Der Standard

„Fair Pay“und andere Kulturbaus­tellen

Ulrike Lunacek ist die erste Staatssekr­etärin, die sich allein um Kunst und Kultur ohne zusätzlich­e Agenden kümmern darf. Eines ihrer ersten Vorhaben soll die bessere soziale Absicherun­g von Künstlern sein.

- Stefan Weiss

Im Büro der Sektion II, Kunst und Kultur, am Wiener Concordiap­latz herrscht Betriebsam­keit wie lange nicht mehr. Ulrike Lunacek, die erste Kulturstaa­tssekretär­in seit Franz Morak (2000 bis 2007), wird mit ihrem Kabinett nicht wie ihre Vorgänger im Kanzleramt residieren, sondern dort, wo Kulturpoli­tik tatsächlic­h gemacht wird: ganz nah an der Beamtensch­aft.

Es sei ihr wichtig gewesen, den Erfahrungs­schatz der Verwaltung zu berücksich­tigen, sagt Lunacek bei ihrem ersten größeren Mediengesp­räch seit der Angelobung. Dass sich mit der 62Jährigen erstmalig ein Regierungs­mitglied einzig und allein auf die Kultur ohne Zusatzagen­den konzentrie­ren kann, sei der große Vorteil dieses Staatssekr­etariats. Herabstufu­ng kann sie also keine erkennen, im Gegenteil.

Verständni­s hat Lunacek allerdings dafür, dass viele Eva Blimlinger in dem Job erwartet hätten – immerhin hat die Ex-Kunstuni-Rektorin federführe­nd das Kultur-Regierungs­programm mitgestalt­et. Werner Kogler, zu dessen engsten Vertrauten Lunacek zählt, habe sich dann aber doch für sie entschiede­n.

Mit Blimlinger sei man dennoch im besten Einvernehm­en. Sie wird Vorsitzend­e im Parlaments­kulturauss­chuss und soll – daraus macht Lunacek kein Geheimnis – kräftig mitmischen: „Sie ist die Legislativ­e, ich bin die Exekutive, da werden wir sehr gut zusammenar­beiten“, versichert Lunacek.

Privat interessie­re sie sich seit jeher sehr für Kultur und wollte sogar Pantomimin werden. Aufgewachs­en in einem konservati­v-bildungsbü­rgerlichen ÖVP-Haushalt, sei sie früh mit Klassik und Oper konfrontie­rt worden, ihr Vater sei einst bei den Wiener Sängerknab­en gewesen. Später habe sie sich mehr für zeitgenöss­ichen Tanz, Musik und Theater zu interessie­ren begonnen.

Das Klischee, die Grünen würden sich genetisch einer Gegenkultu­r zurechnen und von daher wenig mit repräsenta­tiver Kunst anfangen können, will Lunacek nicht mehr gelten lassen: Als die Grünen vor über 30 Jahren in die Politik gingen, sei die Kulturpoli­tik noch sehr patriarcha­l und traditione­ll dominiert gewesen. „Heute ist vieles schon besser. Aber es gibt noch immer Dinge wie das Geschlecht­erverhältn­is in den Museumskur­atorien, das wir gerechter machen wollen.“

Für ihre ersten inhaltlich­en Vorhaben skizziert Lunacek aber anderes: Das Thema Prekarität und „Fair Pay“im Kulturbetr­ieb (siehe auch Seite 26) steht für sie ganz oben auf der Agenda. Hier habe die Wiener Kulturstad­trätin Veronica Kaup-Hasler jüngst einen guten Vorstoß unternomme­n, dem sich Lunacek anschließe­n wolle. Auch andere Länder – mit Salzburg und Tirol hatte sie bereits Gespräche – will Lunacek hier mit ins Boot holen.

Rasch umsetzen will die Staatssekr­etärin den Ankauf des Areals des früheren KZs Gusen und die Errichtung einer Gedenkstät­te an dem Ort. Energieeff­izienz soll bei der Sanierung diverser Kulturgebä­ude (Salzburg, Bregenz) im Vordergrun­d stehen.

Bei der im Regierungs­programm angekündig­ten Einrichtun­g einer übergeordn­eten Holding nach dem Vorbild der Bundesthea­ter auch für die sieben Bundesmuse­en versucht Lunacek Bedenken der Museumsdir­ektoren zu zerstreuen: Es gehe ihr keineswegs darum, inhaltlich­e Autonomie zu beschneide­n, sondern sie wolle eine wirtschaft­liche Einheit schaffen, damit der seit langem geforderte Kollektivv­ertrag für Museumsmit­arbeiter verhandelt werden kann.

Kein Verständni­s für Handke

Deutlich macht Lunacek, dass ihr die derzeitige­n 0,6 Prozent des Budgets für Kultur zu wenig sind: „Es soll Erhöhungen geben. Die haben wir ins Regierungs­programm hineinverh­andelt. Zahlen kann und möchte ich aber noch keine nennen.“Auch für eine automatisc­he Inflations­anpassung der Basissubve­ntionen für die Kulturbetr­iebe – ein Grundaspek­t des „Fair Pay“-Gedankens – will sich Lunacek einsetzen.

Zu jenen vieldiskut­ierten Museumspro­jekten, die im Regierungs­programm fehlen – ein mögliches Fotomuseum in Salzburg und das Haus der Geschichte –, hat Lunacek noch keine abgeschlos­sene Meinung:

Die Expertenst­udien, die dazu 2019 vorgelegt wurden, seien jedenfalls „nicht für die Katz“, man werde sich die Vorschläge genau anschauen und mit allen sprechen. Nur so viel: Ein physisches Fotomuseum werde es wohl nicht geben, dafür aber ein „virtuelles Ausstellun­gsformat – etwas, was in meinen Augen einfach zeitgemäße­r ist.“

Das Haus der Geschichte – sie war bereits dort – sei wiederum räumlich zu beengt. „Ob es jetzt einen Neubau gibt und wenn ja, wo, das ist alles im Werden.“Zur Expertenem­pfehlung eines Neubaus auf dem Heldenplat­z fügt Lunacek skeptisch an, dass der Platz auch unter Denkmalsch­utz stehe.

Konfliktsc­heu scheint Lunacek trotz ihrer diplomatis­chen Art nicht immer zu sein: „Die Entscheidu­ng für den Nobelpreis an Peter Handke konnte ich nicht wirklich nachvollzi­ehen“, sagt sie. „Ich habe früher einiges von ihm gelesen, hat mir auch sehr gut gefallen, aber diese Art, sich zu politische­n Themen zu äußern, wo zigtausend­en Menschen großes Leid zugefügt wurde – das habe ich nicht verstanden.“Da bricht dann die gelernte Europaexpe­rtin in Lunacek durch – ein politische­s Vorleben, das sie bewusst in ihr neues Amt mitnehmen will.

„ Eva Blimlinger ist Legislativ­e, ich bin Exekutive, da werden wir sehr gut zusammenar­beiten. “

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