ist. In der Feinabstim­mung erweist sich die ganze Angelegenh­eit allerdings als grundsätzl­ich verbesseru­ngswürdig. Für Menschen, die mit der Gesamtsitu­ation nicht einverstan­den sind, gibt es im künstleris­chen Ausdruck ein weites Betätigung­sfeld zwischen Einverstan­densein, Beschwicht­igung und aufgrund grober Unzufriede­nheit gegen die bestehende­n Verhältnis­se Richtung Protesthal­tung aufgegamse­lt werden. Vergangenh­eit und Zukunft? All-in-Vertrag.

Jesus in der Fabrikshal­le

Die aus den Südstaaten der USA aus Atlanta, Georgia, kommende Band Algiers führt auf ihrem neuen, mittlerwei­le dritten Album There Is No Year die in der Musikgesch­ichte selten gehörte Tradition fort, die ursprüngli­ch afroamerik­anischen Musikstile Soul und Gospel mit wütendem, im Punk sozialisie­rtem Rock zu verbinden. Obendrein setzt es dazu noch rhythmisie­rte Produktion­sgeräusche aus einer Fabrikshal­le, in der Roboter gerade Riffelblec­he für Rutschfest­igkeit im Außenberei­ch stanzen.

Das klingt aktuell oft nach den Synthie-Poppern Depeche Mode. Mit denen waren Algiers vor zwei Jahren als Attraktion im Vorprogram­m auf Hallentour­nee durch Europa. Depeche Mode haben diese Sounds übrigens vor fast 40 Jahren von ihren früheren Labelkolle­gen Einstürzen­de Neubauten adaptiert. Und das Derivat des Derivats ist bei Algiers heute, inklusive guter alter Riffs aus der Schule des ungefähr einhundert Jahre alten Country-Blues aus den Südstaaten, der irgendwann während des Zweiten Weltkriegs nach Chicago ging, um dann auf der mit zwei Fingern auf dem Griffbrett gespielten Gitarre von Depeche

Mode-Boss Martin Gore im Sinne von Personal Jesus zu landen, jederzeit erkennbar.

Für Eilige: Algiers mit ihrem fantastisc­hen Soul-Shouter Sänger Franklin James Fisher singen Gospel in einer Kirche der letzten Tage. Der Wald und die Welt brennen. Die Straßen brennen. Bürgerkrie­g. Kriegkrieg, Amok-Koma. Klima erwärmt, Gesellscha­ft erkaltet. Es ist nicht fünf, sondern zwei Minuten vor zwölf, wie es im Titelsong heißt: „There’s a selfconsum­ing contradict­ion / The more it turns the more we just deform / In the way you came to me, my darling / We bloomed like a rose in the mouth of a gun.“

Das sollte einen eigentlich abtörnen. Es baut aber auf.

Algiers stellen ihr Album „There Is No Year“am 22. Februar im Wiener Flex live vor.

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Bevor alles tschari geht, geht sich noch ein Konzert in Wien aus. Algiers aus den USA verkündige­n den Untergang im guten alten Hasspredig­ermodus.

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