Was die Menschen zum Sport bringen könnte
Das neue Boltzmann-Institut für Digital Health in Salzburg untersucht Anreize, Sport zu machen, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen.
Mindestens 10.000 – das Tagesziel jedes Schritte-zählenden Menschen. Fitnessarmbänder, Pulsuhren, oder die Schrittezähler-Apps am Smartphone sind bereits weit verbreitet. „Aber führt es dazu, dass man sich mehr bewegt? Eher nicht“, meint Thomas Stütz von der Fachhochschule (FH) Salzburg. Er leitet als CoDirector neben Josef Niebauer vom Institut für Sportmedizin am Uniklinikum Salzburg das neue „Ludwig-Boltzmann-Institut (LBI) für Digital Health and Prevention“. Das Institut will herausfinden, was nötig ist, um den inneren Schweinehund zu besiegen, und wie sich Menschen für regelmäßige Bewegung motivieren können.
Der konkrete Anwendungsfall sind HerzKreislauf-Erkrankungen. Sie gelten als eine der häufigsten Todesursachen weltweit. „Es gibt ein Medikament dagegen, das heißt Bewegung“, sagt Stütz. Das Institut arbeitet mit Open-Innovation-Methoden und wird daher Herz-Kreislauf-Patienten und -Patientinnen aktiv in ihre Forschung einbinden. „Da ist die Motivation keine Frage, wenn man leben will“, sagt der FH-Professor vom Studiengang Multi Media Technology. Während der Rehabilitation hätten Betroffene meist gute Werte und eine hohe Motivation zum Sport. Doch nach wenigen Monaten reißen alte Gewohnheiten wieder ein – Faulheit und Couch-Potato-Verhalten inklusive.
Der Coach in der Handtasche
Hier setzen die Forscher an. Sie wollen Auslöser ermitteln, die die Menschen daran hindern, gute Vorsätze umzusetzen. Das sei der Grundstein für eine Verhaltensänderung. „Was sind die Trigger, die altes Verhalten auslösen oder neues Verhalten möglich machen? Die Technologie gibt uns die Möglichkeit dazu, diese Auslöser zu finden und besser einzusetzen“, erläutert Stütz. Dafür könne auch auf bereits bestehende enormer Datenmengen über das persönliche Verhalten zurückgegriffen werden.
„Jeder hat den einen Coach eigentlich in der Handtasche. Die technischen Lösungen werden immer besser. Aber man verwendet es nicht“, sagt der leitende Forscher. Die vermehrte Nutzung digitaler Geräte und Dienste erlaubt auch einen tieferen Einblick in das eigene Verhalten. Ziel ist es, die vorhandene Technik verwendbar zu machen oder neue Tools zu entwickeln, die bei der Änderung des Lebensstils helfen können.
Ein Ansatz sei etwa eine SmartphoneApp, die die Patienten mit einem Bewe
begleitet, erläutert Stütz – sozusagen ein digitaler Gesundheitsassistent, der personalisierte, gesundheitsfördernde Hilfestellungen anbietet.
Der behandelnde Arzt soll dann in die Daten der App einsehen können. Dabei sei auch die Datensicherheit für Patienten ein wichtiger Punkt. „Es geht nicht darum ein Beobachtungssystem nach Orwell’schen Fantasien zu bauen. Wir wollen ein Tool entwickeln, damit die Leute aktiv werden“, betont der Forscher. Wichtig sei auch die Aufbereitung der Daten für die Ärzte. Zusammengefasst sollen nutzerzentriert technische Hilfsmittel entwickelt werden, die Motivationsstrategien beinhalten für eine langfristige Lebensstiländerung mit viel Bewegung.
Erstmals FH beteiligt
Das Ludwig-Boltzmann-Institut hat eine Projektlaufzeit von sieben Jahren und betreibt interdisziplinäre Grundlagenforschung. Beteiligt sind das Uniklinikum Salzburg, die Salzburg Research Forschungsgesellschaft, das Austrian Institute of Technology (AIT), die Paris-Lodron-Universität sowie die FH Salzburg. Erstmals ist auch eine Fachhochschule als Partner an einem der Forschungsinstitute beteiligt. Es ist mit einem jährlichen Budget von 1,3 Millionen Euro ausgestattet. 60 Prozent finanziert die vom Wissenschaftsministerium kofinanzierte Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft und 40 Prozent die Partnerinstitutionen mit Unterstützung des Landes Salzburg.
Im März bezieht das Institut den Standort an der Salzburger Landesklinik direkt neben der Sportmedizin. Dort werden Mediziner, Psychologen der Uni Salzburg und der Uni Maastricht, Spezialisten für Verhaltensänderung sowie technische Forscher, App-Entwickler und Datenexperten zusammenarbeiten. Die Vision ist es, ausgehend von der Modellregion Salzburg, zuerst Herz-Kreislauf-Patienten und dann die breite Bevölkerung mit digitalen Anwendungen zu mehr körperlicher Bewegung zu verhelfen. Im Juni sollen bei einem Eröffnungssymposium erste Forschungsergebnisse präsentiert werden.
Die FH Salzburg hat ihren Forschungsbereich ausgeweitet: Das Forschungsvolumen nahm in den vergangenen drei Jahren von 2,8 auf 4,1 Millionen Euro um fast die Hälfte zu, sagt Roald Steiner, FH-Vizerektor für Forschung. Neben den auf Menschen zentrierten Technologien liegen die Schwerpunkte im Bereich von Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Technologien sowie Industrie, Informatik und Digitalisierung.