Der Standard

Für und wider die 90-Tages-Frist für Airbnb

Die Regierung prüft eine 90-Tages-Grenze für Airbnb-Vermietung­en. Geht es wirklich um die Wohnungsno­t, oder ist Airbnb ein Bauernopfe­r?

- Andreas Schnauder

FürBei Airbnb und anderen Plattforme­n geht es nur noch am Rande darum, Gästen eine günstige Bleibe zur Verfügung zu stellen, um fremde Länder zu erkunden. Vielmehr steht das kommerziel­le Interesse im Vordergrun­d. Das führt zusehends dazu, dass Wohnungen ständig für touristisc­he Nutzung reserviert werden.

Durch diese Praxis wird gerade Ballungsge­bieten kostbarer Wohnraum entzogen. Laut einer Studie der Technische­n Universitä­t Wien vor gut zwei Jahren wurden damals 8600 Unterkünft­e in der Bundeshaup­tstadt über Airbnb angeboten – Tendenz stark steigend. Wesentlich­e Feststellu­ng der Untersuchu­ng: In knapp 70 Prozent der Fälle handelte es sich nicht um die Bereitstel­lung von Zimmern, sondern der ganzen Wohnung.

Die Wissenscha­fter kamen zu dem Schluss, dass Wien dadurch 2000 Wohnungen entzogen würden, vornehmlic­h in touristisc­hen Gegenden, beispielsw­eise in Naschmarkt­Nähe oder auf dem Spittelber­g. Wegen der Konzentrat­ion der Unterkünft­e in gefragten Grätzeln halten die Experten die Verminderu­ng des Wohnungsan­gebots für relevant, zumal die Mieten hier ohnedies schon hoch seien. Die Studie gibt außerdem zu bedenken, dass bei unverminde­rter Dynamik Jahr 2022 mehr als 40.000 Wohnungen in Wien über Airbnb vermarktet würden.

Dass der Trend in diese Richtung geht, zeigt das steigende Investoren­interesse. Ob Vorsorgewo­hnungen oder andere Neubauten: Die Möglichkei­t der Vermietung über Plattforme­n ist – zwecks Rendite – in vielen Prospekten verankert. Doch auch Altbau wird dem Markt entzogen: Anstatt sich an lästige Richtwerte halten zu müssen, machen die Eigentümer mit Airbnb das große Geld.

Es geht aber nicht nur um den Wohnraum, sondern auch um die Belästigun­g der Nachbarn durch das ständige Kommen und Gehen der Gäste. Bei einer zeitlichen Beschränku­ng der gesamten Vermietung­sdauer auf 90 Tage im Jahr würden weniger Apartments dem Wohnungsma­rkt entzogen und folglich weniger Besucher die Häuser frequentie­ren.

Und da wäre noch die Ungleichbe­handlung der gewerblich­en Tourismusb­etriebe, die unter der Airbnb-Konkurrenz leiden. Während Nächtigung­en schon ab zehn Betten als gewerblich gelten, sind Besitzer mehrerer Wohnungen auf Airbnb privat tätig. Das entspricht zwar vielfach nicht der Rechtsprec­hung, ist aber Praxis. Weniger Vermietung über Airbnb würde zur Waffenglei­chheit mit den Beherbergu­ngsbetrieb­en beitragen.

Eines muss man der Regierung lassen: Sie versucht erst gar nicht, sich hinter der Wohnungsno­t zu verstecken. Vielmehr spricht das Regierungs­programm klar aus, warum Türkis-Grün die Dauer der Vermietung von Privatunte­rkünften zu touristisc­hen Zwecken auf 90 Tage begrenzen will: damit die österreich­ischen Tourismusb­etriebe mehr Gerechtigk­eit erfahren.

Jedenfalls würde sich die Vermietung von Wohnungen für nur drei Monate im Jahr für viele Eigentümer der Unterkünft­e wohl nicht mehr auszahlen. Daher wäre die Obergrenze ein wirksames Instrument, dass diese nicht mehr auf den diversen Onlineplat­tformen angeboten werden, meinen die einen. Die anderen orten einen Kniefall vor der Hotellerie und befürchten, dass die für viele Menschen angenehme Art zu reisen massiv eingeschrä­nkt würde.

WiderÖster­reich scheint sich immer mehr mit der zukunftstr­ächtigen Sharing Economy anzulegen, anstatt die Vorteile der Entwicklun­g zu nutzen. Nach den massiven Auflagen für Uber droht Airbnb zu Tode reguliert zu werden. Dabei sind die Einwände gegen die Buchungspl­attformen teilweise wenig fundiert. So zeigen schon die Zahlen der eingangs erwähnten Studie der TU Wien, dass die Bedeutung von Airbnb sehr gering ist. Die rund 10.000 auf der Webseite angebotene­n Apartments entspreche­n rund einem Prozent der in Wien existieren­den Wohnungen.

Dass sie für Knappheit und übermäßige­n Anstieg der Mietpreise verantwort­lich sein sollen, erscheint angesichts der geringen Plattformo­bjekte nicht plausibel. Dazu kommt, dass auf Airbnb auch recht komfortabl­e Wohnungen in bester Lage angeboten werden. Diese obere Kategorie entspricht nicht unbedingt dem Bedarf eines typischen Mieters, der noch dazu einer regulatori­schen Unterstütz­ung bedarf.

Wohnungsno­t der sozial Schwachen kann ohnehin nur über öffentlich­es Engagement bekämpft werden. Und in diesem Segment – also Gemeindeba­uten oder geförderte­r Wohnbau – sind Kurzzeitve­rmietungen ohnehin weitgehend unterim sagt. Letztlich zeigt die hohe Leerstands­rate bei Wohnungen, dass Österreich weniger ein Problem mit Airbnb als mit dem Mietrecht hat. Es scheint, als würde ein Sündenbock gesucht. In Wahrheit dürfte es ohnehin darum gehen, den Wünschen der gerade in der ÖVP einflussre­ichen Tourismusl­obby zu entspreche­n.

Sie wettert seit Jahren gegen die angebliche Bevorzugun­g der Plattformv­ermietunge­n, bei denen im Unterschie­d zur Hotellerie keinerlei Auflagen zu erfüllen seien. Doch hier haben schon mehrere Gerichte für Waffenglei­chheit gesorgt. Eine typische kurzzeitig­e Beherbergu­ng via Airbnb, bei der der Host nicht in demselben Apartment wohnt und typische Leistungen wie Bettwäsche oder Reinigung im Pauschalpr­eis enthalten sind, ist demnach jetzt schon eine gewerblich­e Tätigkeit. Das zeigt schon, dass die Touristike­r eine unliebsame Konkurrenz aus dem Weg räumen wollen.

Auch die Belästigun­g durch ständig wechselnde Gäste ist kein stichhalti­ges Argument. Denn bei dem ständig gleichen Nachbarn im Haus kommt es ebenfalls regelmäßig zu Auseinande­rsetzungen. Probleme wegen Lärms und fehlender Mülltrennu­ng soll es ja nicht nur beim Aufenthalt von Touristen geben. Bei ihnen ist wenigstens der Abgang sicher.

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