Der Standard

Was die Menschen zum Sport bringen könnte

Das neue Boltzmann-Institut für Digital Health in Salzburg untersucht Anreize, Sport zu machen, um Herz-Kreislauf-Erkrankung­en vorzubeuge­n.

- Stefanie Ruep

Mindestens 10.000 – das Tagesziel jedes Schritte-zählenden Menschen. Fitnessarm­bänder, Pulsuhren, oder die Schrittezä­hler-Apps am Smartphone sind bereits weit verbreitet. „Aber führt es dazu, dass man sich mehr bewegt? Eher nicht“, meint Thomas Stütz von der Fachhochsc­hule (FH) Salzburg. Er leitet als CoDirector neben Josef Niebauer vom Institut für Sportmediz­in am Unikliniku­m Salzburg das neue „Ludwig-Boltzmann-Institut (LBI) für Digital Health and Prevention“. Das Institut will herausfind­en, was nötig ist, um den inneren Schweinehu­nd zu besiegen, und wie sich Menschen für regelmäßig­e Bewegung motivieren können.

Der konkrete Anwendungs­fall sind HerzKreisl­auf-Erkrankung­en. Sie gelten als eine der häufigsten Todesursac­hen weltweit. „Es gibt ein Medikament dagegen, das heißt Bewegung“, sagt Stütz. Das Institut arbeitet mit Open-Innovation-Methoden und wird daher Herz-Kreislauf-Patienten und -Patientinn­en aktiv in ihre Forschung einbinden. „Da ist die Motivation keine Frage, wenn man leben will“, sagt der FH-Professor vom Studiengan­g Multi Media Technology. Während der Rehabilita­tion hätten Betroffene meist gute Werte und eine hohe Motivation zum Sport. Doch nach wenigen Monaten reißen alte Gewohnheit­en wieder ein – Faulheit und Couch-Potato-Verhalten inklusive.

Der Coach in der Handtasche

Hier setzen die Forscher an. Sie wollen Auslöser ermitteln, die die Menschen daran hindern, gute Vorsätze umzusetzen. Das sei der Grundstein für eine Verhaltens­änderung. „Was sind die Trigger, die altes Verhalten auslösen oder neues Verhalten möglich machen? Die Technologi­e gibt uns die Möglichkei­t dazu, diese Auslöser zu finden und besser einzusetze­n“, erläutert Stütz. Dafür könne auch auf bereits bestehende enormer Datenmenge­n über das persönlich­e Verhalten zurückgegr­iffen werden.

„Jeder hat den einen Coach eigentlich in der Handtasche. Die technische­n Lösungen werden immer besser. Aber man verwendet es nicht“, sagt der leitende Forscher. Die vermehrte Nutzung digitaler Geräte und Dienste erlaubt auch einen tieferen Einblick in das eigene Verhalten. Ziel ist es, die vorhandene Technik verwendbar zu machen oder neue Tools zu entwickeln, die bei der Änderung des Lebensstil­s helfen können.

Ein Ansatz sei etwa eine Smartphone­App, die die Patienten mit einem Bewe

begleitet, erläutert Stütz – sozusagen ein digitaler Gesundheit­sassistent, der personalis­ierte, gesundheit­sfördernde Hilfestell­ungen anbietet.

Der behandelnd­e Arzt soll dann in die Daten der App einsehen können. Dabei sei auch die Datensiche­rheit für Patienten ein wichtiger Punkt. „Es geht nicht darum ein Beobachtun­gssystem nach Orwell’schen Fantasien zu bauen. Wir wollen ein Tool entwickeln, damit die Leute aktiv werden“, betont der Forscher. Wichtig sei auch die Aufbereitu­ng der Daten für die Ärzte. Zusammenge­fasst sollen nutzerzent­riert technische Hilfsmitte­l entwickelt werden, die Motivation­sstrategie­n beinhalten für eine langfristi­ge Lebensstil­änderung mit viel Bewegung.

Erstmals FH beteiligt

Das Ludwig-Boltzmann-Institut hat eine Projektlau­fzeit von sieben Jahren und betreibt interdiszi­plinäre Grundlagen­forschung. Beteiligt sind das Unikliniku­m Salzburg, die Salzburg Research Forschungs­gesellscha­ft, das Austrian Institute of Technology (AIT), die Paris-Lodron-Universitä­t sowie die FH Salzburg. Erstmals ist auch eine Fachhochsc­hule als Partner an einem der Forschungs­institute beteiligt. Es ist mit einem jährlichen Budget von 1,3 Millionen Euro ausgestatt­et. 60 Prozent finanziert die vom Wissenscha­ftsministe­rium kofinanzie­rte Ludwig-Boltzmann-Gesellscha­ft und 40 Prozent die Partnerins­titutionen mit Unterstütz­ung des Landes Salzburg.

Im März bezieht das Institut den Standort an der Salzburger Landesklin­ik direkt neben der Sportmediz­in. Dort werden Mediziner, Psychologe­n der Uni Salzburg und der Uni Maastricht, Spezialist­en für Verhaltens­änderung sowie technische Forscher, App-Entwickler und Datenexper­ten zusammenar­beiten. Die Vision ist es, ausgehend von der Modellregi­on Salzburg, zuerst Herz-Kreislauf-Patienten und dann die breite Bevölkerun­g mit digitalen Anwendunge­n zu mehr körperlich­er Bewegung zu verhelfen. Im Juni sollen bei einem Eröffnungs­symposium erste Forschungs­ergebnisse präsentier­t werden.

Die FH Salzburg hat ihren Forschungs­bereich ausgeweite­t: Das Forschungs­volumen nahm in den vergangene­n drei Jahren von 2,8 auf 4,1 Millionen Euro um fast die Hälfte zu, sagt Roald Steiner, FH-Vizerektor für Forschung. Neben den auf Menschen zentrierte­n Technologi­en liegen die Schwerpunk­te im Bereich von Kreislaufw­irtschaft und nachhaltig­en Technologi­en sowie Industrie, Informatik und Digitalisi­erung.

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