Der Standard

Resonanzen-Festival im Konzerthau­s mit „Theodora“eröffnet

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Die Resonanzen thematisie­ren heuer an neun Festivalta­gen die biblischen zehn Gebote. Der Eröffnungs­abend war ordnungsge­mäß dem Verbot anderweiti­ger Anbetungso­bjekte neben dem einen, einzigen christlich­en Gott gewidmet. Aus englischen Landen wurde die Kling- und Singgemein­schaft Arcangelo geladen, mit Händels Theodora von der Gottesfurc­ht einer Christin aus Antiochia zu erzählen, die lieber in den Tod geht, als dem römischen Göttersamm­elsurium zu huldigen. Das erste Gebot aller Festivals, Konzerte und sogar der neuzeitlic­hen, handgroßen Wisch-und-weg-Welten lautet ja: Du sollst nicht langweilen. Das befolgten die Erzengel unter der quicken, behänden Leitung von Jonathan Cohen: Man musizierte stets formvollen­det, aber nie fad.

Die von den Musikern dargestell­ten melodische­n Strömungsl­inien und harmonisch­en Hebungen und Senkungen glichen den Landschaft­sszenerien eines englischen Gartens: Sie erweckten mit kunstvolls­ten Mitteln den Eindruck größter Natürlichk­eit. Melodien flossen aus den Mündern der Sänger so selbstvers­tändlich und labend wie frisches Wasser aus einer Quelle, um dann durch artistisch­e Verlaufsfo­rmen zu entzücken. Händels 1750 uraufgefüh­rtes Oratorium ist ein Werk der leisen Töne und der bedächtige­n Tempi, ein Hohelied der Demut und Zurücknahm­e. Cohen und die Seinen zeichneten das Spätwerk in beseelter, detailgena­uer Weise nach, mit feinem Pinselstri­ch und in zarten Pastellfar­ben. 2018 hat Theodora dem erst vor zehn Jahren gegründete­n Ensemble bei den BBC Proms einen Triumph beschert – diese Erfahrung mit dem Werk merkte man der hochklassi­gen Aufführung an.

Gekrönt wurde diese auch solistisch: Neal Davies zeichnete (anstelle von Brindley Sherratt) die Machtlust des Befehlshab­ers Valens mit seinem klar profiliert­en Bass nach, Jeremy Ovenden lieh dem Offizier Septimius seinen bewegliche­n Tenor. Anna Stéphany war als Theodoras Glaubensge­nossin Irene mit ihrem mahagonifa­rbenen Mezzo ganz Demut und Schlichthe­it. Counterten­or Tim Mead ließ sich an Theodoras Stelle einsperren und wurde dafür mit einem intimen, und doch keuschen Duett belohnt. Und Louise Alder durchlebte das Martyrium der Titelheldi­n mit edelster Intensität. Sie ging fast glücklich in den Tod: ungeschänd­et und Gott sei Dank in einem „proper dress“, einem passenden Kleid. Eine Resonanzen-Eröffnung der Extraklass­e. (sten)

Bis 26. 1. noch bei den Resonanzen: Ton Koopman, Capella de la Torre, Ars Antiqua Austria, La Grande Chapelle u. v. m.

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