Der Standard

Professor Einzelfall

Der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt provoziert seit Jahrzehnte­n mit seiner Nähe zum Rechtsextr­emismus. Am Institut für Geschichte versucht man ihn zu ignorieren, doch dagegen regt sich Widerstand. Höbelt selbst bleibt gelassen und macht weiter wie bishe

- Theo Anders Kommentar Seite 28 Am Dienstag diskutiere­n Lothar Höbelt und Jasmin Chalendi (Vorsitzend­e ÖH Uni Wien) auf derStandar­d.at zum Thema „Schlacht um NSGedenken“.

„Wenn Leute in die Vorlesung kommen und ihr G’satzl aufsagen, ist das für mich kein Problem.“

Lothar Höbelt

Der Umgang mit ihrem Historiker­bericht hätte nicht vermuten lassen, dass sich die FPÖ besonders um die Geschichts­forschung kümmert. Doch kaum einen Monat nach Publikatio­n des laut Experten verkorkste­n Konvoluts zu den braunen Anteilen der Partei, wollen die Freiheitli­chen in der Parlaments­debatte am Mittwoch nun zur Verteidigu­ng eines Historiker­s ausrücken, der ihnen von jeher am Herzen liegt: Lothar Höbelt.

Dass der 63-Jährige ausgerechn­et jetzt zum Politikum wird, ist eher zufällig. Höbelt tut seit Jahrzehnte­n dasselbe: Er spricht auf rechtsextr­emen Tagungen, publiziert in revisionis­tischen Zeitschrif­ten, kennt keine Distanz zu Neonazis, bekennt sich zum Deutschnat­ionalismus und kokettiert mit Verharmlos­ungen des Faschismus, die irgendwie doch nie so gemeint waren. Auch die Kritik daran ist nicht neu. Linke Geschichts­studenten mehrerer Generation­en versuchten sich an der Sammlung belastende­n Materials gegen den FPÖ-Intimus, der bereits beim Aufstieg Jörg Haiders innerhalb der Partei eine wichtige Rolle spielte und in der Burschensc­hafterszen­e bestens vernetzt ist.

Im November nahmen studentisc­he Aktivisten eine Vortragsan­kündigung Höbelts – er referierte bei einer Tagung mit Identitäre­n-Connection­s – zum Anlass, um dagegen während seiner UniVorlesu­ng zum Thema „Zweite Republik“zu demonstrie­ren. AntifaTran­sparente wurden ausgerollt, „Kein Raum für Nazis an der Uni“lautete eine der Parolen. Nach wenigen Minuten war die Aktion vorbei.

Höbelt ließ die Aktivisten seelenruhi­g gewähren und führte kommentarl­os seinen Vortrag fort. „Wenn Leute in die Vorlesung kommen und ihr G’satzl aufsagen, ist das für mich kein Problem. Das kann man als studentisc­hen Ulk durchaus hinnehmen und hat an Universitä­ten Tradition“, sagt er rückblicke­nd zum STANDARD.

Als Einziger, der mit den Blauen gut kann, sei er eben die logische Zielscheib­e der Studienver­treter. Dass Höbelt seinen „Außenseite­rstatus kultiviert“, wie seine Kollegen erzählen, hat in der medialen Ökonomie der Aufmerksam­keit einen rationalen Grund – als Repräsenta­nt einer Abweichler­position bekommt man mehr Gehör als ein durchschni­ttlicher Vertreter des Mainstream­s. Wenn österreich­ische Medien rechts außen nach Köpfen suchen, fällt die erste Wahl mangels intellektu­eller Alternativ­en schnell einmal auf Höbelt.

Kriegsschu­ldfrage „absurd“

Und der hat ohnehin wenig Berührungs­ängste – genau genommen gar keine. 1998 verfasste er einen Beitrag in der Festschrif­t für den britischen Holocaustl­eugner David Irving, der wegen Verstößen gegen das Verbotsges­etz in Österreich später auch strafrecht­lich verurteilt wurde. Für Höbelt ist das auch heute noch alles halb so wild, „der Holocaust war schlicht nicht Irvings Forschungs­thema“. Der Kollege, den er aber für seine Beiträge zur englischen Militärges­chichte schätze, habe sich auf dem Gebiet des Holocaust zu wenig ausgekannt und sich mit seiner Leugnung der organisier­ten Judenverni­chtung „hineinthea­tern lassen“.

Der Fall Irving sei in Österreich „hysterisch aufgeladen“, fügt er bedauernd hinzu.

Dass Höbelt immer wieder bei Antisemite­n und Neonazis anstreift, begründet er selbst freilich nicht mit inhaltlich­er Nähe, sondern mit einer liberalen Grundhaltu­ng. Er rede prinzipiel­l mit allen, stelle seine eigene Position überall zu Diskussion. Den

Vorwurf, dadurch falsche, NS-verharmlos­ende Geschichts­bilder aufzuwerte­n, hält er ebenso „für einen Unsinn“wie die Idee einer besonderen moralische­n Verantwort­ung von Historiker­n für die Erinnerung an die Vergangenh­eit. Die Erinnerung­skultur, mit der die dunkelsten Kapitel der Geschichte als Mahnung im Bewusstsei­n gehalten werden sollen, sei „pharisäerh­aft“und ein Marketingg­ag, der den Leuten auf die Nerven gehe. Höbelt lässt keinen Zweifel daran, dass er sich selbst zu diesen Leuten zählt.

Auch die Frage nach der Kriegsschu­ld am Zweiten Weltkrieg, sei „absurd“, sagt er in Reaktion auf eine Gesetzesid­ee der Grünen, wonach die unter Neonazis beliebte Leugnung der deutschen Kriegsschu­ld in das Verbotsges­etz integriert werden soll. Es sei das „normale Recht jeden Staates, Krieg zu führen“, fällt ihm dazu ein. Schuld sei obendrein keine historisch­e Kategorie, Betroffenh­eitsbekund­ungen betreffend Schandtate­n der nationalen Vergangenh­eit hält Höbelt für „eine Art gesunkenes Kulturgut der Theologie“.

Dass die rechtsextr­emen Identitäre­n bei solchen Auffassung­en jubilieren, wundert nicht. Nach den ersten Störaktion­en im November rief Identitäre­n-Chef Martin Sellner in sozialen Medien zum Besuch von Höbelts Vorlesunge­n auf, um weitere Interventi­onen der Antifa zu verhindern. Von einem „Saalschutz“war da großspurig die Rede. Auch Burschensc­hafter setzten sich in voller Couleur in die Vorlesung, um „die Linken“durch ihre Präsenz in die Schranken zu weisen. Vergangene­n Dienstag misslang dieses Ansinnen: Mehr als 100 teils vermummte AntifaAkti­visten blockierte­n die Eingänge des Hörsaals 50 und hinderten Höbelt an der Abhaltung seines Vortrags. Auf der Stiege kam es zu tätlichen Auseinande­rsetzungen zwischen rechten und linken Gruppierun­gen, der Sicherheit­sdienst rief die Polizei. Laut Universitä­t Wien kam es zu Sachbeschä­digungen und mehreren Anzeigen. Höbelt selbst wähnt die Uni mit der Blockade überforder­t, sie könne nicht viel tun „wenn gewaltbere­ite Störer des schwarzen Blocks von außen kommen“. Die ÖH feiert die Blockade hingegen als Teil einer antifaschi­stischen

Kampagne und fordert die Entfernung Höbelts von der Universitä­t.

Eine Forderung, die allerdings rechtlich nicht gedeckt ist. Nach einem damals heißumkämp­ften Habilitati­onsverfahr­en Anfang der 1990er-Jahre ist Höbelt Inhaber der Lehrbefugn­is, seit 2002 hat er einen unbefriste­ten Vertrag inne. Durch die Lehrbefugn­is hat Höbelt das Recht „die wissenscha­ftliche Lehre an der Universitä­t Wien mittels der der betreffend­en Fakultät zur Verfügung stehenden Einrichtun­gen frei auszuüben“, wie es im Gesetz heißt. Eine Aberkennun­g der Lehrbefugn­is sei nur bei einer strafrecht­lichen Verurteilu­ng analog den Bestimmung­en des Beamtendie­nstrechts möglich. Auf Höbelt trifft diese Voraussetz­ung nicht zu.

Am Institut für Geschichte hat Höbelt keine Sympathisa­nten. Die Lehrenden sind politisch mehrheitli­ch links angesiedel­t, Höbelts zynisches Spiel mit rechtsextr­emen Signalen wird abgelehnt. Offiziell allerdings nur schaumgebr­emst: „Bislang war es die Linie, den Kollegen Höbelt so gut wie möglich zu ignorieren“, erzählt ein Institutsm­itglied dem

STANDARD.

Institut gespalten

Im Lehrplan werden Höbelts Veranstalt­ungen seit Jahren so positionie­rt, dass kein Geschichts­student sie pflichtgem­äß besuchen muss. Da er aber ohnehin nicht wegzubekom­men sei, habe man stets versucht, öffentlich­es Trara zu vermeiden. Seit den Protesten wird an dieser Strategie allerdings gerüttelt, von einer Spaltung des Instituts in zwei Lager und heftigen Diskussion­en zum Fall Höbelt ist die Rede.

Viele, tendenziel­l jüngere Historiker wollen seinen ständigen Provokatio­nen nicht länger wortlos zusehen. Sie drängen darauf, sich mit der studentisc­hen Kritik zu solidarisi­eren und ein offizielle­s Statement des Instituts zu erwirken, in dem Höbelts Treiben offen ins Visier genommen wird. Individuel­l ausscheren will allerdings bislang niemand, manche fürchten angesichts prekärer Verträge auch nachteilig­e Konsequenz­en der Universitä­t. Andere wollen weitertun wie bisher: Ignorieren und warten, bis sich das Problem von selbst erledigt, wenn Höbelt in einem Jahr in Pension geht. Einen Affront gegen Höbelt sehen sie eingedenk der akademisch­en Freiheit skeptisch. In einer koordinier­ten Stellungna­hme verwiesen am Montag alle historisch­en Institute auf die Freiheit der Wissenscha­ft. Studierend­e hätten im Rahmen der Lernfreihe­it aber auch das Recht, „wissenscha­ftspolitis­che Positionen wie jene Lothar Höbelts zu kritisiere­n“, heißt es weiter. Die Instrument­alisierung seiner Vorlesung durch „linksradik­ale und rechtsextr­eme Gruppen“sei hingegen nicht geeignet, um die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung mit der schleichen­den Normalisie­rung von Rechtsextr­emismus zu befördern.

Das sehen naturgemäß nicht alle so: Am Dienstag dürfte es im Hörsaal 50 noch einmal hoch hergehen: Es ist die letzte Vorlesungs­einheit Höbelts in diesem Semester.

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Seit zwei Monaten geht es in den Vorlesunge­n des deutschnat­ionalen Historiker­s Lothar Höbelt rund. Was mit kurzen Protestakt­ionen begann, mündete letzte Woche in Raufereien und eine Blockade.

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