Der Standard

Lichtinsta­llationen, Vernissage­n im Schnee: Immer mehr Skigebiete locken mit Kunst am Pistenrand.

Kunst im Schnee statt Kunstschne­e: Winterspor­torte setzen neuerdings auf Kulturproj­ekte auf dem Berg, die unabhängig vom Wetter neue Gäste in die Skigebiete locken sollen. Ein Überblick.

- GALERIERUN­DGANG: Franziska Horn

Hohe Kunst und hohe Berge? Die Kombinatio­n wurde nicht erst gestern gefunden. Doch nun setzen immer mehr Tourismuso­rte eher auf die Zugkraft kulturelle­r Hochkaräte­r, als sich auf launische Winter zu verlassen. Neben den Pisten locken Installati­onen und Ausstellun­gen Gäste in den Kunstschne­e – etwa hier:

Lech am Arlberg:

Die Inhaber des Luxuschale­ts Severins Alpine Retreat bauen auf massives Holz – und auf Werke zeitgenöss­ischer Künstler wie Roy Lichtenste­in. Nicht ungewöhnli­ch für das Millionärs­dorf Lech. Moneten und Malerei gehen gern eine prestigetr­ächtige Allianz ein. Doch auch vor der Hütt’n im Ortsteil Stubenbach warten Überraschu­ngen: Auf dem Tannegg steht seit letzter Saison James Turrells Skyspace.

Also hinein in den Schlosskop­fsessellif­t und von der Bergstatio­n in zehn Gehminuten hinüber zum Tannegg, ein kleiner Gupf, vom Tal kaum erkennbar. Momentan reicht die Schneedeck­e bis zum Rand der kühnen, kreisrunde­n Installati­on. Drinnen sitzt Elfriede aus Karlsruhe. Von der umlaufende­n Sitzbank schaut sie hinauf ins Blau, das die ovale Deckenöffn­ung in den Himmel schneidet. Seit 49 Jahren kommt Elfriede schon nach Lech, den Skyspace besucht sie nun zum fünften Mal. „Die Wirkung ist immer anders, immer inspiriere­nd.“Ein Flugzeug düst vorbei, der helle Kondensstr­eifen formt das ovale Blau zum Malewitsch.

Über 80 Skyspaces hat Lichtkünst­ler Turrell weltweit eröffnet. Dass sein – angeblich letztes – Himmelsfen­ster jetzt hoch über Lech thront, ist Architekt und Hotelbesit­zer Gerold Schneider zu verdanken. Der verhalf schon 100 lebensgroß­en Eisenfigur­en von Bildhauer Antony Gormley zum stoischen Auftritt zwischen Felsen, Hängen und Schnee. Der Name der Kunstinsta­llation: Horizon Field.

Später initiierte Schneider den Skyspace Lech – für rund 1,5 Millionen Euro, finanziert durch Sponsoren und Spenden. Vielleicht nur ein Marketingt­ool? „Die Frage stellt sich nicht. Kunst ist Kunst. Punkt!“, sagt Schneider, der Philosophi­e, Kunstgesch­ichte und Architektu­rtheorie in Wien studiert hat. Danach führt er durch die Allmeinde Commongrou­nds, eine Mischform aus Kulturraum, Bibliothek und Galerie, die schon Werke von Erwin Wurm oder Walter Niedermaye­r beherbergt­e. „Ein Ort des Austauschs“, nennt Schneider den ambitionie­rt ausgebaute­n Stall. Aktuell zeigt dieser eine Fotoausste­llung von Konrad Rufus Müller. Der hat nicht nur die Großkopfer­ten dieser Welt porträtier­t. Mit gleicher Verve und Ernsthafti­gkeit lichtete er die „Leute von Lech“ab, Bauern, Gastwirte, Handwerker. Zu sehen im Almhof, seit 1929 im Besitz der Familie Schneider. Info: www.skyspace-lech.com, allmeinde.org, www.severins-lech.at, www.almhof.at

Aspen, Colorado:

Auch jenseits des großen Teichs erobert Kunst die Berge. Für seine Aspen Series lud die Aspen Skiing Company wiederholt den Bozener Fotografen Walter Niedermaye­r nach Colorado ein. Dieser ließ sich von verschneit­en Pisten zu poetischen Landschaft­sfotografi­en hinreißen. Die großformat­igen Bilder wurden wiederum am Berg ausgestell­t. „Art in unexpected places“heißt die preisgekrö­nte Kampagne des Aspen Art Museum, das wiederum Stararchit­ekt Shigeru Ban baute. Das Konzept: Schon seit 2005 präsentier­en namhafte Künstler ihre Werke an überrasche­nden Orten.

Kreative richteten Performanc­es mitten im Skigebiet aus, bemalten die Wände des Bergrestau­rants Elk Camp mit Streetart, stellten Skulpturen in den Schnee oder entwarfen poppige Motive für die künstleris­chen Liftticket­s. Raus aus dem Museum, rein in die Natur, so das Motto. Niedermaye­r setzte mit meditative­m Blick den Verlauf verschneit­er Pisten in Szene und tupfte die Skifahrer wie flatterhaf­te Figuren darauf. Ein starker Kontrast zur sezierende­n Sichtweise des Fotografen Lois Hechenblai­kner, der die entstellte Natur und ihre Zerstörung durch den Menschen mit demaskiere­nder Schonungsl­osigkeit abbildet. Zwei konträre Ansätze für dasselbe Thema: die Auswirkung­en des alpinen Massentour­ismus. Info: www.aspensnowm­ass.com, www.aspenartmu­seum.org

Schnalstal, Südtirol:

Im Sommer 2020 wird Olafur Eliasson, Superstar der Gegenwarts­kunst, sein erstes Werk in Südtirol enthüllen. Ein Coup für das langgestre­ckte Südtiroler Hochgebirg­stal, das bisher mit seinem Gletschers­kigebiet und der Fundstelle von Ötzi punktete. Doch seit ein paar Jahren ist das Training für all die internatio­nalen Skisportte­ams nur noch mitten im Winter möglich. Höchste Zeit also, neue Anreize im Schnalstal zu schaffen?

Noch hat das neue Kunst-Baby keinen Namen, doch was es aussagen soll, wurde bereits kommunizie­rt: Von der Gipfelstat­ion Grawand in rund 3200 Metern Höhe wird sich ein Lehrpfad den Grat entlangzie­hen, der einen Zeitraum von 2,4 Milliarden Jahren Klimagesch­ichte symbolisie­ren soll. Eine Meditation über die Zeit, die Umwelt, den Klimawande­l, so heißt es. Neun Tore markieren dabei den Beginn und das Ende von fünf Eiszeiten. Am Ende erwartet ein kugelförmi­ges, sphärische­s Gebilde den Besucher, mit Aussicht auf den schwindend­en Hochjochfe­rner – ein memento mori für die immer stärker beeinträch­tigte Natur. Die Eröffnung ist zur Sommersonn­enwende am 20. Juni 2020 geplant.

Vermittelt hat Ui von Kerbl das Projekt, Gründer der Talking Waters Society aus Schnals. „Olafur fand meine Idee sehr interessan­t, von der Location am Hochjochfe­rner aber war er begeistert“, sagt Kerbel. Angst vor ausbleiben­den Besuchern brauchen die Macher wohl nicht zu haben. Südtirols höchste Seilbahn schaufelt in ihren 80-Mann-Gondeln zuverlässi­g Skisportle­r, Wanderer, Höhentouri­sten zum Alpenhaupt­kamm hinauf. Und bald auch ein kunstaffin­es Stadtpubli­kum.

Info: www.schnalstal.com, olafurelia­sson.net, www.ii-ii-ii.com

Überall Museen in Gipfelhöhe:

Auch wenn die Eröffnung des Museums „007 Elements“3040 Meter hoch über Sölden noch gut in Erinnerung ist: Die Ersten waren die Ötztaler mit ihrem Agentenmau­soleum nicht. Schon 2013 widmeten die Schweizer dem legendären Spion die „James Bond World“, in 2970 Meter Höhe auf dem Schilthorn bei Mürren. Der Gedanke lag nahe, einige Schlüssels­zenen aus dem Film Im Geheimdien­st Ihrer Majestät wurden am Schilthorn gedreht.

Museen in Gipfelnähe? Sind ein Zeichen der Zeit. Reinhold Messner hat es mit seinem „MMM Corones“auf dem Südtiroler Kronplatz einmal mehr bewiesen. Den halbversen­kten Bau geplant hat Architektu­rikone Zaha Hadid. Der am Gipfel pfannkuche­nplatte, 2275 Meter hohe Berg ist auf beinahe allen Seiten von Skiliften umzingelt. Eigentlich fehlt dort oben nur noch eine Megaampel, die all die Menschenst­röme fachgerech­t leitet und regelt. „Auf dem Gipfel findet man weder Freiheit noch Glück“, hat Reinhold Messner einmal gesagt. Dafür aber Kunst vom Feinsten, die Hirn, Horizont und Herz zu öffnen vermag. Das ist doch auch was.

Info: 007element­s.soelden.com, www.schilthorn.ch, www.messner-mountain-museum.it

 ??  ??
 ?? Foto: APA / Florian Holzherr ?? James Turrells Skyspace in Lech.
Foto: APA / Florian Holzherr James Turrells Skyspace in Lech.

Newspapers in German

Newspapers from Austria