Wie die Klimawende noch gelingen könnte
Forscher zeigen Maßnahmen für Politik, Konzerne und Bürger auf – von der Dezentralisierung des Energiesystems bis zu CO2-Labels
Wien – Greta Thunberg wird wohl auch heuer ordentlich einheizen. Vergangenes Jahr warnte sie Spitzenpolitiker beim Weltwirtschaftsforum in Davos: „Unser Haus brennt!“Seither ist ein Jahr vergangen, eine weitere Klimakonferenz ging ohne klare Aussagen zu Ende, und die junge Schwedin demonstriert nach wie vor für mehr Klimagerechtigkeit.
Mit ihren Warnungen ist Thunberg nicht allein: Um die globale Erwärmung auf 1,5, aber maximal zwei Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Werten zu beschränken, sind tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen notwendig, argumentiert ein internationales Forscherteam in einer am Montag veröffentlichten Studie. Die Wissenschafter rund um das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gehen davon aus, dass das sichere Erreichen
der Pariser Klimaziele bedeutet, dass bis 2050 weltweit Klimaneutralität erreicht werden muss. Sonst könnten Kipppunkte eintreten, die zu irreversiblen Schäden im Ökosystem führen.
Noch gibt es aber Möglichkeiten, das Klima effektiv zu schützen, meinen die Forscher. Dazu seien sogenannte „soziale Kippinterventionen“notwendig, wie es in dem Papier heißt.
Einer der wichtigsten Punkte dabei sei die Neuausrichtung von Energiesubventionen. Anstatt fossile Energieträger zu subventionieren, sollten Staaten das Geld in den Ausbau von erneuerbaren stecken, argumentieren die Autoren. Bisher war das nicht der Fall: 2015 flossen weltweit doppelt so viele Mittel in fossile Energieträger wie in erneuerbare. Dabei könnte ein globaler Abbau klimaschädlicher Subventionen Emissionen jährlich um 4,4 Prozent senken, heißt es in der Studie.
Die Autoren plädieren außerdem für eine Dezentralisierung des Energiesystems. Größere Anlagen, die vor allem mit Kohle, Öl oder Gas laufen, seien nur dann profitabel, wenn sie ausreichend Haushalte versorgen. Eine Dezentralisierung würde also automatisch weg von fossilen Energieträgern führen, heißt es in dem Papier. Damit der Schritt nicht zulasten von Bürgern geschehe, sei aber eine umfassende Reform der Energiegewinnung notwendig.
Auch in der Stadtplanung wird einiges geschehen müssen, immerhin tragen direkte und indirekte Emissionen aus dem Gebäudesektor beinahe zu einem Fünftel des weltweiten CO2-Ausstoßes bei. Als Beispiele werden die Anpassung von Bauverordnungen und der Bau von klimaneutralen Gemeinden genannt.
Großes Potenzial sehen die Wissenschafter auch in der Umverteilung von Investitionen. Immerhin wollen immer mehr Banken und Fonds nicht weiter in Kohle investieren. „Simulationen zeigen, dass nur neun Prozent der Investoren das System kippen könnten, was andere Investoren dazu veranlassen würde, dem zu folgen.“
Neben Politik und Konzernen sei auch die Gesellschaft gefragt: „Das Bewusstsein für die globale Erwärmung ist hoch, aber die gesellschaftlichen Normen zur grundlegenden Veränderung des Verhaltens sind es nicht“, so PIKDirektor Johan Rockström. Nachhaltigkeit könne allerdings nicht auferlegt werden, schreiben die Autoren. Daher plädieren sie einerseits dafür, dass Umweltund Klimathemen im Schulunterricht einbezogen werden, aber auch dafür, dass die Öffentlichkeit mehr für das Thema sensibilisiert wird. Ein Beispiel wären Informationen zum CO2-Fußabdruck, die auf Produkten ausgewiesen werden – ähnlich wie eine Nährwerttabelle bei Lebensmitteln. (lauf)