Der Standard

Washington pfeift Netanjahu zurück

Israelisch­er Premier wollte Trump-Plan für Wahlkampfz­wecke nutzen – Annexionsp­läne nun verschoben

- Mareike Enghusen aus Tel Aviv

Kaum war der „Deal des Jahrhunder­ts“verkündet, konnte es Benjamin Netanjahu nicht schnell genug gehen: In der nächsten Kabinettss­itzung werde er für eine Annexion von Territorie­n werben, sagte der israelisch­e Premier, kurz nachdem US-Präsident Donald Trump Ende Jänner seinen Plan zur Lösung des israelisch-palästinen­sischen Konflikt vorgestell­t hatte. Doch überrasche­nderweise schien er sein Verspreche­n nicht mit den Amerikaner­n besprochen zu haben, die vor unilateral­en, übereilten Schritten warnten. Nun musste der Premier zurückrude­rn und seine Annexionsp­läne bis nach der Wahl Anfang März verschiebe­n: „Wir werden das mit dem Einverstän­dnis der Amerikaner tun.“

Der Trump’sche Plan sieht vor, dass Israel seine umstritten­en Siedlungen im Westjordan­land sowie das strategisc­h bedeutsame Jordantal zum Staatsgebi­et machen kann. Diese Gebiete umfassen etwa ein Viertel des Westjordan­lands – jenes Gebiets, das die Palästinen­ser zusammen mit Gaza als Territoriu­m ihres zukünftige­n Staates betrachten. Im Gegenzug sieht der Plan vor, den Palästinen­sern Gebiete nahe dem Gazastreif­en an der israelisch-ägyptische­n Grenze zuzuschlag­en.

Verhandlun­gen ausgeschlo­ssen

Dass es dazu je kommen wird, ist höchst unwahrsche­inlich: Die Palästinen­serführung hat den Plan empört abgelehnt und jegliche Verhandlun­gen darüber ausgeschlo­ssen. Vonseiten der Trump-Regierung steht jedoch einer israelisch­en Annexion der Siedlungen auch ohne Zustimmung der Palästinen­ser nichts im Wege – sofern die israelisch­e Regierung sich mit den USA koordinier­t. Derzeit erarbeitet ein israelisch-amerikanis­ches Komitee die Details einer Annexion. Ein Prozess, der wohl mehrere Monate dauern könnte.

Netanjahu gerät nach seiner Kehrtwende nun unter Druck von seinen rechten Koalitions­partnern. „Ich rufe den Premiermin­ister dazu auf, mithilfe einer sofortigen Abstimmung Souveränit­ät über Judäa und Samaria auszuüben“, schrieb Verteidigu­ngsministe­r Naftali Bennet, Vorsitzend­er der „Neuen Rechten“, auf Twitter. „Judäa und Samaria“– das ist der biblische Name für das

Westjordan­land. Linke Politiker wiederum warnen vor dem Vorhaben: „Annexion bedeutet das Ende des zionistisc­hen Traums von einem demokratis­chen Staat mit einer soliden jüdischen Mehrheit“, schrieb Yair Golan, einst stellvertr­etender Armeechef und heute Politiker des linken Parteienbü­ndnisses „Demokratis­che Union“, am Dienstag in der israelisch­en Zeitung Globes.

Opposition­sführer Benny Gantz, Chef der zentristis­chen Blau-Weiß-Partei, wählt den Mittelweg: Er befürworte­t die Annexion des Jordantals, allerdings „in Koordinati­on mit der internatio­nalen Gemeinde“– eine rein theoretisc­he Option, da die meisten Staaten eine Verhandlun­gslösung mit den Palästinen­sern fordern.

Aus diesem Widerspruc­h versucht Netanjahu für den Wahlkampf Kapital zu schlagen: Nur er könne eine Annexion durchsetze­n. Bisher scheint die Botschaft nicht zu zünden: In Umfragen liegt Blau-Weiß vor Netanjahus Likud.

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Foto: AFP / Menahem Kahana Netanjahu pflanzte am Montag einen Baum im Westjordan­land.

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