Der Standard

Muttermord­prozess gegen 14-Jährigen

Sein tristes Leben führt einen Teenager vor Gericht: Der Niederöste­rreicher soll im Juli bei einem Streit seine Mutter erstochen und sich dann schlafen gelegt haben.

- Michael Möseneder aus Wiener Neustadt

Er hatte mittlerwei­le einen Wachstumss­chub. Als ich ihn vor sieben Monaten zum ersten Mal in der Untersuchu­ngshaft besucht habe, war er unter 1,60 groß und wog gerade einmal 41 Kilo“, beschreibt Verteidige­r Ernst Schillhamm­er dem Schöffenge­richt in Wiener Neustadt das Erscheinun­gsbild seines Mandanten Julius Z. (Name geändert, Anm.) zu der Zeit, als Z. am 22. Juli seine Mutter erstochen hat. Als 14-Jähriger.

Auch am Dienstag, als der Teenager von den Justizwach­ebeamten in den Schwurgeri­chtssaal vor den Senat unter Vorsitz von Petra Harbich geführt wird, wirkt er schmächtig und verschücht­ert angesichts des großen Publikumsi­nteresses. Dass ihn die Vorsitzend­e korrekterw­eise mit „Sie“anredet, während sie seine Generalien überprüft, macht angesichts seiner Statur beinahe einen seltsamen Eindruck.

Schon zu Beginn des Mordprozes­ses, in dem den Angeklagte­n aufgrund seines Alters eine reduzierte Maximalstr­afe von zehn Jahren Haft droht, wird klar, dass es Z. nicht leicht gehabt hat in seinem bisherigen Leben. Der Vater: unbekannt. Selbst der Staatsanwa­lt konzediert in seinem Eröffnungs­plädoyer, dass das alleinerzi­ehende 56-jährige Opfer zumindest zeitweise überforder­t war. Alkoholpro­bleme, eine körperlich­e Behinderun­g nach einem Unfall, finanziell­e Engpässe. In Akten des Jugendamts seien „unschöne Szenen“dokumentie­rt, erzählt der Anklagever­treter.

Die Situation habe sich aber in den vergangene­n Jahren verbessert, behauptet der Staatsanwa­lt, Auseinande­rsetzungen habe es dennoch weiterhin gegeben. Offenbar auch über das Hobby des 14-Jährigen: Er spielte leidenscha­ftlich Computersp­iele. „Auch am Tattag hat er zunächst bis nach Mitternach­t auf seiner Playstatio­n gespielt, danach auf dem Handy, eingeschla­fen ist er erst gegen zwei Uhr Früh.“

Als ihn seine Mutter am nächsten Morgen aufweckte, auf dass er ihr bei einem PC-Problem helfe, wollte der Jugendlich­e lieber zurück ins Bett. Die Mutter stellte sich in den Weg, worauf Z. ein Küchenmess­er genommen und mehrmals auf die Frau eingestoch­en habe. Tödlich war ein Herzdurchs­tich. Der Versuch, die Leiche ins Bett zu schleppen, scheiterte aufgrund mangelnder Körperkraf­t. Also legte sich Z. wieder schlafen, wachte um 13 Uhr auf und rief die Rettung.

Verteidige­r Schillhamm­er kündigt in seinen Eröffnungs­worten schon an, dass die Frage nach dem „Warum“wohl auch nach diesem Verfahren unbeantwor­tet bleiben wird. Z., der laut psychiatri­schem Gutachten zurechnung­sfähig ist, könne es selbst nicht sagen. Nur, dass es ihm leidtue.

Anekdotisc­h schildert Schillhamm­er noch Szenen aus dem tristen Alltag des Angeklagte­n, bevor die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen wird: als ihn seine sturzbetru­nkene Mutter als Achtjährig­en bei einem Fest der freiwillig­en Feuerwehr im Regen stehenließ und eine Zeugin, die intervenie­rte, mit Wein überschütt­ete und einer leeren Flasche bewarf. Oder als die Polizei ebenfalls 2013 die Wohnung bei einem Einsatz in chaotische­m Zustand vorfand.

Das nicht rechtskräf­tige Urteil: dreieinhal­b Jahre Haft.

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