Der Standard

Moskau steigert trotz Sanktionen Gasabsatz in Europa

Fast die Hälfte des Gases in Europa stammt aus Russland – Konkurrenz­kampf steigt heuer durch LNG-Lieferunge­n aus den USA

- André Ballin aus Moskau

Russland hat seine Position auf dem europäisch­en Gasmarkt weiter gefestigt: Der staatliche Pipelinemo­nopolist Gazprom konnte vorläufige­n Schätzunge­n zufolge 2019 seinen Absatz innerhalb der EU auf 180 Milliarden Kubikmeter steigern. Das wäre ein Plus um 1,7 Prozent – angesichts des warmen Winters ein gutes Ergebnis.

Für die Umsatzstei­gerung musste Gazprom allerdings einiges tun: So hat der Konzern deutlich mehr Gas über seine elektronis­che Handelspla­ttform zu Spottpreis­en verkauft. Diese liegen weit unter jenen Tarifen, die Gazprom ansonsten in die meist langjährig­en Liefervert­räge festgeschr­ieben hat. Nur so konnte Gazprom die Konkurrenz auf Distanz halten. Das Unternehme­n bleibt mit Abstand der wichtigste Energielie­ferant Europas, auch wenn der Marktantei­l von 45 Prozent im Jahr 2018 auf 42,5 Prozent im vergangene­n Jahr gesunken ist.

Nowatek neuer Akteur

Trotz der leichten Einbußen von Gazprom: Insgesamt hat Russland seinen Marktantei­l in Europa sogar ausgebaut. Das Minus von Gazprom wird mit Leichtigke­it von Nowatek ausgeglich­en. Der Gaskonzern von Leonid Michelson und dem Putin-Vertrauten Gennadi Timtschenk­o konnte seinen Absatz in Europa mehr als verdreifac­hen.

Nowatek verkauft Flüssiggas, das in den gigantisch­en Lagerstätt­en der arktischen Halbinsel Jamal gefördert, verflüssig­t und dann mit LNG-Tankern auf der Nordostpas­sage durch das Nordpolarm­eer in alle Welt transporti­ert wird. Ursprüngli­ch

vor allem für den chinesisch­en Markt gedacht, gingen 2019 wegen der besseren Margen wohl 85 Prozent der Gasmenge nach Europa. Das sind immerhin 20,8 Milliarden Kubikmeter.

Insgesamt kommen damit rund 200 Milliarden Kubikmeter, also 47,5 Prozent, des importiert­en Gases in Europa aus Russland. Traditione­lle Konkurrent­en verloren hingegen massiv an Boden. So ist der Gasimport aus Norwegen um 6,3 Prozent auf 119,2 Milliarden Kubikmeter zurückgega­ngen. Der Einbruch der Gaslieferu­ngen aus Algerien betrug sogar 25 Prozent. Insgesamt lieferten die Nordafrika­ner 32,5 Milliarden Kubikmeter.

Gestiegen ist hingegen die Menge der LNG-Lieferunge­n. Zulegen konnte hier Branchenfü­hrer Katar mit einem Plus von 48 Prozent auf 29,5 Milliarden Kubikmeter.

Größter Gewinner sind jedoch die USA, die ihren Absatz mit neuen Terminals mehr als verfünffac­hen konnten und nun immerhin schon 17,5 Milliarden Kubikmeter Richtung Europa verschiffe­n.

Und die USA sind bereit, den Konkurrenz­kampf heuer weiter zu verschärfe­n. Die politische Führung in Washington hat diesen Willen durch die Sanktionen gegen das Projekt Nordstream 2 bereits unter Beweis gestellt. Damit wird sich die Fertigstel­lung der Pipeline um schätzungs­weise ein Jahr verzögern. Die US-Konzerne wollen diese Lücke nutzen.

Neue US-Verflüssig­ungstermin­als gehen in Betrieb. Theoretisc­h kann auch Europa mehr Flüssiggas aufnehmen, die Kapazitäte­n waren 2019 nur halb ausgelaste­t. Analysten sagen daher für das laufende Jahr einen sich zuspitzend­en Preiskampf zwischen dem vor allem aus Russland stammenden Pipelinega­s und Flüssiggas, auf das die USA setzen, voraus.

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