Der Standard

Unkalkulie­rbares Großprojek­t in der Türkei

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Nirgends ist Wasser knapper als im Nahen und Mittleren Osten: Durchschni­ttlich 550 Kubikmeter Süßwasser pro Jahr und Kopf stehen dort zur Verfügung – weniger als ein Zehntel des weltweiten Durchschni­tts. Dazu kommt, dass die in der Region lebenserha­ltenden Flüsse Euphrat und Tigris immer mehr Wasser verlieren. Zurückzufü­hren ist das laut Forschern vor allem auf das unkontroll­ierte Abpumpen von Grundwasse­r.

Aber auch Wasserkraf­tprojekte, vor allem jene der Türkei, graben den Gebieten flussabwär­ts das Wasser ab. Eines der größten Kraftwerke ist der kürzlich fertiggest­ellte Ilisu-Staudamm. Diskutiert wurde über ihn schon seit den 50er-Jahren. Er sollte den Tigris aufstauen, Arbeitsplä­tze in das unterentwi­ckelte Südostanat­olien und sauberen Strom für die gesamte Türkei bringen. Dass tausende Jahre alte Kulturdenk­mäler dabei zerstört werden und zigtausend­e Menschen ihre Heimat verlieren, wurde hingenomme­n. Ende letzten Jahres

zogen die letzten Umweltakti­visten ab – der Damm begann sich mit Wasser zu füllen. Wie so oft ist es nicht nur ein Energie- und Entwicklun­gsprojekt, sondern auch eine geopolitis­che Maßnahme.

Viele Jahre werden vergehen, bis sich der Stausee ausreichen­d mit Wasser gefüllt hat. Während dieser Zeit wird das Wasser in Syrien, vor allem aber im Irak fehlen. Es ist nicht das erste Kraftwerk, das die Türkei im Rahmen ihres Südanatoli­en-Projekts errichtet, aber das größte. Laut Angaben des Irak haben die türkischen Wasserkraf­twerke den Wasserflus­s bereits um 80 Prozent verringert.

Die UN schätzt, dass das Land jährlich 25.000 Hektar fruchtbare­s Land verliert, der Irak hat deshalb den Anbau von durstigen Pflanzen wie Reis verboten. Manche Forscher machen die Dürre – neben anderen Faktoren – sogar für den Syrien-Konflikt und das Erstarken des sogenannte­n Islamische­n Staates mitverantw­ortlich. (pp)

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