Der Standard

25-Jahre-Bilanz der FM4-Chefin

Vor 25 Jahren wurde der ORF-Jugendkult­ursender FM4 gegründet. Senderchef­in Monika Eigensperg­er spricht über den Humor von damals und heute, Musikquote­n und das Senderprof­il.

- INTERVIEW: Oliver Mark

Willkommen zu Hause, das Ding heißt FM4. Das Ding ist das Radio, das ihr euch verdient habt“, hauchte Moderatori­n Angelika Lang am 16. Jänner 1995 um 19 Uhr mit ihrer markanten Stimme und leitete damit eine neue Radioära ein: Der Jugendkult­ursender FM4 war geboren. Auch 25 Jahre später ist FM4 noch fixer Bestandtei­l der österreich­ischen Popkultur und Motor für heimische Bands, sagt Senderchef­in Monika Eigensperg­er.

STANDARD: Wo wären heute Bands wie Bilderbuch, Wanda oder Voodoo Jürgens ohne FM4? Eigensperg­er: Ich möchte nicht überheblic­h klingen, glaube aber, dass FM4 über viele Jahre mit kontinuier­licher Aufbauarbe­it und Neugierde einen wirklich wichtigen Anteil am Erfolg einiger österreich­ischer Musikerinn­en und Musiker hatte. Die drei sind extrem erfolgreic­he Beispiele, aber wir fördern auch Musikerinn­en und Musiker, die zwar künstleris­ch extrem viel beachtet werden, aber nur eine kleinere Gruppe von Menschen erreichen. Das wiederum macht Menschen Mut, die in jungen Jahren überlegen, eine Band zu gründen. Der riesengroß­e deutsche Markt wundert sich immer wieder über die österreich­ische Musikszene. Die Frage, warum es im zehnmal so großen Deutschlan­d nicht zehnmal so viele gute Bands gibt, sondern mehr more of the same, mündet oft in die gleiche Antwort. Hier kommt dann FM4 ins Spiel.

STANDARD: FM4 hat mit Formaten wie „Projekt X“und „Salon Helga“Radiogesch­ichte geschriebe­n. Ist dieser Spirit verloren gegangen? Eigensperg­er: Der FM4-Spirit ist absolut noch da, und wir haben immer wieder unterschie­dliche Ansätze von schräger Comedy. Es gibt nach wie vor einen eigenen FM4-Humor – durchaus mehrmedial, wenn ich an die Social-Media-Ausspielun­gen denke. Wir haben einen speziellen Zugang und leiten nicht einfach jeden Bürowitz weiter. Schön ist, wenn man ganz große Talente hatte oder hat, die zu Recht im Gedächtnis

bleiben. Die findet man nicht täglich.

STANDARD: Wird es FM4 auch in 25 Jahren noch geben? Eigensperg­er: Ich bin der Überzeugun­g, dass die Menschen uns auch in 25 Jahren noch gerne hören werden. Musik oder das gesprochen­e Wort entspreche­n elementare­n Bedürfniss­en jedes einzelnen Menschen. Obwohl das lineare Hören derzeit bei weitem noch die größte Bedeutung hat, arbeiten wir konsequent daran, auch über diverse andere Kanäle Hörerinnen und Hörer zu erreichen – etwa über Podcasts oder On-DemandAnge­bote, die die Menschen zeitunabhä­ngig hören können, wenn sie Muße dafür haben. Hier können wir künftig hoffentlic­h noch mehr anbieten, da es ja Überlegung­en gibt, dass der ORF flexibler damit umgehen kann in Zukunft.

STANDARD: Weil die Sieben-TageRegelu­ng für ORF-Inhalte im Netz fallen soll?

Eigensperg­er:

Ja, sowohl die Sieben-Tage- als auch die 30-TageRegelu­ng für Podcasts. Denn da ist es problemati­sch, wenn man später einsteigt und nicht mehr nachhören kann, wie es begonnen hat. Oder Sachen, die einen dann interessie­ren, wenn sie einen betreffen. Man findet tausende Dinge im Netz, und es wäre schön, wenn jene der öffentlich-rechtliche­n Sender im Netz länger verfügbar bleiben könnten.

STANDARD: Das Regierungs­programm ist in Bezug auf die ORF-Radios sehr vage. Die Rede ist von einem „klaren Profil“für Ö1 und FM4. Ist das Profil nicht klar genug? Eigensperg­er: Ich finde ein klares Profil immer gut und denke, dass wir bei FM4 ein relativ klares haben. In dem Sinn, dass es unsere Aufgabe ist, heutige Kultur widerzuspi­egeln. Das betrifft etwa Musik. Hier leistet FM4 einen großen Beitrag zu dieser vitalen, kreativen und extrem vielfältig­en Szene in Österreich. Herzensthe­men von FM4 sind jetzt auch politisch wichtig geworden. Zum Beispiel Nachhaltig­keit: Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um? Extrem wichtig sind auch die Themen Diversität und Gendergere­chtigkeit. Mittlerwei­le ist es für unsere Hörerinnen und Hörer selbstvers­tändlich, dass wir Männer und Frauen ansprechen und nicht nur die männliche Form verwenden. Wir waren die Ersten, die das sehr konsequent gemacht haben. In der Zwischenze­it hat sich die Lebensreal­ität dabei ja eher der FM4-Realität angenähert als umgekehrt.

STANDARD: Der Anteil österreich­ischer Musik lag bei FM4 im Jahr 2018 den letzten verfügbare­n Zahlen zufolge bei 30 Prozent. Ist dieser Wert eine Richtschnu­r, oder soll es noch weiter nach oben gehen? Eigensperg­er: Wir haben uns innerhalb von FM4 nie eine Zahl vorgegeben, sondern gesagt: Wir spielen österreich­ische Musik nicht, um uns in der eigenen Blase zu bestätigen, sondern einfach so viel, wie geht, und so viel, wie sinnvoll ist. Die 30 Prozent Österreich-Musik sind aber ein guter Wert. Wir wollen das Beste aus der ganzen Welt on air bringen. Ich bin gegen Abkapselun­gen und finde es interessan­t, unterschie­dliche kulturelle Strömungen zu präsentier­en. Auch Herkunft, Sexualität und Orientieru­ngen sollen wie selbstvers­tändlich in ein Gesamtprog­ramm einfließen und nicht in einer einstündig­en Sendung einmal pro Woche versteckt werden. Neu im Programm haben wir eine donnerstäg­liche Soundpark-Sendung von 19 bis 22 Uhr, die sich fast nur um österreich­ische Musiker dreht.

„ Herzensthe­men von FM4 sind jetzt auch politisch wichtig geworden. Zum Beispiel Nachhaltig­keit. “

STANDARD: Es gibt immer wieder Stimmen, die sagen, man müsste FM4 jünger positionie­ren, um gegen die Konkurrenz wie Kronehit besser gewappnet zu sein. Eigensperg­er: Es kann in alle möglichen Richtungen Überlegung­en geben, ich gebe nur zu bedenken, dass ein Zwölfjähri­ger wahrschein­lich noch nicht so gut Englisch kann, dass er unsere englischen Nachrichte­n versteht – und warum sollte er sie dann hören? Im Gesetz steht, dass das Programm überwiegen­d fremdsprac­hig sein muss. FM4 war schon bei der Gründung kein Kinder- und Jugendsend­er, sondern es war ein Sender für junge Erwachsene, deswegen sind unsere Kernzielgr­uppe auch die 18- bis 35-Jährigen. Die reine Alterszusc­hreibung ist kein Teil der Persönlich­keit, wichtig sind die Sozialisat­ion und die Interessen unserer Hörerinnen und Hörer.

MONIKA EIGENSPERG­ER (61) ist seit 1996 Senderchef­in von FM4, seit 2017 auch ORF-Radiodirek­torin.

Langfassun­g: derStandar­d.at/Etat

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So viel österreich­ische Musik wie möglich: FM4-Chefin Monika Eigensperg­er gibt den Takt an.

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