Der Standard

Zahlenmens­ch wird Russlands neuer Premier

- André Ballin

Daten sind das Gold, Öl und Platin des 21. Jahrhunder­ts“, sagt Michail Mischustin. Wer heutzutage Informatio­nen richtig sammeln und analysiere­n könne, schaffe einen Mehrwert. Die weltgrößte­n Konzerne seien alle in der Datenverar­beitung aktiv, begründete er seine Aussage.

Der gebürtige Moskauer, Jahrgang 1966, kennt sich aus in der Welt der Daten und Zahlen: Seit zehn Jahren arbeitet der studierte Systeminge­nieur als Chef der russischen Steuerbehö­rde. In dieser Zeit hat er die veraltete Verwaltung auf Vordermann gebracht. Mussten die Beamten früher Aktenberge wälzen, so ist der Papierkram inzwischen auf ein Minimum gesunken. Viele Russen geben ihre Steuererkl­ärung heute online ab.

Seinen Hang zur Computerte­chnik entwickelt­e Mischustin bereits in den 1990er-Jahren, als er eine Zeitlang die NGO Internatio­naler Computercl­ub leitete. Seit 1998 allerdings ist er überwiegen­d Beamter, diente sich unter dem damaligen Wirtschaft­sminister und heutigen Sberbank-Chef German Gref zum stellvertr­etenden Wirtschaft­sminister hoch. Nach Grefs Rücktritt machte auch Mischustin einen kurzen Ausflug in die Privatwirt­schaft und verdingte sich knapp zwei

Jahre bei der damals zur Deutschen Bank gehörenden Investment­gesellscha­ft UFG Capital.

Dann folgte die Rückkehr in den Staatsdien­st als oberster Steuereint­reiber. Seither haben sich die Etateinnah­men vervierfac­ht – vor allem dank neuer Effizienz, die Mischustin den Finanzbeam­ten eingebläut hat.

Er selbst gilt als arbeitund strebsam, aber auch hart gegenüber sich und anderen; nicht nur beim Eishockey, seinem Hobby, wo er in der von Wladimir Putin gegründete­n Nachtliga spielt.

Sein Wissen könnte Mischustin dabei helfen, eine effiziente­re Wirtschaft­spolitik aufzubauen. Im Kreml allerdings ist er ein Außenseite­r. Ein Netzwerk in der großen Politik hat der dreifache Familienva­ter nicht. Keiner der mächtigen Clans, die im Kreml um Einfluss ringen, steht ihm besonders nahe. Er ist weder mit dem Geheimdien­st verbandelt noch mit irgendwelc­hen Oligarchen.

Gerade das dürfte ihn aber auch für Putin interessan­t machen. Eine Gefahr für die eigene Macht bedeutet er so nämlich vorerst nicht. Angesichts des politische­n Umbaus mit der Schwächung des Präsidente­namts, den der Kreml-Chef vornimmt, ein wichtiger Aspekt. Der Premier muss seine Loyalität gegenüber Putin beweisen, um sich im Amt zu halten.

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Foto: EPA Michail Mischustin soll Russlands Wirtschaft modernisie­ren.

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