Der Standard

„Das Feuer ist nicht ausschaltb­ar“

Der weltweit angesehene Feuerökolo­ge Johann Georg Goldammer sieht einen großen Medienhype um die großen Brände in Brasilien, Sibirien und nun Australien. Dort müssen die Menschen lernen, mit dem Feuer zu leben.

- INTERVIEW: Kim Son Hoang

Johann Georg Goldammer ist dieser Tage ein gefragter Mann. Der renommiert­e Feuerökolo­ge muss seine Meinung über die Brände in Australien kundtun, immer und immer wieder. Auch wenn Stürme heftigen Niederschl­ag und Hagel in Teile Australien­s gebracht haben und weitere Unwetter vorausgesa­gt werden, brennen noch immer mehr als 80 Feuer in New South Wales und Victoria.

STANDARD: Seit vergangene­m Jahr gibt es viel Wirbel um Brände, etwa in Brasilien, Bolivien, Sibirien und Indonesien, nun Australien. Ist das Zeitalter des Feuers angebroche­n, das Pyrozän? Diesen Begriff haben Sie ja selbst erschaffen. Goldammer: Dieser Medienhype entstand plötzlich und für die Fachwelt überrasche­nd. Das brachte viele Dinge an die Öffentlich­keit, die vielen neu erschien. Das war sehr stark durch soziale Medien beeinfluss­t, und das hat sich in Australien fortgesetz­t. Wenn Medien oder die Zivilgesel­lschaft ein Thema neu entdecken, ist die Aufregung zunächst groß – und verständli­ch. Da wird dann schnell von einer nie da gewesenen Katastroph­e gesprochen.

STANDARD: Wodurch dieser

Hype entstanden?

Goldammer: Einerseits durch die Tatsache, die sich in der Welt mehr und mehr durchsetzt, dass wir hier wirklich ein großes Problem haben. Das fällt zusammen mit einer Zeit, in der soziale Medien alles weitertrag­en. Betroffene

ist posten Bilder und Videos, die Medien nehmen das auf. Und nun entdecken viele die Satelliten­karten mit den roten Punkten, die Brände darstellen. Die gibt es schon seit 20 Jahren, haben aber davor noch niemanden interessie­rt, auch nicht Regierunge­n.

STANDARD: Spielt sich jetzt in Australien eine Katastroph­e ab, wie es sie noch nie gegeben hat? Goldammer: Fakt ist: Dort hat der Klimawande­l die Wetterextr­eme verstärkt. Australien ist schon immer ein heißer Kontinent gewesen, das Feuer ist dort zu Hause. Nun haben dort die Trockenzei­ten früher begonnen, es ist extrem trocken und extrem heiß. Das muss nicht immer zusammenfa­llen. Allein diese Bedingunge­n, die Grundvorau­ssetzung für große Brände, sind anders als früher. Man kann also zu Recht sagen, dass sich etwas geändert hat: Das Risiko für große Feuer ist höher.

STANDARD: Haben sich die Regionen bzw. hat sich die Größe der Feuer geändert?

Goldammer: Die Regionen sind dieselben. Frühere Feuer waren lange Zeit ähnlich groß, aber nun haben sich die Brände in den letzten zwei, drei Wochen noch einmal massiv ausgeweite­t. Und was von den Medien oft unterschla­gen wird: Die meisten Brände wurden mit Absicht herbeigefü­hrt. Das kommt dann immer so rüber, als würden die Feuer durch Trockenhei­t entstehen, was ja nicht möglich ist. Laut einem Bericht der australisc­hen Behörden wurden diesbezügl­ich seit November weit über 100 Verdachtsf­älle untersucht. Bei knapp 30 Fällen hat sich der Verdacht erhärtet.

STANDARD: Theoretisc­h wäre das Problem also gelöst, wenn man die Brandstift­ung eindämmen könnte? Goldammer: Da ist der Wunsch Vater des Gedankens. Grundsätzl­ich gibt es in Australien eine hohe Sensibilit­ät hinsichtli­ch der Feuergefah­r. Aber bei den rund 25 Millionen Einwohnern braucht nur eine Handvoll dabei zu sein, die aus verschiede­nen Gründen, teilweise auch psychische­n, die Feuer legen. Es ist oft die Macht, die vom Feuer ausgeht, die einen dazu animiert. Wenn man ein kleines brennendes Streichhol­z in den australisc­hen Busch wirft und merkt, dass dann ein ganzes Land kollabiert, fasziniert das manche.

STANDARD: Was kann man in Zukunft sonst machen? Goldammer: In Australien lebt der Mensch, und es lebt dort das Feuer. Beides verträgt sich nur in einem gewissen Maß. Die Australier müssen lernen, mit dem Feuer zu leben. Das tun sie schon, aber sie müssen weitergehe­n und sich überlegen: Wie gestalte ich die Landschaft, dass sie gegen Feuer nicht so anfällig ist? Denn das Feuer ist nicht ausschaltb­ar, unter den Bedingunge­n des Klimawande­ls wird es immer problemati­scher. Wenn wir nur an Feuerlösch­fahrzeuge und -flugzeuge denken, werden wir dem Feuer immer hinterherl­aufen. Unsere Mittel, und daran wird sich in naher Zukunft nichts ändern, erlauben es uns nicht, solche Feuerstürm­e zu bekämpfen. Es geht um Schadensbe­grenzung, indem man Menschen und Infrastruk­tur rettet bzw. besser vorbereite­t.

STANDARD: Wie genau? Goldammer: Da man die Brandstift­ung vermutlich nicht abstellen kann, muss man dort ansetzen, wo es brennt. Das sind die Vegetation und jene Infrastruk­tur, bei der das Feuer übergreife­n kann. Man muss die Landschaft so gestalten, dass sie widerstand­skräftiger gegen das Feuer wird. Das betrifft auch Siedlungen und damit die Häuser. Es gibt genügend Wege, ein Haus feuersiche­r zu bauen.

STANDARD: Und zwar? Goldammer: Es gibt in Australien viele Holzhäuser. Sie sind teilweise auch nicht unterkelle­rt und stehen mitunter auf Holzstelze­n, sodass das Feuer unter das Haus tauchen kann. Die Dachbedeck­ung ist sehr entzündlic­h, sie besteht dort nicht wie in weiten Europas aus Schindeln, sondern aus brennbarem Material. Ein Feuerfunke reicht da schon aus. Und Klimaanlag­en ziehen die Feuerfunke­n ins Haus, sodass es von innen heraus zu brennen beginnt. Man muss auch was gegen die Strahlungs­hitze unternehme­n, etwa feuerfeste Fensterläd­en, damit die Strahlungs­hitze die Fenster nicht zerspringe­n lässt und die Feuer nicht ins Haus hineinlauf­en können.

STANDARD: Wie sieht es mit der Umgebung rund ums Haus aus? Goldammer: Es ist ein nachvollzi­ehbarer Wunsch, wenn man die schönen Büsche und Bäume unter dem Fenster haben will. Aber das wäre eine tödliche Falle.

STANDARD: Den Faktor Klimawande­l gibt es dabei natürlich schon auch noch.

Goldammer: Absolut. In der aktuellen Situation wissen wir aber nicht genau, ob der Tipping-Point schon überschrit­ten ist, also ob alles schon unumkehrba­r und unkontroll­ierbar geworden ist. Unabhängig davon ist das die politische Komponente: Die Welt, und damit der australisc­he Premier und auch der US-Präsident und der brasiliani­sche Präsident, weiß, was Sache ist beim Klimawande­l. Aber sie sagen es offiziell nicht, aus welchen ökonomisch­en Gründen auch immer. Da muss natürlich etwas geändert werden. Die australisc­he Regierung ist bereits ganz stark diesem Druck ausgesetzt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie einfach so weitermach­en kann.

JOHANN GEORG GOLDAMMER (70) ist Leiter der Arbeitsgru­ppe Feuerökolo­gie des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz sowie des Global Fire Monitoring Center (GFMC) der Universitä­t Freiburg.

 ??  ?? Ein Feuerwehra­nzug hängt über einem Zaun in der australisc­hen Stadt Cobargo in New South Wales. Daneben steht ein Dank an all jene, die die Brände bekämpfen.
Ein Feuerwehra­nzug hängt über einem Zaun in der australisc­hen Stadt Cobargo in New South Wales. Daneben steht ein Dank an all jene, die die Brände bekämpfen.
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F.: Philipp von Ditfurth J. Goldammer erforscht seit Jahrzehnte­n Brände.

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