Amerikas Ureinwohner als Umweltsünder?
Wie stark die indigene Bevölkerung die Natur des amerikanischen Kontinents prägte, wird seit langem diskutiert. Eine neue Studie zeigt, dass dramatische Eingriffe aber erst mit der Ankunft der ersten Siedler begannen.
Lange galten die amerikanischen Ureinwohner als die edlen Wilden, die in Einklang mit der Natur lebten. Als die ersten Siedler aus Europa an der Ostküste Nordamerikas landeten, schwärmten sie entsprechend von der unberührten paradiesischen Natur, die sie sich prompt untertan machten – worüber wiederum die Ureinwohner gar nicht begeistert waren.
Als Beleg dafür gilt ein Zitat, das wahlweise als Weissagung der Cree oder Prophezeiung der Hopi auf Stickern der Umweltschutzbewegung seit den 1980er-Jahren auch in unseren Breiten Karriere machte: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“
Das Zitat, das auch Häuptling Seattle zugeschrieben wird, ist freilich nur sehr mittelbar altindianischen Ursprungs, wie Recherchen ergaben. Erste ähnliche Formulierungen gehen auf das Jahr 1972 und auf die spätere kanadische Dokumentarfilmerin Alanis Obomsawin (immerhin indianischer Herkunft) und den USFilmregisseur Ted Perry zurück. Seine endgültige Form, in der das Zitat populärkulturell Karriere machte, erhielt es erst Anfang der 1980er.
Die Zweifel am indianischen Ursprung des berühmten Slogans gingen in den vergangenen Jahren Hand in Hand mit einer zunehmend kritischen Betrachtung der angeblichen Nachhaltigkeit der Ureinwohner Amerikas. Umwelthistorische Arbeiten kritisieren das Bild vom Indianer, der in tiefer spiritueller Verbundenheit mit der Natur lebt, als romantische Projektion der Europäer.
In Wahrheit seien auch schon so manche edle Wilde in Nordund Südamerika „Umweltsäue“gewesen, um es mit einem gerade populären Begriff zu sagen: Bereits die indigene Bevölkerung Amerikas habe Warnrufe der Natur ignoEin riert, brandgerodet und andere wenig nachhaltige Eingriffe in die Umwelt vorgenommen – von wenig nachhaltiger Büffeljagd bis zur verhängnisvollen Umgestaltung von Flusssystemen.
Positives Umweltzeugnis
In jüngsten Studien wird nun aber auch an diesen rezenteren Dekonstruktionen vorgeblicher Mythen Kritik geäußert. So stellen US-Forscher in einer aktuellen Untersuchung zumindest den indianischen Ureinwohnern Neuenglands, also des nordöstlichsten Teils der heutigen USA, ein positives Umweltzeugnis aus.
Eine tiefgreifende Umgestaltung der Landschaft, etwa mithilfe von Brandrodungen, hat laut diesen Recherchen, die im Fachblatt Nature Sustainability publiziert wurden, erst nach Ankunft der europäischen Siedler stattgefunden. interdisziplinäres Team um Wyatt Oswald (Emerson College in Boston), bestehend aus Archäologen und Ökologen, erhob verschiedenste Daten, die über die Umweltgeschichte Neuenglands seit der letzten großen Vereisung vor 14.000 Jahren Aufschluss geben. Dazu gehörten Informationen über verschiedene Pollenvorkommen ebenso wie hydrologische und archäologische Messungen, Rekonstruktionen der Brandgeschichte durch Holzkohlenreste sowie Daten aus Geoinformationssystemen, um Veränderungen im Zeitverlauf zu ermitteln.
Eine erste große Überraschung für die Forscher war, dass die amerikanischen Ureinwohner laut den Daten seit mindestens 14.000 Jahren in Neuengland lebten und zu bestimmten Zeiten eine relativ große Bevölkerungsdichte aufwiesen, wie die Archäologin und CoAutorin Elizabeth Chilton (Binghamton University) erklärt. Doch diese Menschen hinterließen laut den Untersuchungen kaum Spuren in der Umwelt. Die Ureinwohner hatten sich perfekt an die sich ändernden Umweltbedingungen angepasst, selbst aber für keine klimaverändernden Eingriffe gesorgt.
Das änderte sich erst mit der Ankunft der Siedler – zumindest im Bereich der Küstenregionen von New England, die im Zentrum der neuen Studie standen. Nach der Ankunft der Europäer kam es zum großflächigen Fällen und Abbrennen von Wäldern, was in der Umweltbilanz sehr deutlich sichtbar ist, wie die Forscher resümieren. Die Analysen würden wichtige Lehren für die Zukunft bereithalten, wie Wyatt Oswald betont: „Solche umwelthistorischen Untersuchungen helfen uns auch beim Nachdenken darüber, wie wir diese Landschaften am besten erhalten können.“
Bleibt die Frage, ob die neuen Erkenntnisse aus dem Nordosten der USA auch für alle anderen Teile des amerikanischen Doppelkontinents gelten. Der ökologische Fußabdruck der Indigenen Neuenglands scheint jedenfalls vorbildlich gewesen zu sein.