Die „Prinzessin“von Angola
Zumindest Feigheit kann man Isabel dos Santos nicht vorwerfen. Als sich über ihr ein Gewitter von einer Kraft zusammenbraute, wie man es selbst in ihrer angolanischen Heimat nicht oft sieht, trat sie die Flucht nach vorn an – und kündigte an, als Präsidentschaftskandidatin anzutreten. An Chuzpe mangelt es der reichsten Frau Afrikas also nicht.
Dass es tatsächlich dazu kommen wird, ist aber unwahrscheinlich. Denn beliebt ist die 46Jährige zu Hause keineswegs; auch wenn man sie dort gemeinhin die „Prinzessin“nennt, das ist jedoch eher bitter gemeint. Denn die Angolaner wissen schon lange, was jetzt im Zug der „Luanda Leaks“öffentlich wurde: dass die älteste Tochter des Ex-Präsidenten Eduardo dos Santos ihren immensen Reichtum Korruption und Betrügerei verdankt.
Schon als Mädchen kamen Isabel ihre Privilegien zugute. Während der Rest der Bevölkerung einen der brutalsten Bürgerkriege Afrikas über sich ergehen lassen musste, setzte sich ihre russische Mutter mit ihr nach London ab, wo sie in den Genuss einer hervorragenden Ausbildung, zuletzt als Ingenieurin am King’s College, kam. Sie wurde zur vielsprachigen Jetsetterin, der sich später überall Türen öffneten: außer zu Hause – unter Papas eigennütziger Förderung – auch in der ehemaligen Kolonialmacht Portugal, in London, in Moskau.
Vater Eduardo habe Angola „wie seine Farm“behandelt, sagt der angolanische Menschenrechtler Salvador Freire: Er kannte keine Skrupel, seiner Tochter per Dekret die Filetstücke der Wirtschaft zukommen zu lassen und seinen Sohn zum Generaldirektor der Staatsfonds zu erklären. Wer in der ehemaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan studiert hat und zu Hause wie ein Zar regierte, fand das womöglich selbstverständlich. Auch die Prinzessin wurde von keinen Skrupeln geplagt: Ihre erste Million machte sie noch während des Bürgerkriegs mit einem Nachtclub im Vergnügungsviertel der Hauptstadt Luanda.
Nun sieht sich die „Prinzessin“selbst als Opfer und klagt über eine politische Hexenjagd, die der Nachfolger ihres 38 Jahre lang regierenden Papas losgetreten habe. Dabei wolle João Lourenço doch nur seine eigenen Leute und Töchter in die entscheidenden Positionen bringen. Ihre einzige Chance sieht Isabel dos Santos darin, selbst Präsidentin zu werden: „Führen heißt dienen“, übt sie sich in TV-Interviews bereits im Politiker-Sprech. Auf dieses Motto wäre sie besser schon früher gekommen.