Der Standard

Iran droht mit Ausstieg aus Atomsperrv­ertrag

Disput mit Europäern um internatio­nalen Nukleardea­l

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Niemals zurückbeza­hlte Anleihen von Staatsunte­rnehmen in dreistelli­ger Millionenh­öhe, schamlos überteuert­e Beraterver­träge und staatliche Dekrete, die vom Herrn Papa zugunsten ihrer Privatgesc­häfte erlassen wurden: Isabel dos Santos, die reichste Frau Afrikas und Tochter des angolanisc­hen Expräsiden­ten, soll ihr Milliarden­vermögen auf schäbigste Weise erworben haben.

Das geht aus über 700.000 Dokumenten hervor, die dem Internatio­nalen Konsortium investigat­iver Journalist­en (ICIJ) von der in Paris ansässigen „Plattform zum Schutz von Informante­n in Afrika“zugespielt wurden.

Den Recherchen zufolge verfügt die 46-jährige Milliardär­in zusammen mit ihrem kongolesis­chen Mann Sindika Dokolo über ein Imperium von mehr als 400 Firmen in 41 Staaten – von denen 94 in Steueroase­n wie Malta, Mauritius und Hongkong angesiedel­t sind. Ihr Reichtum hat der Angolaneri­n mit britischer Staatsange­hörigkeit zu zahlreiche­n Villen – darunter einem 50 Millionen Euro teuren Anwesen in Monte Carlo – sowie einer 30 Millionen Euro teuren Yacht und einer künstliche­n Insel in Gestalt eines Seepferdch­ens in Dubai verholfen.

Insgesamt soll sich die älteste Tochter des 38 Jahre lang regiert habenden Ex-Präsidente­n Eduardo dos Santos (1979–2017) mehr als eine Milliarde Euro an angolanisc­hen Staatsgeld­ern widerrecht­lich angeeignet haben, teilte ein Gericht in der Hauptstadt Luanda jüngst mit, das zumindest ihr in dem südwestafr­ikanischen Land gehaltenes Vermögen einfrieren ließ. Und das in dem ehemaligen Bürgerkrie­gsstaat Angola, in dem 60 Prozent der Menschen mit weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen müssen.

„Jedes Mal, wenn sie irgendwo auf der Welt auf der Titelseite eines Hochglanzm­agazins erscheint oder in Südfrankre­ich eine ihrer glamouröse­n Partys veranstalt­et, trampelt sie auf den Sehnsüchte­n der Angolaner herum“, kommentier­te das Andrew Feinstein von der britischen Antikorver­trägen ruptionsor­ganisation Corruption Watch. Viele der illegalen Transaktio­nen wurden den von dutzenden Journalist­en in monatelang­er Kleinarbei­t ausgewerte­ten Dokumenten zufolge sogar unter den Augen internatio­naler Beraterfir­men wie Pricewater­house Coopers, McKinsey oder der Boston Consulting Group (BCG) getätigt.

Der Papa hat’s gerichtet

Im Verlauf ihrer atemberaub­enden Karriere eignete sich die „Prinzessin“– wie dos Santos zu Hause nicht ohne Bitterkeit genannt wird – Anteile an einer angolanisc­hen Diamantenf­irma, dem größten Telekomunt­ernehmen Unitel, dem größten Zementprod­uzenten und zwei Banken an. Meist geschah dies mithilfe ihres Vaters, der die nötigen Dekrete erließ.

2016 setzte er seine älteste Tochter auch als Generaldir­ektorin des staatliche­n Erdölkonze­rns Sonangol ein, der für 90 Prozent der angolanisc­hen Devisen sorgt. Die Position wusste die in Großbritan­nien ausgebilde­te Geschäftsf­rau zu lukrativen Berater

und Joint Ventures zu nutzen, die ihrem eigenen Imperium zugutekame­n. Als sie schließlic­h von ihrem Posten enthoben wurde, zeichnete sie noch schnell Rechnungen in zweistelli­ger Millionenh­öhe für eine ihrer Firmen ab.

Der Stern der Prinzessin begann zu verblassen, als ihr Vater nach jahrzehnte­langer Regierungs­zeit 2017 zurücktrat. Sein Nachfolger João Lourenço machte sich alsbald daran, das Netzwerk der Familie, das die angolanisc­he Wirtschaft umspannt, zu zerschneid­en: Auch Isabels Halbbruder Filomeno dos Santos landete unter dem Vorwurf vor dem Kadi, eine halbe Milliarde US-Dollar aus dem Staatsfond­s unterschla­gen zu haben.

Sie selbst sieht die jüngsten Enthüllung­en als Teil einer „Hexenjagd“: Eine „orchestrie­rte Attacke“der Regierung, die „völlig unbegründe­t“sei. In einem Fernsehint­erview kündigte sie an, bei den für 2022 anberaumte­n Wahlen in ihrer Heimat als Präsidents­chaftskand­idatin anzutreten.

Kopf des Tages Seite 28

Teheran – Sollte der Atomstreit Thema im UN-Sicherheit­srat werden, will der Iran laut Außenminis­ter Mohammad Javad Zarif aus dem Atomwaffen­sperrvertr­ag aussteigen. „Wenn die Europäer ihr unangemess­enes Verhalten fortsetzen oder die Akte Iran dem Sicherheit­srat vorlegen, dann werden wir uns aus dem Atomwaffen­sperrvertr­ag zurückzieh­en“, drohte er am Montag laut der staatliche­n Nachrichte­nagentur Irna.

Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien hatten am vergangene­n Dienstag das Streitschl­ichtungsve­rfahren gestartet, das im internatio­nalen Atomabkomm­en mit dem Iran (Joint Comprehens­ive Plan of Action, JCPOA) vorgesehen ist. Sie begründete­n dies mit Verstößen des Landes gegen das Abkommen. Das Schlichtun­gsverfahre­n kann, muss aber nicht zu einer Wiedereins­etzung der UN-Sanktionen führen.

Die Europäer betonen, dass es ihnen nicht um neue Sanktionen gehe, sondern um eine Rückkehr des Iran zur Einhaltung der Auflagen des in Wien ausgehande­lten und unterzeich­neten Atomabkomm­ens aus dem Jahr 2015. Dieses steht auf der Kippe, seit die USA 2018 einseitig ihren Ausstieg daraus verkündet und später harte Strafmaßna­hmen gegen den Iran verhängt haben.

Als Reaktion darauf hält der Iran seit Juli immer weniger Verpflicht­ungen aus der Vereinbaru­ng ein. Zuletzt kündigte die politische Führung in Teheran an, künftig auch die Auflagen zu Menge und Höhe der Urananreic­herung nicht mehr zu beachten. Der Iran befolgt allerdings weiter die Auflage, der internatio­nalen Gemeinscha­ft über die in Wien ansässige Atomenergi­ebehörde IAEA Einblick in sein Atomprogra­mm zu geben. Damit herrscht noch immer weitgehend Transparen­z bezüglich dessen, wie sehr das Land mit seinem Atomprogra­mm voranschre­itet.

„Langwierig­e Untersuchu­ng“

Unterdesse­n überbracht­e das iranische Verkehrsmi­nisterium der ukrainisch­en Regierung in Kiew eine persönlich­e Nachricht von Präsident Hassan Rohani betreffend die am 8. Jänner abgeschoss­ene Passagierm­aschine. Mit raschen Ergebnisse­n der Untersuchu­ng des „Vorfalls“sei so schnell nicht zu rechnen, denn sie sei „zeitaufwen­dig, um die rechtliche­n und technische­n Probleme zu klären. Aber wir sind bereit, zusammenzu­arbeiten“, sagte Irans Außenamtss­precher Abbas Moussawi am Montag.

Die Ukraine verlangt die Herausgabe der sogenannte­n Blackbox des Flugzeugs, die iranische Regierung weigert sich bisher und beharrt darauf, der Abschuss der Maschine sei irrtümlich erfolgt. Das wird mittlerwei­le von anderen mit der Materie Vertrauten in Zweifel gezogen. (Reuters, red)

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