Der Standard

Senator Salvini droht Verlust der Immunität

2019 hinderte der damalige Innenminis­ter Matteo Salvini tagelang Seenotrett­er und Flüchtling­e daran, an Land zu gehen. Darauf folgte ein Justizstre­it, der nun den Wahlkampf in zwei italienisc­hen Regionen überschatt­et.

- Dominik Straub aus Rom

Matteo Salvini hat sich für seine Wahlkampfa­uftritte eine neue Pose ausgedacht: Er streckt die Arme aus und kreuzt die Handgelenk­e. Es handelt sich um die symbolisch­e Aufforderu­ng, ihm Handschell­en anzulegen. So tat er es im Fernsehen auch am Montag, kurz bevor im Senat der zuständige Ausschuss über die Aufhebung der parlamenta­rischen Immunität des Senators und ehemaligen Innenminis­ters entscheide­n sollte. Der Kommentar des Lega-Chefs: Giovannino Guareschi, der berühmte Autor der Don Camillo-Bücher, habe einmal gesagt, „dass man für die Freiheit manchmal auch ins Gefängnis gehen müsse. Ich bin bereit dazu!“

Salvini wird bereits zum zweiten Mal vorgeworfe­n, sich mit der gegen Seenotrett­er gerichtete­n „Politik der geschlosse­nen Häfen“strafbar gemacht zu haben: Das für die Behandlung von Delikten von Regierungs­mitglieder­n jeweils ad hoc geschaffen­e Ministertr­ibunal legt Salvini Freiheitsb­eraubung und Amtsmissbr­auch zur Last.

„Aus rein politische­n Motiven“

Die Begründung: Ende Juli 2019 hatte der damalige Innenminis­ter 131 Flüchtling­e an Bord des Küstenwach­e-Schiffs Gregoretti fünf Tage lang nicht an Land gehen lassen, um so auf EU-Ebene eine europaweit­e Verteilung der Migranten zu erzwingen. Die Maßnahme sei unnötig gewesen, habe internatio­nales Recht verletzt und sei „aus rein politische­n Motiven“erfolgt, schrieb das Ministertr­ibunal im Dezember.

Zunächst wehrte sich Salvini gegen die Aufhebung der Immunität: „Die Linke will mich mit einem Schauproze­ss aus dem Verkehr ziehen, weil sie mich bei Wahlen nicht schlagen kann – aber Millionen Italiener stehen hinter mir“, betonte er. Dann merkte der Chef der rechtspopu­listischen, fremdenfei­ndlichen Lega, dass der drohende Prozess im Hinblick auf die am kommenden Wochenende stattfinde­nden Regionalwa­hlen in der Emilia-Romagna und in Kalabrien willkommen­e Munition für ihn sein könnte. Seitdem gebärdet sich Salvini als künftiger Justizmärt­yrer: „Sollen sie mir doch diesen Prozess machen! Ich habe nur die Sicherheit, die Grenzen und die Ehre dieses Landes verteidigt! Und ich würde es jederzeit wieder tun.“

Der Chef der sozialdemo­kratischen Regierungs­partei PD, Nicola Zingaretti, wirft dem ehemaligen Innenminis­ter und nunmehrige­n Opposition­sführer vor, aus einem Strafverfa­hren gegen ihn politische­s

Kapital schlagen zu wollen. Der Vorwurf mag zutreffen; aber der PD und insbesonde­re die Fünf-Sterne-Bewegung machen keineswegs eine bessere Figur: Sie wollen zwar, dass Salvini der Prozess gemacht wird – aber sie beantragte­n, die Abstimmung der Senatskomm­ission über die Aufhebung der Immunität auf die Woche nach den Regionalwa­hlen zu verschiebe­n. Hier ist ebenso viel politische­s Kalkül im Spiel wie bei Salvini.

Fadenschei­nige Begründung

Besonders opportunis­tisch verhielten sich die Fünf Sterne von Außenminis­ter Luigi Di Maio. Als Salvini 2018 in Zusammenha­ng mit einem anderen Rettungssc­hiff, der Diciotti, schon einmal die gleichen Delikte vorgeworfe­n wurden, hatte man noch gegen die Aufhebung der Immunität gestimmt. Da war Salvini noch ihr Regierungs­partner gewesen. Jetzt, wo Salvini in der Opposition sitzt, werden Di Maio & Co für die Aufhebung der Immunität stimmen – mit der fadenschei­nigen Begründung, dass das Festhalten der Flüchtling­e auf der Diciotti gemeinsame Regierungs­politik gewesen sei, während Salvini bei der Gregoretti allein gehandelt habe.

Salvini bezeichnet die Haltung der Fünf Sterne und des PD als „jämmerlich und ohne Würde“. Im Hinblick auf die für Montagaben­d geplante Abstimmung der Senatskomm­ission wies er die Lega-Senatoren an, für die Aufhebung seiner Immunität zu stimmen. Das Votum, das lediglich eine Empfehlung darstellt, stand bei Redaktions­schluss noch aus. Die Plenumsabs­timmung im Senat, die definitiv über die Aufhebung von Salvinis Immunität entscheide­n wird, ist erst im Februar geplant.

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Matteo Salvini steht wieder einmal im Zentrum des politische­n Interesses in Italien.

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