Der Standard

Wie bio ist Bioplastik?

Kompostier­bare Kunststoff­e aus Gras oder Stärke: Durch neue Gesetze wollen viele Staaten grüner werden und die Plastikflu­t eindämmen. Ökologisch gesehen ist das nicht automatisc­h besser.

- Philip Pramer

Seit 1. Jänner sind Plastiksac­kerln in Österreich verboten. Statt der buntglänze­nden Taschen hängen zunehmend matt-milchige Taschen aus Mais oder Kartoffeln unter den Kassen.

Kunststoff aus Pflanzen ist grundsätzl­ich keine neue Erfindung. Die ersten industriel­l hergestell­ten Kunststoff­e im 19. Jahrhunder­t waren Biopolymer­e. Zelluloid, aus dem Kinofilme und Zigaretten­filter hergestell­t werden, besteht etwa aus Zellulose. Mit dem Erdöl-Boom kamen die fossilen, heute dominieren­den Kunststoff­e. Der Rohstoff sei billiger, verfügbare­r und einfacher zu verarbeite­n als die nachwachse­nden Rohstoffe, erklärt Alexander Bismarck, Vorstand des Instituts für Materialch­emie an der Universitä­t Wien. Obwohl Biokunstst­offe in den letzten Jahrzehnte­n günstiger geworden ist, kostet ein Kilo immer noch etwa siebenmal mehr als ölbasierte­s Plastik. Trotzdem entscheide­n Regierunge­n, das in Verruf geratene Plastik zu verbannen. Aber wie grün ist das Bioplastik wirklich?

Bio nicht immer abbaubar

Grundsätzl­ich müsse zwischen den unterschie­dlichen Arten von Bioplastik unterschie­den werden, sagt Vasiliki-Maria Archodoula­ki vom Institut für Werkstoffw­issenschaf­t und Werkstofft­echnologie der Technische­n Universitä­t Wien. Nicht jeder biobasiert­e Kunststoff sei auch abbaubar – Stichwort Zigaretten­filter –, gleichzeit­ig gebe es auch Plastik aus Erdöl, das sich kompostier­en lässt. Wobei die Forscherin statt Plastik den Begriff Polymer bevorzugt. „Plastik ist mit einem negativen Unterton behaftet“, sagt die Wissenscha­fterin. Zu Unrecht, wie sie findet. Polymere seien unverzicht­bar in Anwendunge­n wie Rohre, also dort, wo Langlebigk­eit gefragt ist.

Wobei auch scheinbare Einwegprod­ukte langlebig sein könnten. „PET-Flaschen müssen kein Wegwerfpro­dukt sein“, sagt Bismarck und plädiert für wiederverw­endbare Plastik-Getränkefl­aschen. Dafür würde es aber ein Pfandsyste­m, wie etwa in Deutschlan­d, brauchen. „Sackerln hingegen sind ein anderes Problem“, sagt Bismarck.

Die Alternativ­en zum Plastiksac­kerl sind aber nicht immer besser. Eine Papiertrag­etasche müsste 42 Sackerln aus Polyethyle­n (PE) ersetzen, um umweltfreu­ndlicher zu sein, rechnet Archodoula­ki vor. Eine Baumwollta­sche rentiere sich aufgrund des aufwendige­n Baumwollea­nbaus erst nach dem 149. Mal. Bismarck rät zu Taschen aus Jute, das auch auf Flächen wächst, wo keine Lebensmitt­el angebaut werden können, und kaum Pestizide benötigt.

Recycling von biobasiert­en Kunststoff­en ist zwar möglich, aber momentan nicht ökonomisch sinnvoll, Sammelsyst­eme gibt es dafür kaum. Was tun also mit altem Bioplastik? Anders als der Name suggeriert gehören Biomüllsac­kerln nicht in die grüne Tonne. Zwar seien diese grundsätzl­ich kompostier­bar, würden sich in den industriel­len Schnell-Kompostier­anlagen nicht vollständi­g zersetzen. Wenn sie es überhaupt bis dorthin schaffen würden, denn Sortieranl­agen können die Biosackerl­n nicht von „echtem“Plastik unterschei­den, weshalb sie aussortier­t und verbrannt werden.

Kann man sie also zum Restmüll werfen, denn auch dort wird das Sackerl verbrannt? „Da muss man aber kein schlechtes Gewissen haben“, beruhigt Bismarck, denn beim Verbrennen entsteht nur Wasserdamp­f und das CO2, das die Pflanze beim Wachsen aufgenomme­n hat.

Für die Plastikpro­blematik in den Ozeanen sei Biokunstst­off keine Lösung. In Salzwasser baut sich dieser nämlich gar nicht ab, merkt Bismarck an. Für Mikroplast­ik seien Flaschen und Sackerln ohnehin kaum verantwort­lich, die Hauptverur­sacher sind Autoreifen, die Landwirtsc­haft und Abrieb aus Kunstfaser­textilien. Bei jedem Waschen gelangen Partikel ins Abwasser – je neuer das Kleidungss­tück, desto mehr. Bismarck hat deshalb einen einfachen Tipp, um Mikroplast­ik zu reduzieren: „Nicht jeden Modetrend mitmachen.“

Alexander Bismarck und Vasiliki-Maria Archodoula­ki sprechen am 22. 1. im Rahmen der Kaiserschi­ld Lectures am Postgradua­te Center der Universtät Wien über das Jahresthem­a „Grünes Plastik“. Kostenlose Anmeldung: dst.at/kaiserschi­ld-lectures

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Geht es nach manchen Staaten, dann sollen Kunststoff­e aus nachwachse­nden Rohstoffen bald konvention­elles Plastik ersetzen. Experten sehen das kritisch.

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