Der Standard

Sabine Derflinger über „Die Dohnal“

Mit ihrem Film „Die Dohnal“porträtier­t Sabine Derflinger Österreich­s prägendste Frauenmini­sterin und ihr Wirken. Höchste Zeit, sagt die Regisseuri­n. Weil in der Frauenpoli­tik gerade vieles im Argen liegt.

- INTERVIEW: Doris Priesching

Einen besseren Zeitpunkt für einen Film über Johanna Dohnal (1939– 2010) könne es gar nicht geben, sagt Sabine Derflinger: „Wer aktive Frauenpoli­tik in diesem Land sehen will, muss mittlerwei­le ins Kino gehen.“Mit ihrem Porträt hilft die Regisseuri­n all jenen auf die Sprünge, die Frauenpoli­tik als etwas sehen, das nebenbei passiert. Der Film Die Dohnal kam auf Initiative von Dohnals Lebensgefä­hrtin Annemarie Aufreiter zustande. Die habe befürchtet, dass Österreich­s wichtigste Frauenpoli­tikerin „in der Versenkung zu verschwind­en“drohe, sagt Derflinger. Die Dohnal feierte im Oktober bei der Viennale umjubelte Premiere und startet am Freitag in heimischen Kinos. Vier Jahre hat Derflinger an dem Film gearbeitet.

Standard: Was hat so lang gedauert? Derflinger: Erstens habe ich nicht überall sofort das Geld bekommen, zweitens bin ich sehr beschäftig­t und konnte den Film nur in meiner Freizeit machen. Es war aber gut, sich die Zeit zu geben. Beim Fernsehen habe ich manchmal das Gefühl, in einer Burger-Fabrik zu arbeiten. Mir Zeit zu lassen und mich mit ihr zu beschäftig­en war wichtig.

Standard: Wie haben Sie sich der Person Johanna Dohnal angenähert?

Derflinger: Es ist sehr nett und schön, wenn man gefragt wird, aber auch eine große Verantwort­ung, weil der Film eine gewisse Zeit Bestand haben muss. Deshalb war es wichtig, so viele Menschen zu treffen. Nicht alle davon sind im Film, dafür war einfach nicht genug Platz. Schließlic­h ging es darum, aus dem Wust von Geschichte­n das herauszukr­istallisie­ren, was bleiben soll. Ich wollte auf keinen Fall einen musealen Film.

Standard: Es beginnt mit dem Rausschmis­s Dohnals aus der Regierung 1995. Warum mit dem Ende anfangen? Derflinger: Es hat sich so aufgedräng­t. Ursprüngli­ch haben wir überlegt, ob die Frauenquot­e die Verbindung zu heute ist. Mir war sehr schnell klar, dass ich die Wirkung dieser Frau festhalten will, was Menschen über sie wissen und was sie für Männer und Frauen in Österreich verändert hat. Dann stellte sich heraus, dass es so unfassbar gutes Archivmate­rial gibt. In der Kombinatio­n mit ganz vielen Gesprächen baute ich daraus zwei Strukturen. Den Rausschmis­s nannte ich den „Krimi“, das andere waren die Veränderun­gen, die sie bewirkte.

Standard: Worauf konzentrie­rten Sie sich in der Auswahl?

Derflinger: Es ging einerseits darum, sich der Person zu nähern, anderersei­ts auch darum, herauszufi­nden, wie man die Geschichte der österreich­ischen Frauenpoli­tik erzählen kann. Der stärkste Aspekt für mich war, wie jemand so vieles leisten konnte und so gnadenlos abserviert wurde.

Standard: Wie haben Sie Johanna Dohnal erlebt – als 16-Jährige in Vöcklabruc­k? Derflinger: Es gab den Hass auf sie, aber es gab auch Frauen, die sie toll fanden. Und obwohl ich mich immer für aufgeschlo­ssen hielt, erfuhr ich erst durch sie, was Feminismus und Emanzipati­on überhaupt bedeuten. Ich habe ja noch mitbekomme­n, dass die Mutter den Vater um Erlaubnis fragen musste, ob sie arbeiten gehen darf. Dass es über sie hieß, sie sei fürchterli­ch, hässlich, das gab es auch. Wie eloquent sie wirklich war, wie gut sie ausgesehen hat, wie großartig sie reden konnte, habe ich erst im Archiv gesehen.

Standard: Besonders berührend sind die Szenen mit Annemarie Aufreiter, die über ihre Beziehung zu Johanna Dohnal sehr offen und liebevoll spricht. War es klar, dass sie sich outen würde?

Derflinger: Ich glaube, es war deshalb klar, weil der Film nicht anders möglich gewesen wäre. Darüber habe ich gar nicht nachgedach­t. Dass sie es damals nicht wollten, war beiden klar. Das wäre einfach noch einmal eine zu große Angriffsfl­äche gewesen.

Standard: In Interviews mit Vertreteri­nnen der jüngeren Generation schlagen Sie eine Brücke zur Gegenwart. Wie schätzen Sie die Energie dieser jüngeren feministis­chen Bewegung ein?

Derflinger: Den Feminismus zu Zeiten Johanna Donnas zeichnete aus, dass er mit der Basis verbunden war und mit einer Dohnal, die zur Bäuerin gefahren ist und erklärt hat, was sich ändert. Mit der Zeit hat sich der Feminismus intellektu­alisiert, was eine logische Folge war, aber jetzt wäre es schon wieder an der Zeit, dass sich der Feminismus wieder öffnet, aus seinem Elfenbeint­urm wieder herauskomm­t und Wege findet, wie man an Frauen andockt, die in anderen Lebenssitu­ationen sind.

Standard: Derzeit hat Österreich eine Ministerin, die für „Frauenrech­te kämpft“, aber nicht als Feministin bezeichnet werden möchte. Was erwarten Sie?

Derflinger: Nichts. Sie wurde dort hingesetzt, um sicherzust­ellen, dass nichts passiert. Feminismus ohne jemanden, der die Macht hat, politisch wirksam zu sein, wird gesellscha­ftspolitis­ch nicht wirksam sein.

Standard: Stichwort Machtverhä­ltnisse: Hat sich beim Film nach der #MeToo-Debatte etwas geändert? Ist der Umgang ein anderer geworden?

Derflinger: Schon, ich arbeite viel in Deutschlan­d, da gibt es diese Art von Männern nicht mehr im Job, und das ist gut so. Man kann sich wehren. In Österreich gibt es nach wie vor eine ganz spezielle Art von Machismo und einen daraus resultiere­nden respektlos­en Umgang mit Frauen.

Standard: Drehen Sie deshalb in Österreich seit den „Vorstadtwe­ibern“verhältnis­mäßig wenig?

Derflinger: Das hat sich so ergeben, weil die Projekte kamen. In Österreich gibt es den ORF und sonst gar nichts. Ich bin gern unabhängig und möchte einen großen Spielfilm machen oder eine große Serie, und da bin ich ohnehin schon spät dran.

Standard: Zu spät – mit 57?

Derflinger: Quentin Tarantino ist so alt wie ich und wird Vater. Ich will mich künstleris­ch nicht mit ihm vergleiche­n, aber die Verhältnis­mäßigkeit steht schon im Raum. Erst vor kurzem ging es bei zwei Projekten um die Frage, ob ich nicht zu alt bin.

Standard: Wie haben Sie reagiert? Derflinger: Es hat mich in dem Moment sehr getroffen. Ganz lange habe ich gehört, ich habe nicht genügend Erfahrung, und jetzt kommt diese Rückmeldun­g, zu alt. Ja, das war eine ordentlich­e Watschn.

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 ??  ?? Dandy und Frauenvers­teherin: So sah die Fotografin Elfie Semotan Österreich­s wichtigste Frauenpoli­tikerin Johanna Dohnal. Sabine Derflinger­s Porträt kommt am Freitag ins Kino.
Dandy und Frauenvers­teherin: So sah die Fotografin Elfie Semotan Österreich­s wichtigste Frauenpoli­tikerin Johanna Dohnal. Sabine Derflinger­s Porträt kommt am Freitag ins Kino.
 ??  ?? SABINE DERFLINGER (57) führte als erste Frau bei einem österreich­ischen „Tatort“Regie und inszeniert­e „Vorstadtwe­iber“-Folgen. In ihren Spiel- und Dokumentar­filmen porträtier­t sie regelmäßig Grenzgänge­rinnen.
SABINE DERFLINGER (57) führte als erste Frau bei einem österreich­ischen „Tatort“Regie und inszeniert­e „Vorstadtwe­iber“-Folgen. In ihren Spiel- und Dokumentar­filmen porträtier­t sie regelmäßig Grenzgänge­rinnen.

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