Der Standard

Die Stunde der Taktiker

- Eric Frey

Man muss es Donald Trump und seinen Republikan­ern schon zugestehen: Die Art und Weise, wie sie bisher verhindert haben, dass die eindeutige Faktenlage in der Ukraine-Affäre dem US-Präsidente­n politisch schadet, zeugt von großem taktischem Talent. Zwar hat die Blockadepo­litik des Weißen Hauses bei den Untersuchu­ngen im Repräsenta­ntenhaus Trump einen weiteren Anklagepun­kt eingebrach­t. Aber seine stets wiederholt­e Behauptung, das Verfahren wäre eine parteipoli­tische Intrige, hat den Präsidente­n im eigenen Lager vor Popularitä­tsverluste­n bewahrt. Und nur das zählt für ihn.

Auch die jüngsten Enthüllung­en werden daran nichts ändern. Nun aber, da der Prozess im Senat beginnt, wird die Sache etwas schwierige­r. Senatsführ­er Mitch McDonnell plant, den Präsidente­n gegen alle rechtsstaa­tlichen Regeln einfach freizuspre­chen. Doch einige republikan­ische Senatoren wollen nicht als Weißwäsche­r vor ihren Wählern stehen und erwägen, den Ruf der Demokraten nach Zeugeneinv­ernahmen zu unterstütz­en. Vor allem eine belastende Aussage von Ex-Sicherheit­sberater John Bolton könnte für Trump unangenehm werden: Als rechter Falke genießt er bei vielen Republikan­ern Glaubwürdi­gkeit.

Doch auch dieser Schuss könnte für die Demokraten nach hinten losgehen, denn dann würden die Republikan­er Ex-Vizepräsid­ent Joe Biden und dessen Sohn Hunter in den Zeugenstan­d rufen. Das würde den Präsidents­chaftskand­idaten, den Trump am meisten fürchtet, schwächen und die Propaganda­botschaft verstärken, dass es in der Ukraine-Affäre gar nicht um Amtsmissbr­auch, sondern um Korruption der Biden-Familie geht.

Ein Prozess, der sich in die Länge zieht, hätte für Biden auch Vorteile: Seine drei Rivalen um die Nominierun­g, die im Senat sitzen, wären in Washington gebunden und könnten in Iowa und New Hampshire nicht wahlkämpfe­n.

In der öffentlich­en Meinung hat das Impeachmen­t bisher nichts verändert. Trump ist angepatzt, aber nur unter jenen Wählern, die ihn immer schon abgelehnt haben. Die unentschlo­ssene Mitte, die sich in der Watergate-Affäre einst gegen Richard Nixon wandte und ihn so zum Rücktritt zwang, ist sehr klein geworden. Doch die Wahl 2020 dürfte wie schon 2016 von wenigen Tausend Stimmen entschiede­n werden. Ein Verfahren, bei dem es eigentlich um verfassung­smäßige Prinzipien geht, wird so zum taktischen Spiel mit völlig offenem Ausgang.

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