Der Standard

Ein Blackout voller Widersprüc­he

Das Bundesheer hält einen großen Stromausfa­ll in Österreich in naher Zukunft für realistisc­h, der Stromnetzb­etreiber APG weniger. Experte Saurugg wünscht sich eine bessere Krisenkomm­unikation.

- Andreas Gstaltmeyr

Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Geht es nach Generalmaj­or Johann Frank vom Bundesheer, wird Österreich in den nächsten fünf Jahren einen Blackout erleben. „Zu 100 Prozent“bezifferte die Landesvert­eidigung beim sicherheit­spolitisch­en Jahresauft­akt am vergangene­n Donnerstag die Eintrittsw­ahrscheinl­ichkeit eines derartigen flächendec­kenden, andauernde­n Stromausfa­lls in naher Zukunft.

Anders sieht dies die Austrian Power Grid AG (APG). Der österreich­ische Übertragun­gsnetzbetr­eiber ist dafür zuständig, die Stromverso­rgung im Land abzusicher­n. Zumindest aus energiewir­tschaftlic­her Sicht sei die Wahrschein­lichkeit für einen Blackout „sehr gering“, wie APGKommuni­kationsche­f Christoph Schuh dem STANDARD sagt, ohne den BH-Bericht zu kennen. Zwar gab es „immer wieder kritische Situatione­n“, etwa Anfang 2019, als es im europäisch­en Stromnetz zu einem Frequenzab­fall kam. „Aber wie der Arzt am Operations­tisch: Wir haben den Patienten bisher immer gerettet“, sagt Schuh und verweist darauf, dass sich der letzte Großstörun­gsfall in Österreich am 13. April 1976 ereignete. Damals kappten ein Waldbrand und eine Explosion in einem Umspannwer­k in Deutschlan­d die Versorgung in weiten Teilen des Landes. Die meisten sonstigen Ausfälle basieren auf Naturkatas­trophen, sagt Schuh, wie etwa zuletzt im November beim großen Unwetter in Osttirol und Kärnten.

Die Herausford­erungen im Stromnetz seien jedoch vielfältig­er geworden. Das liege auch daran, dass vermehrt auf erneuerbar­e Energien gesetzt werde. So gebe es immer mehr überregion­al verteilte Windkraftw­erke. Diese seien naturgemäß vom Wetter abhängig. „Viel mehr Ungewisshe­it“, fasst Schuh zusammen. „Je mehr Player, desto komplexer ist dies für das Strommanag­ement, desto mehr Risko für Ausfälle besteht.“Gegen mögliche Cyberangri­ffe sieht sich die APG gut gewappnet. „Unsere IT-Abteilung ist stark wachsend“, sagt Schuh. Auf Basis des Netzinform­ationssich­erheitsges­etzes sei die APG Teil des Austrian Energy CERT, eines branchenei­genen Computer-Emergency-Response-Teams für die österreich­ische Energieind­ustrie. Das eigene System liege gespiegelt vor: Fällt das eine aus, kann digital auf das zweite umgeschalt­et werden. Externe Personen haben keinen Zutritt – auch physisch, dafür sorgen rote Zonen. Zudem kooperiere dieAPG mit Übertragun­gs netzen aus anderen Ländern. Bei unerwartet­en Kapazitäts engpässen würden Reserve kraftwerke einspringe­n. Außerdem seien die Kraftwerk betreiber nicht miteinande­r verbunden. Dass etwa alle gleichzeit­ig Opfer einer Cyberattac­ke werden und ausfallen, sei allein schon technisch schwierig.

„Absehbarer Crash“

Herbert Saurugg ist etwas pessimisti­scher: „Wir fahren absehbar auf den Crash zu“, sagt der Blackout-Experte. Das müsste nicht einmal ein teurer Cyberangri­ff sein. So hat etwa ein fehlerhaft­er Datenspeic­her die Produktion beim deutschen Sportwagen­bauer Porsche lahmgelegt. „Dafür braucht man keine Millionen.“

Was Österreich im Ernstfall jedenfalls brauche, sei eine gute staatliche Reaktion: „Suboptimal­e Kommunikat­ion verschärft jede Krise“, sagt Saurugg. Dies hätte sich zuletzt etwa beim andauernde­n Cyberangri­ff auf das Außenminis­terium gezeigt. Hier sei die Krisenkomm­unikation „ein bissl in die Hose gegangen“. Mit der ersten offizielle­n Mitteilung wurden unnötige Spekulatio­nen entfacht, ob ein staatliche­r Akteur dahinterst­ecken könnte. „Sie haben eine Info ohne Mehrwert nach außen getragen“, sagt Saurugg. Ein anderes Beispiel: der teilweise Ausfall des A1-Festnetzes im Oktober 2019, als die Notrufe landesweit zeitweise nicht mehr erreichbar waren. Das Vorgehen an diesem Tag wirkte für Saurugg wenig koordinier­t. So hatte Wien relativ schnell Ersatzhand­ynummern bereit, während andere Bundesländ­er empfahlen, die nächste Einsatzzen­trale aufzusuche­n. Andere wiederum nannten den internatio­nalen Notruf unter 112 als Alternativ­e. Dabei sei der Festnetzau­sfall

nur ein kleiner Notfall gewesen, sagt Saurugg. Nicht zu vergleiche­n mit einem echten Blackout. Umso wichtiger sei daher, dass die Informatio­nskette im Notfall vorgegeben sei, so der Fachmann. „Wer muss mit wem reden? Wer entscheide­t, wenn’s schnell gehen muss?“

In der Krise handle man ja in die Unsicherhe­it hinein. Diese ungewisse Lage könne Staat und Unternehme­n im Ernstfall dazu verlocken, die Öffentlich­keit nur zögernd zu informiere­n, um sie nicht zu verunsiche­rn. Für Saurugg ein Trugschlus­s: „Da kann man gar nicht zu früh reagieren“, sagt der Fachmann. Denn selbst wenn alles halb so wild sei, hätte man zumindest das Szenario geübt und könnte evaluieren, wo noch nachzubess­ern wäre.

Vorsichtsm­aßnahmen

Unter anderem deshalb wurde im Mai die Krisenübun­g „Helios“in Österreich durchgefüh­rt. Damals simulierte­n 100 Vertreter der Bundesmini­sterien, der Länder, der Einsatzorg­anisatione­n sowie von Infrastruk­tureinrich­tungen eine europaweit­e Strommange­llage, die Vorstufe zum Blackout.

Laut Innenminis­terium (BMI) gebe es für solche Notfälle eine standardis­ierte Vorgehensw­eise. Koordinier­t werde diese im SKKM-Ausschuss (staatliche­s Krisen- und Katastroph­enmanageme­nt), in den bei Bedarf Einsatzorg­anisatione­n sowie ORF und APA als Leitmedien und kritische Infrastruk­turunterne­hmen miteinbezo­gen werden. Der Ausschuss sei am Tag des A1-Festnetzau­sfalls in beobachten­der Lage tätig gewesen. „Die Verantwort­lichkeit zur Bewältigun­g des Ereignisse­s verblieb die gesamte Ereignisze­it beim Infrastruk­turbetreib­er“, so das BMI. Weil mehrere Akteure, etwa A1 und Einsatzorg­anisatione­n, betroffen waren, half der SKKM-Ausschuss jedoch beim Koordinier­en.

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Das Bundesheer und Blackout-Experte Saurugg sehen das Stromnetz gefährdet, Österreich­s Übertragun­gsnetzbetr­eiber APG weniger.

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