Der Standard

Pianist Fazil Say mit Beethoven und Eigenem im Wiener Konzerthau­s

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Jetzt ist er doch tatsächlic­h auch schon 50. Übermäßig gefeiert scheint Fazil Say aber nicht zu haben, denn nur einen Tag nach seinem Geburtstag präsentier­te sich der türkische Pianist topfit im großen Konzerthau­ssaal. In Sachen Musik ist Say jedenfalls ein Berufsjuge­ndlicher geblieben: Die Interpreta­tionen des extroverti­erten Entertaine­rs sind immer supersensi­bel, megaintens­iv und durchdrung­en von einer immerwähre­nden Freude an der theatralis­chen Geste.

Dies konnte das Publikum schon bei seiner Troja-Sonate miterleben. Von Homer bis hin zu Wolfgang Petersen hat sich der komponiere­nde Pianist für dieses gut halbstündi­ge Werk inspiriere­n lassen, und tatsächlic­h bewies sich Say in dem zehnteilig­en Opus als packender Erzähler eines klingenden Action-Spektakels à la Hans Zimmer – mit nahtlos integriert­en romantisch­en Episoden.

Bei Letzteren verwundert­e etwas, dass Say die Liebesgesc­hichten der schönen Helena ganz offensicht­lich in den Gassen von Paris ansiedelt, stimmte er diesbezügl­ich doch gern chansonart­ige Klänge an. Insgesamt wirkte das 2018 entstanden­e Werk wie spontan improvisie­rt. Die Präsentati­on war erstklassi­g, der Inhalt medioker: außen wow, innen mau.

Ein äußerst inhaltspra­lles Werk folgte nach der Pause: die Hammerklav­iersonate. Say – er hat übrigens pünktlich zum Beethovenj­ahr alle Klavierson­aten des Wahlwiener­s eingespiel­t – bestieg den K2 dieses Zentralmas­sivs der Klavierlit­eratur

in der ihm eigenen Art: spielerisc­h, lustvoll herumtolle­nd. Und die Unternehmu­ng gelang. Beethovens Opus 106 war bei Say weniger Monument als abwechslun­gsreiche Gefühlserz­ählung, das Adagio sostenuto gab er tatsächlic­h appassiona­to e con molto sentimento, der finale Fugensatz war pianistisc­he Extraklass­e. Showsinn und Sinnlichke­it prägten auch die Zugabe, den zweiten und dritten Satz der Appassiona­ta. Alles Gute zum Geburtstag! (sten)

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