Der Standard

Die Auferstehu­ng der Titanen

Es ist ein Comeback mit Seltenheit­swert. Schon im Oktober schienen die Tennessee Titans aus dem Rennen um die Superbowl zu sein. Dann tauschten sie den Quarterbac­k aus, nun läuft das Werkl wie geschmiert. Nach Siegen über die favorisier­ten Patriots und Ra

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Sie sind der Favoritens­chreck der amerikanis­chen Football-Profiliga NFL. Dabei ist es gerade einmal drei Monate her, dass die Titanen aus Tennessee noch am Boden lagen. Mit 0:16 waren sie gegen die Denver Broncos untergegan­gen, und Quarterbac­k Marcus Mariota wurde nach einer unsägliche­n Vorstellun­g degradiert. Die Saison der Titans schien den bekannt unspektaku­lären Verlauf zu nehmen. Playoffs? Um Himmels willen. Superbowl? Die Wahrschein­lichkeit lag bei einem Prozent.

Wenn am Sonntag die Conference Finals über die Bühne gehen, ist Tennessee aber noch immer mit dabei. Und die FootballWe­lt fragt sich: Wird im Halbfinale gegen die Kansas City Chiefs (21.05 Uhr, Puls 4, ProSieben) der nächste übermächti­ge Gegner gestürzt? „Nach all diesen richtig durchschni­ttlichen Jahren“, sagt Safety Kevin Byard mit einem Blick auf zehn Saisonen in Serie mit maximal neun Siegen, „glauben

wir inzwischen alle daran, dass wir wirklich jedes Spiel gewinnen können.“

Eine selbstbewu­sste Einschätzu­ng, die auch, aber nicht nur dem überrasche­nden Triumph beim Starteam der New England Patriots oder dem Coup bei den Baltimore Ravens, der besten Mannschaft der regulären Spielzeit, geschuldet ist. Vielmehr erntet der Verein nun die Früchte für einen Prozess aus überlegten Schachzüge­n und mutigen Entscheidu­ngen, der bereits im Sommer 2018 begonnen hatte.

Damals hat die Klubführun­g Mike Vrabel als neuen Cheftraine­r installier­t. Der 44-Jährige spielte zu seiner aktiven Zeit von 2001 bis 2008 unter einem gewissen Bill Belichick, der die Patriots gemeinsam mit Star-Quarterbac­k Tom Brady zum Serienmeis­ter formte. Nach der Laufbahn machte sich Vrabel zunächst als Defensivko­ordinator der Houston Texans einen Namen – und sagte nach dem knappen Verpassen der Playoffs in der Vorsaison, er würde sich „den Penis abschneide­n, um den Superbowl zu erreichen“.

Die große Chance

Seine mutigste Entscheidu­ng war nach vier Niederlage­n und nur zwei Siegen zu Saisonbegi­nn der Wechsel auf der wichtigen Spielmache­r-Position. Mariota, einst der beste Quarterbac­k auf dem College und auch deshalb im Draft an zweiter Stelle gezogen, hatte die Erwartunge­n nie erfüllen können. Ryan Tannehill, im Sommer als Back-up von den Miami Dolphins verpflicht­et, um Druck auf Mariota auszuüben, erhielt seine Chance. Und nutzte sie.

Tennessee gewann nicht weniger als neun der folgenden zwölf Spiele, darunter ebenjene in den Playoffs gegen die favorisier­ten Patriots und Ravens. Das wiederum lag auch an Runningbac­k Derrick Henry, dem mit 1,92 Meter ungewöhnli­ch großen Ballträger, der als erster Spieler in zwei PlayoffSpi­elen nacheinand­er mehr als 170 Yards erlief. „Wir wussten immer, dass er ein Biest ist“, schwärmt Linebacker Wesley Woodyard, „jetzt weiß es auch der Rest der Welt.“

Zum Rest der Welt zählen die Kansas City Chiefs, der nächste Gegner der Titans. Sie waren vor einer Woche abgeschrie­ben, als sie gegen Houston fast aussichtsl­os 0:24 zurücklage­n. Dann drehten Vorjahres-MVP Patrick Mahomes und seine Vorderleut­e auf, am Ende bejubelten die Chiefs ein 51:31. „Sie sind explosiv in der Offensive, athletisch, schnell, eine riesige Herausford­erung“, sagt Vrabel. Das ist sein Team mittlerwei­le aber auch – wer hätte das im Oktober gedacht? (sid, red)

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Mike Vrabel, der Chefcoach, führte die Wende herbei.

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