LESERSTIMMEN
Besseres Leben
Betrifft: die „Causa Wiesinger“
der Standard, 20. 1. 2020 Susanne Wiesinger hat, was schulische Belange und die Kritik am System betrifft, vollkommen recht. Die sogenannten Experten im Ministerium haben keine Ahnung, wie ein Vormittag in einer NMS abläuft/ablaufen kann. Die Ignoranz und das Leugnen der alltäglichen Schwierigkeiten kosten Generationen von Kindern eine bessere Ausbildung und ein besseres Leben. Andrea Fischer
1230 Wien
Enttäuschende Schönredner
Betrifft: „Die Kopftuchkränkung und ihre fatalen Folgen“
der Standard, 16. 1. 2020 Der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner spricht sich in einem Gastkommentar gegen ein Kopftuchverbot für Mädchen in Schulen aus. Ich schätze Zulehner. Diesmal hat er mich trotz weitschweifiger Argumente nicht überzeugt, sondern enttäuscht.
Mir fallen viele Argumente ein, warum ein Kopftuch muslimischer Frauen ein Zeichen von Unterdrückung und männlicher Vorherrschaft ist. Argumente für eine weibliche Selbstbestimmung erkenne ich nicht. Und trotzdem soll es schon im Kinderalter beginnen? Ich denke an die Frauen im Iran, die gegen das Kopftuch protestieren und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt werden. Ich denke an Frauenrechtlerinnen in muslimischen Ländern, die sich von den europäischen Frauen und Linken in Stich gelassen fühlen. Ich denke an den politischen Islam: Toleranz in Kleidungsvorschriften, wenn der Islam in der Minderheit ist. Keine Toleranz, wenn der Islam in der Mehrheit ist. Natürlich ist das nicht der Islam,
aber ein wichtiger Teil davon. Und ich denke an die Realitätsverweigerer und Schönredner bei uns: Aus Angst, als islamophob zu gelten, vergessen sie auf Menschenrechte im Allgemeinen und Frauenrechte im Besonderen. Ich fürchte, Zulehner gehört zu diesen. Franz Anhammer
1090 Wien
Dass man schon kleine Kinder religiös indoktriniert, noch ehe ihre eigene Urteilskraft erwachen könnte, gehört wohl zu den am wenigsten vertrauenerweckenden Gepflogenheiten organisierter Religionen. Herr Zulehner beschwört den hohen Wert der kulturellen Vielfalt: Drückt sich in einer Schar eingeschworener, ihren oktroyierten Glauben durch den eingebundenen Kopf zur Schau tragender Mädchen etwa Vielfalt aus? Ich finde, eher eine exhibitionistische Einfalt.
Das merkwürdige Beharren eines katholischen Klerikers auf religiöse Symbole lässt auf die unterschwellige Befürchtung schließen, man könnte sich auch von den vielen überflüssigen Kruzifixen trennen, die uns in Schulen und Amtsgebäuden immer noch zeigen wollen, „wo der liebe Gott wohnt“. (...)
Als „Werteforscher“beruft sich Zulehner auf Toleranz und begreift offenbar nicht, dass er „Toleranz“für eine infame Intoleranz gegenüber Frauen fordert. So beklagt die Autorin Zana Ramadani in ihrem Buch Die verschleierte Gefahr die Herzlosigkeit einer falsch verstandenen, „Toleranz“im Westen, mit der man gedankenlos ignoriert, dass Frauen, die das Kopftuch in den Herkunftsländern ablegen, verhaftet, verprügelt, oft sogar gesteinigt werden. Ergänzend zu Zulehners Hinweis auf „Religionsfreiheit“sei erwähnt: Auch die Freiheit von Religion ist damit gemeint!
Waltraud ProthmannSeyersbach, 5020 Salzburg